Fleisch, Mais und Würste auf einem Grill
hintergrund

Fleischbranche Ende der Zeitarbeit - was heißt das für die Grillsaison?

Stand: 11.05.2024 09:16 Uhr

Pünktlich zur Fußball-EM droht eine Flaute auf dem Grill. Der Grund: Zeitarbeit in der Fleischindustrie ist endgültig verboten. Hersteller können ihre Belegschaft nicht mehr bei Bedarf aufstocken.

Stell dir vor, es ist Europameisterschaft, alle träumen vom nächsten Sommermärchen und es gibt nichts zum Grillen! Für Millionen Menschen in Deutschland ein echtes Horrorszenario, das tatsächlich eintreten könnte. Verantwortlich dafür ist das "Gesetz zur Sicherung von Arbeitnehmerrechten in der Fleischwirtschaft". Es besagt, dass Zeitarbeit auch bei den Fleischwarenherstellern seit April nicht mehr erlaubt ist. Davon sind in Deutschland 120 Betriebe betroffen.

Betriebe klagen, Gewerkschaft zufrieden

"Es ist durchaus möglich, dass Betriebe sagen, wir müssen aufgeben", sagt Horst Koller vom Verband der Wurst- und Schinkenproduzenten (BVWS). "Die Auswirkungen sind gravierend. Die Unternehmen versuchen zwar, durch die Einstellung von festen Mitarbeitern das Schlimmste zu verhindern, aber sie haben definitiv riesige Umsatzeinbußen."

Viele Betriebe gehen davon aus, dass sie zukünftig Aufträge absagen müssen: "Dann weichen unsere Kunden gegebenenfalls auf billigere Produkte aus dem Ausland aus. Deren Marktanteil hat sich in den letzten drei Jahren sowieso schon um 20 Prozent gesteigert."

Viel besser schmeckt das Gesetz der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG): "Es bringt die Verbesserung, dass die Arbeitnehmer jetzt feste und sichere Arbeitsverhältnisse haben. Dass sie sich konkret darauf einstellen können, welche Arbeitszeiten sie leisten und welche Arbeit sie machen", sagt Thomas Bernhard, der zuständige Wirtschaftsgruppenleiter. "Was die Arbeiter nicht wollen, ist ausgebeutet zu werden, dass die geleisteten Stunden nicht oder nur sehr schlecht bezahlt werden."

Corona-Schock hat die Branche erschüttert

Auslöser für das Gesetz war die Corona-Pandemie. Mehr als 1.000 Schlachthofarbeiter infizierten sich in ihren engen Unterkünften mit dem Virus und mussten isoliert werden. Schon vorher hatte es Klagen über miserable Arbeitsbedingungen in der Branche gegeben. Dieses Mal griff die Politik mit einem branchenweiten Fremdpersonalverbot rigoros durch.

"Für ein Geschäftsmodell, dass die Ausbeutung von Menschen in Kauf nimmt, kann es in Deutschland keine Toleranz geben", erklärte Arbeitsminister Hubertus Heil von der SPD im Mai 2020. Schon seit 2021 dürfen Schlachthöfe keine Arbeitskräfte mehr über Werkverträge oder Zeitarbeit einsetzen, seit 1. April gilt diese Regelung nun auch für Fleischverarbeiter.

Wurden Änderungen verschlafen?

"Es trifft definitiv Betriebe, ganz massiv, die saisonale Produkte herstellen. Dort hat man Spitzen, die man nicht mehr abdecken kann", erläutert Verbandssprecher Koller vom BVWS. "Das wird zulasten der bestehenden Arbeitnehmerschaft gehen, die mehr Überstunden leisten muss. Man kann ihnen auch nicht mehr nach Wunsch frei geben, wenn sie mit der Familie irgendwas unternehmen wollen. Das war vorher definitiv möglich, weil man auf Leiharbeiter zurückgreifen konnte."

Über diese Aussagen kann Arbeitnehmervertreter Bernhard von der Gewerkschaft NGG nur den Kopf schütteln: "Die Situation hat sich ja nicht verändert, sie ist seit drei Jahren in dieser Konstellation gegeben. Es wurde von den Unternehmern offenbar nicht für nötig befunden, etwas zu tun".

Aus seiner Sicht hat die Industrie es schlicht verschlafen, sich vernünftig vorzubereiten. "Man kann das selbstverständlich ausgleichen, man muss ein bisschen Fantasie mitbringen, sich von seinen althergebrachten Gedanken lösen und mit modernen Ideen rangehen. Dann lassen sich auch saisonale Anspannungen durchaus glätten."

Verständnis für etwaige Preissteigerungen

Eine weitere Befürchtung der Hersteller sind Kostensteigerungen durch mehr fest angestelltes Personal. Das würde auch die Preise für die Verbraucher steigen lassen. Wären die denn bereit dazu, für Wurst und Fleisch mehr zu zahlen?

Stichprobe bei einer Umfrage in Kassel. Dort sind sich die Menschen einig: "Ich finde es persönlich sogar wichtiger, dass es richtige Arbeitsgesetze gibt und auch gute Arbeitsverhältnisse - nicht, dass andere Leute ausgebeutet werden für Produkte, die ich kaufe", erklärt ein junger Mann, und eine Frau ergänzt: "Ein oder zwei Euro mehr pro Kilo sind dann auch egal."

Ein hauptberuflicher Koch hat noch eine Idee: "Vielleicht sollte man sagen: 'Okay, ich esse mal eine Wurst weniger und nehme lieber etwas mehr Salat'." Das könnte doch tatsächlich eine Lösung sein, um dem drohenden Grillgut-Engpass entgegenzuwirken. Dann steht einem neuen Sommermärchen zumindest auf der Verpflegungsseite auch nichts mehr im Weg.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete HR-Fernsehen in der Sendung "Mex" am 08. Mai 2024 um 20:15 Uhr.