EU-Gipfel in Brüssel Juncker als Kommissionschef nominiert
Ende eines wochenlangen Streits: Die Staats- und Regierungschefs der EU haben den Luxemburger Juncker für das Amt des EU-Kommissionspräsidenten nominiert. Erstmals gab es aus ihrem Kreis aber gleich zwei mal ein "Nein". Nun muss das EU-Parlament Juncker noch wählen.
Der Brüsseler EU-Gipfel hat den konservativen Luxemburger Jean-Claude Juncker nach langem Streit als neuen Präsidenten der EU-Kommission benannt.
Die Nominierung war unter den 28 Staats- und Regierungschefs höchst umstritten. Großbritanniens Premier David Cameron und der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban stimmten gegen Juncker. Cameron hatte eine Abstimmung in der Frage erzwungen.
Bundeskanzlerin Angela Merkel begrüßte die Nominierung. Juncker habe "europäische Erfahrung" und werde auf die Wünsche der einzelnen Mitgliedsstaaten und des Parlaments eingehen. Merkel betonte aber ihr Interesse, dass Großbritannien in der EU bleibe. Sie wolle auch keine Prognose abgeben, ob das von Großbritannien kritisierte Nominierungsverfahren beim nächsten Mal genauso durchgezogen werde.
Auch Noch-Kommissionschef José Manuel Barroso gratulierte seinem designierten Nachfolger: Dieser sei ein "wirklicher Europäer".
Cameron: "Schlechter Tag für Europa"
Cameron kritisierte die Benennung jedoch erwartungsgemäß. Die Entscheidung riskiere, "die Position der nationalen Regierungen zu untergraben". Er sprach von einem "schlechten Tag für Europa" und beklagte, einige Regierungschefs hätten ihre Position in der Juncker-Frage geändert.
Nach Camerons Ansicht ist Juncker ungeeignet, den Posten zu übernehmen, weil er schon jetzt die Brüsseler Bürokratie zu sehr verkörpere. Er habe seinen Kollegen bei der Aussprache über die Personalie gesagt, sie könnten das angewandte Verfahren "noch zu Lebzeiten bereuen", teilte Cameron mit. Der Premierminister steht zu Hause unter dem massiven Druck von EU-Gegnern. Im Jahr 2017 will er die Briten über den Verbleib in der EU abstimmen lassen.
Gemischte Reaktionen auf Camerons Rolle
Einige EU-Regierungschefs versuchten die Briten zu beschwichtigen - aus Sorge, der Postenschacher könnte das Land noch weiter von Festlandeuropa isolieren.
Andere kritisierten die Beharrlichkeit der Briten: Sie können nicht alleine die 26 oder 27 anderen Ländern blockieren, die sich einig seien.
Wahl im Juli
Juncker soll am 16. Juli vom Europaparlament gewählt werden. Dafür sind mindestens 376 der insgesamt 751 Stimmen nötig. Da die Sozialdemokraten bereits signalisierten, dass sie den Konservativen wählen wollen, hat er gute Chancen, diese Hürde zu überwinden. Junckers Europäische Volkspartei ist die stärkste Fraktion in der Volksvertretung. Das Mandat Junckers läuft über fünf Jahre.
Die Gegenstimmen sind eine weitere historische Zäsur: Bislang hatten die Staats- und Regierungschefs den Kommissionschef immer einstimmig bestimmt. Erstmals sind sie auch verpflichtet, das Ergebnis der Europawahl im Mai zu berücksichtigen. Damals waren die Christdemokraten mit Juncker als "Spitzenkandidaten" stärkste Kraft geworden.
Viele europäischen Parteien hatten bei der Wahl solche "Spitzenkandidaten" aufgestellt, ohne das dies in der Verträgen vorgesehen gewesen wäre. Auch das kritisierte Cameron scharf. Neu - und vorgesehen - ist auch, dass das Parlament den Kommissionschef wählt.
Auch andere Posten müssen bald besetzt werden
Die EU muss sich bis zum Herbst auch jenseits der Personalie Juncker über ein umfassendes Personalpaket einigen. Dazu gehört die Nachfolge der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton und von EU-Ratschef Herman Van Rompuy. Besonders beim Posten des Außenbeauftragten gibt es Zeitdruck. Deshalb wollen sich die Staats- und Regierungschefs am 16. Juli wieder in Brüssel zu einer Sondersitzung treffen.