Treffen der EU-Gründerstaaten-Außenminister Steinmeier warnt vor Brexit-Hysterie
Am Tag nach der Brexit-Entscheidung der Briten beraten die EU-Gründerstaaten über ihr weiteres Vorgehen. Laut Bundesaußenminister Steinmeier sei nun weder "Hysterie noch Schockstarre" angebracht. Zusammen mit Frankreich plant Deutschland eine "flexible Union", die ein unterschiedliches Reformtempo erlaubt.
Nach dem Votum der Briten für einen Ausstieg aus der Europäischen Union suchen die EU-Staaten nach einer gemeinsamen Linie im Umgang mit Großbritannien. Die Außenminister aus den sechs Gründerstaaten der EU trafen zu Beratungen über die Folgen des Brexit-Referendums zusammen.
An dem Treffen nehmen Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier sowie seine Kollegen aus Frankreich, Italien und den Benelux-Ländern teil. Sie sind die Gründerstaaten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG), der Vorläuferin der EU. Deutschland und Frankreich wollen dabei gemeinsame Vorschläge zur Weiterentwicklung der EU vorlegen. Im Entwurf für eine gemeinsame Erklärung ist von einer "flexiblen Union" die Rede, die Raum lassen soll für Partnerländer, die weitere Integrationsschritte noch nicht mitgehen können oder wollen.
"Die Erwartungen der Bürger herausfinden"
Jetzt müsse es darum gehen, herauszufinden, was die Erwartungen der Mitgliedsstaaten und der Bevölkerung an die EU seien, sagte Steinmeier vor dem Treffen. Europa dürfe weder in hektische Aktivität noch in Untätigkeit verfallen.
EU-Kommissionchef Jean-Claude Juncker hatte zuvor auf einen zügigen Beginn der Austrittsverhandlungen Großbritanniens gedrängt. "Ich verstehe nicht, wieso die britische Regierung bis Oktober braucht, ob sie den Scheidungsbrief nach Brüssel schicken wollen oder nicht. Ich hätte den gern sofort", sagte Juncker im Brennpunkt.
Dass Premier David Cameron erst in einigen Monaten zurücktreten will - das hält auch EU-Parlamentspräsident Martin Schulz für "skandalös". In den tagesthemen sagte er, zum wiederholten Mal werde ein "ganzer Kontinent in Geiselhaft genommen für die parteiinternen Überlegungen" der britischen Konservativen.
Stunde der Populisten?
Juncker schloss in einem Interview mit der "Bild"-Zeitung außerdem nicht aus, dass es weitere Austritts-Referenden geben könnte. Dies sei möglich, "da Populisten in der Regel keine Gelegenheit auslassen, um mit viel Lärm für ihre Anti-Europa-Politik zu werben", sagte er. In Frankreich und den Niederlanden gab es bereits erste derartige Forderungen.
Die Briten hatten sich am Donnerstag in einem historischen Referendum mit knapp 52 Prozent für einen Austritt aus der EU ausgesprochen. Neben der Einheit der europäischen Staatengemeinschaft stellte das Votum auch jene Großbritanniens in Frage. So sprach sich in Schottland eine Mehrheit für den Verbleib in der EU aus.