Vom EU-Handelsausschuss abgelehnt ACTA steht vor dem Aus
Auch der EU-Handelsausschuss hat das umstrittene Urheberrechtsabkommen ACTA abgelehnt - trotz des intensiven Werbens des Handelskommissars de Gucht. Das Votum gilt als klares Signal für die finale Abstimmung im Juli: Folgt das EU-Parlament der Empfehlung, wäre ACTA endgültig vom Tisch.
Von Leon Stebe, RBB-Hörfunkstudio Brüssel
Für die Befürworter von ACTA ist es eine krachende Niederlage, für die Gegner ein klarer Sieg: Der Handelsausschuss des Europäischen Parlaments hat das umstrittene Urheberrechtsabkommen ACTA abgelehnt.
Amelia Andersdotter hat jahrelang gegen das umstrittene Handelssabkommen gekämpft. Sie sitzt für die schwedischen Piraten im Europaparlament. Nach der Abstimmung im Handelsausschus war sie sichtlich bewegt: "Das ist ein sehr starker Moment für Europa. Und ich freue mich, dass sich so viele meiner Kollegen meiner Meinung anschließen."
Handelskommissar: "Kein Angriff auf unsere Freiheiten"
19 Abgeordnete des Handelsausschusses haben gegen ACTA gestimmt, nur zwölf dafür. Der Vertrag soll das Urheberrecht besser schützen und eine wichtige Grundlage für den Kampf gegen Produktpiraterie sein. Europa hat sich in langen Verhandlungen unter anderem mit den USA und Japan auf ACTA geeinigt. EU-Handelskommissar Karel de Gucht hat im Ausschuss persönlich noch einmal dafür geworben: "ACTA ist kein Angriff auf unsere Freiheiten, sondern eine Verteidigung unserer Lebensgrundlage."
Das Anti-Counterfeiting-Trade-Agreement (ACTA) ist ein internationales Abkommen zur Bekämpfung von Urheberrechtsverletzungen und Produkpiraterie. Beteiligt sind unter anderem die USA, die EU-Staaten und Japan. Die ACTA-Verhandlungen fanden größtenteils unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Auch über die Ergebnisse wurde kaum informiert. Der EU-Ministerrat stimmte dem Abkommen im Dezember 2011 zu, das EU-Parlament jedoch noch nicht. Kritiker des Abkommens befürchten, dass Maßnahmen zum Schutz von Urheberrechten im Internet zu einer Einschränkung der Meinungsfreiheit und einer dauerhaften Überwachung von Internet-Inhalten führen könnten. In vielen Ländern gibt es deshalb Proteste gegen ACTA.
Angst vor steigender Überwachung
Die Kritiker widersprechen dem Kommissar entschieden. Sie befürchten, dass mit diesem Abkommen auch ganz normale Internetnutzer ins Visier geraten könnten - und zwar dann, wenn sie zum Beispiel bei Facebook Bilder, Videos oder Musik miteinander teilen. Die Gegner haben deshalb die Sorge, dass mit ACTA das Internet noch mehr überwacht werden könnte, um Urheberrechtsverletzungen aufzudecken. Oder dass sogar Netzsperren möglich sind.
Das Problem ist, dass der Vertragstext das weder vorsieht noch ausschließt. Der Schotte David Martin von den europäischen Sozialisten, der im Handelsausschuss der zuständige Berichterstatter ist, sagte: "Wir glauben, dass ACTA zu vage gehalten ist. Das Dokument lässt zu viele Fragen offen, unter anderem welche Rolle Internetdienstleister bei der Überwachung des Internets spielen sollen - und welche nicht. Die Entscheidung heute war keine gegen das geistige Eigentum, sondern eine Entscheidung gegen den Inhalt von ACTA."
Entscheidung am 4. Juli
Das Votum des Handelsausschusses gilt als klares politisches Signal für die finale Abstimmung im Europaparlament in zwei Wochen. Vieles spricht dafür, dass das Abkommen bald Geschichte ist. Die EU-Kommission hat noch darum gebeten, die Entscheidung zu verschieben - und ein Rechtsgutachten des Europäischen Gerichtshofs abzuwarten. Doch dieser Antrag wurde abgelehnt. Damits steht fest: Sollte das Parlament am 4. Juli der Empfehlung des Handelsausschusses tatsächlich folgen, dann wäre ACTA endgültig vom Tisch.