Eklat auf EU-Gipfel Zwischen Nörgeln und Herumschnauzen
Bei dem EU-Gipfel ist es zwischen dem französischen Präsidenten Sarkozy und dem britischen Premier zu einem ruppigen Wortwechsel gekommen. Offenbar genervt von Camerons Ratschlägen zur Euro-Rettung platzte Sarkozy der Kragen und raunzte ihn an. Und nicht nur das - auch in London steht Cameron unter Druck.
Von Torsten Huhn, NDR-Hörfunkstudio London
Es sind ungemütliche Tage für den britischen Premierminister David Cameron: Auf dem EU-Gipfel in Brüssel wurde er von Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy heftig angegangen. Und daheim sieht er sich einer Rebellion von EU-Gegnern in seiner eigenen Fraktion gegenüber.
Sarkozy zu Cameron: "Mund halten"
Sarkozys Attacke sorgt heute für dicke Schlagzeilen auf der Insel: "Sie haben eine gute Gelegenheit verpasst, den Mund zu halten", sagte der französische Staatspräsident gestern in einer großen Konferenzrunde. "Wir haben es satt, dass Sie uns ständig kritisieren und uns sagen, was wir tun sollen", erklärte Sarkozy und fuhr fort: "Sie hassen den Euro, wollen sich aber in unsere Beratungen einmischen."
Cameron fürchtet Auswirkungen auf britische Wirtschaft
Cameron hat die Euro-Staaten in letzter Zeit wiederholt aufgerufen, die Probleme der Euro-Zone endlich zu lösen. Er fürchtet um die Auswirkungen der Krise auf die stagnierende britische Wirtschaft: "Das Vereinigte Königreich ist nicht in der Eurozone, und wir haben auch keinerlei Absicht, dem Euro beizutreten. Aber es liegt im Interesse Großbritanniens, eine starke und gesunde Euro-Zone zu haben. Nichts würde im Moment der Erholung der britischen Wirtschaft mehr helfen als eine Lösung der Euro-Krise."
Erfolgreich verlangte Cameron, dass nun am Mittwoch nicht nur ein Gipfeltreffen der Euro-Länder stattfindet, sondern noch einmal Vertreter aller EU-Staaten zusammenkommen, um über die Maßnahmen gegen die Euro-Krise zu beraten und zu entscheiden.
Druck aus Camerons eigener Fraktion
Camerons Auftreten in Brüssel und seine Forderungen nach Beteiligung an den Beratungen über den Euro hat auch innenpolitische Gründe. Denn gegen seinen erklärten Willen wollen EU-Gegner in seiner eigenen Fraktion eine Volksabstimmung über den Verbleib Großbritanniens in der EU durchsetzen. Einer der EU-Gegner ist der Abgeordnete Bernard Jenkin. Er begründet seine Forderung nach einem Referendum: "Wir haben so viel Macht an die Europäische Union abgegeben. Es hat nie ein Referendum über diesen Macht-Transfer gegeben. Das Problem ist: Die Europäische Union ändert sich jetzt, es ist ein ganz anderes Biest als 1975, als wir dem gemeinsamen Markt beitraten. Wir müssen Macht zurück bekommen, damit wir unsere Wirtschaft deregulieren können und sie wieder wächst."
Die EU-Skeptiker haben zwar keine Chance auf eine Mehrheit im Parlament, nur etwa 70 konservative Abgeordnete werden sich dem Antrag anschließen. Sie können aber die Position Camerons schwächen.
Fadenscheinige Argumentation der EU-Gegner
Die Argumentation der EU-Gegner ist ziemlich fadenscheinig: "Einer der Gründe, warum unsere Wirtschaft zurzeit nicht wächst, liegt darin, dass wir unter der Last der Regulierungen der EU leiden", sagt Jenkin. Wirtschaftsverbände schätzen, dass die Kosten für die EU-Regulierungen über 65 Milliarden Euro im Jahr betragen. "Deshalb haben wir in der Welt an Wettbewerbsfähigkeit verloren und deshalb denken viele Geschäftsleute, dass der gemeinsame Markt mehr ein Nachteil denn ein Vorteil für sie ist."
Doch diese Aussage ist nicht bewiesen – weite Teile der britischen Wirtschaft sehen durchaus Vorteile durch die EU-Mitgliedschaft. Aber das Ansinnen der Tory-Abgeordneten zeigt, dass es in der Konservativen Partei nach wie vor eine starke Anti-EU-Fraktion gibt.