EU-Außenministertreffen Von Sanktionen weit entfernt
Wie reagieren auf Chinas Politik in Hongkong und den Konfrontationskurs der Türkei? Den EU-Außenministern mangelt es nicht an Ideen. Zu einer gemeinsamen Linie fanden sie nicht.
Die EU verschärft ihre Tonlage, ein echter Kurswechsel in der Chinapolitik ist das aber nicht. Denn von Sanktionen gegen chinesische Politiker oder von wirtschaftlichen Strafmaßnahmen ist auch zwei Wochen nach Inkrafttreten des umstrittenen Sicherheitsgesetzes in Hongkong keine Rede.
Stattdessen sieht eine deutsch-französische Initiative ein Exportverbot für Güter und Produkte vor, die von den Behörden in der ehemaligen britischen Kronkolonie auch für die Niederschlagung von Protesten genutzt werden könnten. Bürger aus Hongkong sollen leichter nach Europa reisen und länger bleiben dürfen.
Außerdem wollen Paris und Berlin mit Stipendienprogrammen für politisch verfolgte Wissenschaftler, Journalisten oder Künstler die Zivilgesellschaft in der Sonderverwaltungszone stärken.
"Es kann nicht so sein, dass alles so bleibt wie es ist", sagte Bundesaußenminister Heiko Maas. "Wenn das 'Sicherheitsgesetz' in Hongkong angewandt wird, dann wird das ganz konkrete Auswirkungen haben müssen auf Fragen der Rüstungsexporte, von Dual Use-Gütern. Auch werden wir uns die Frage stellen müssen, wie Auslieferungsabkommen und Rechtshilfeabkommen unter den Umständen weiter behandelt werden können."
Teil der neuen Seidenstraße oder Teil der Sanktionen?
All das kann jedes Mitgliedsland für sich entscheiden. Wirtschaftssanktionen gegen China müsste die EU dagegen einstimmig beschließen. Davon ist die Union aber weit entfernt - was vor allem dran liegt, dass sich manche EU-Staaten an der neuen chinesischen Seidenstraße beteiligen wollen und auf milliardenschwere Investitionen aus Peking hoffen. Griechenland zum Beispiel, oder Ungarn und Italien.
Die schwedische Regierung hätte sich zwar mehr Druck auf China gewünscht, steht aber hinter dem Vorschlag aus Deutschland und Frankreich. Schwedens Außenministerin Ann Linde sagt: Europa muss darauf reagieren, was gerade in Hongkong passiert.
Zweites Topthema: die Türkei
Ganz offensichtlich hatten die Außenminister diesmal besonders viel zu besprechen. Die Konferenz dauerte jedenfalls deutlich länger als geplant. Verantwortlich dafür dürfte das Topthema des Treffens gewesen sein: Das Verhältnis der EU zur Türkei. Denn es besteht aktuell vor allem aus Baustellen und Konflikten: Von der Rolle der türkischen Regierung im libyschen Bürgerkrieg über die Flüchtlingspolitik bis hin zu den Ölbohrungen vor den Küsten Zyperns und Griechenlands. EU-Chefdiplomat Josep Borrell will zwar mit Ankara im Gespräch bleiben, damit sich die Lage im östlichen Mittelmeer wieder beruhigt. Gleichzeitig schließt Borrell weitere Sanktionen gegen die Türkei nicht aus. Schließlich würden Bohrungen in umstrittenen Gewässern die Spannungen nur verstärken, meint er.
Für Österreichs Außenminister Alexander Schallenberg ist die angekündigte Umwandlung der Istanbuler Hagia Sophia in eine Moschee der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt. Die EU sollte deshalb die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei endgültig abbrechen: "Ich sehe das schon als ein jüngstes Glied einer Grenze von Provokationen: Die türkische Politik in Libyen, in Syrien, im Nordirak, die illegalen Bohrungen vor Zypern, der Missbrauch von Migranten an der griechischen Grenze - und jetzt auch die Umwidmung der Hagia Sofia nach Jahrhunderten", zählt er auf.
Einige EU-Mitgliedsstaaten sehen das allerdings anders, obwohl die Beitrittsgespräche seit dem gescheiterten Militärputsch von 2016 ohnehin auf Eis liegen - und sich die Türkei unter Präsident Recep Tayyip Erdogan nach allgemeiner Einschätzung immer weiter von Europa entfernt.
Für EU-Chefdiplomat Borrell steht heute schon fest: Auch beim nächsten Außenministertreffen Ende August wird die Türkeipolitik wieder eine ganz zentrale Rolle spielen.