Weißes Haus
Interview

Entlassung des FBI-Chefs "Das kann gefährlich werden für Trump"

Stand: 10.05.2017 16:29 Uhr

Die Entlassung von FBI-Chef Comey könnte für US-Präsident Trump nach hinten losgehen, glaubt US-Experte Crister Garrett. Der Politologe sagte im Interview mit tagesschau.de, das politische Klima in den USA habe sich schlagartig

tagesschau.de: US-Präsident Donald Trump begründete die Entlassung vor allem mit Comeys Verhalten in der E-Mail-Affäre um Hillary Clinton. Ist das glaubwürdig?

Crister S. Garrett: Nein. Denn bisher war Comey laut Donald Trump mutig, richtig und unabhängig in dieser Sache. Republikaner und Demokraten in den USA sagen, diese Begründung sei vorgeschoben. Da herrscht auch in Trumps eigener Partei große Skepsis.

Zur Person

Crister S. Garrett ist Professor für Amerikanistik an der Uni Leipzig. Er beschäftigt sich mit amerikanischer Politik und Zeitgeschichte. Garrett promovierte an der University of California (UCLA).

tagesschau.de: Was sind Ihrer Meinung nach die wahren Gründe für die Entlassung?

Garrett: Zurzeit geht man davon aus, dass die Ermittlungen in der Russland-Affäre immer ernster werden. Comey hat vor dem Kongress gesagt, dass es schwerwiegende Hinweise gibt. Comey war unabhängig und nicht direkt kritisch gegenüber dem Präsidenten. Aber er hat Aussagen gemacht, die denen des Präsidenten widersprochen haben.

Trump droht Amtsenthebungsverfahren

tagesschau.de: Wie gefährlich können die Ermittlungen des FBI zu möglichen Russland-Kontakten des Trump-Teams für den Präsidenten werden?

Garrett: Sehr gefährlich! Je nachdem, was da rauskommt. Absprachen mit einer fremden Regierung können - je nach Inhalt - absolut verfassungswidrig und der Anfang für ein Amtsenthebungsverfahren sein. Dieses Verfahren fängt laut Verfassung im Repräsentantenhaus an. Und das ist der springende Punkt: Viele Republikaner sehen ihren Sitz bei den Zwischenwahlen im kommenden Jahr in Gefahr, die Demokraten wittern ihre Chance. Die Ermittlungen des FBI gehen natürlich auch nach der Entlassung Comeys weiter.

tagesschau.de: Comey sollte in wenigen Tagen vor dem Geheimdienstausschuss des Senates zu den Russland-Ermittlungen aussagen. Bleibt es dabei?

Garrett: Dazu habe ich noch nichts gelesen. Möglicherweise wird er nicht mehr als FBI-Chef, sondern als Experte befragt. Insofern könnte der Schuss für Trump nach hinten losgehen. Denn im Amt hätte Comey seine Worte vorsichtig wählen müssen. Jetzt könnte er seine persönlichen Einschätzungen unverblümt mitteilen. Das könnte eine völlig neue Qualität in die Ermittlungen bringen.

James Comey

Comey könnte nun unverblümt auspacken, glaubt Garrett.

"Comey-Entlassung hat das politische Klima verändert"

tagesschau.de: Politische Beobachter ziehen Vergleiche mit dem Watergate-Skandal, als der damalige republikanische Präsident Richard Nixon in der Affäre um das illegale Abhören der Demokratischen Partei 1973 den Chefermittler feuerte. Hat die Comey-Entlassung diese Dimension?

Garrett: Durchaus. Die Russland-Affäre hat man ja auch schon vorher mit Watergate verglichen. Nixon und Trump haben einige Ähnlichkeiten: Großes Misstrauen gegenüber der freien Presse und dem Justizsystem. Beide unterteilen die Welt in Feinde und Freunde. Der große Unterschied zum sogenannten Samstagabend-Massaker Nixons: Damals war ein Sonderermittler schon im Sattel. Aber das Vorgehen ist ähnlich: Ein Präsident feuert jemanden, der Fakten und Unterlagen zu einem Fall sammelt, der immer brisanter für die Regierung wird. Das politische Klima hat sich innerhalb von 24 Stunden in Washington D.C. deutlich geändert.

tagesschau.de: Inwiefern?

Garrett: Die Dinge sind spürbar ernster geworden. Nicht nur für die Demokraten, sondern auch für die Republikaner. Die Demokraten sehen jetzt die Chance, das Weiße Haus zu schwächen. Die Republikaner, insbesondere die Mitglieder im Kongress, müssen sich sehr deutlich dazu positionieren. Mit Blick auf die Zwischenwahlen im kommenden Jahr könnte die Trump-Regierung sie in einen Niederlagen-Sog nach unten ziehen. Denn die Russland-Affäre ist für viele konservative Wähler sehr, sehr problematisch. Grob gesagt hat der Präsident die USA gegenüber Russland ausverkauft. So wird das unter Republikanern diskutiert. Und derjenige, der die Vorwürfe untersuchen sollte, ist jetzt nicht mehr im Amt.

"Comey-Nachfolge wird entscheidend für Trump"

tagesschau.de: Für Nixon war die Entlassung des Chefermittlers ein folgenreicher Fehler, der später zu seinem Rücktritt führte. Kann das auch Trump drohen?

Garrett: Ja. Die Entlassung durch Nixon hatte das Misstrauen gegenüber dem Weißen Haus verstärkt. Es würde mich nicht überraschen, wenn die Entlassung Comeys eine ähnliche Auswirkung auf die Bundespolitik hätte. Entscheidend für Trump wird sein, wer Comeys Nachfolger als FBI-Chef wird.

tagesschau.de: Wird der künftige FBI-Chef die Russland-Ermittlungen noch objektiv führen können?

Garrett: Das ist die Gretchenfrage. Die Zeichen stehen nicht günstig dafür. Die Pressemitteilung von Comeys Entlassung wurde offensichtlich vom Vize-Direktor des FBI mit verfasst. Er führt jetzt die Behörde interimsmäßig. Dass er die Mitteilung mitgetragen hat, ist kein gutes Zeichen. Sollte der Präsident jemanden finden, der von beiden Parteien als unabhängig, solide und seriös angesehen wird, dann könnte das die politische Brisanz zum Teil entschärfen.

Kündigungsschreiben

Trump wirft Comey vor, das FBI nicht effektiv führen zu können.

Das Interview führte Dominik Lauck, tagesschau.de.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete tagesschau24 am 10. Mai 2017 um 16:00 Uhr.