Debatte über Polen im EU-Parlament Szydlo sieht ihre Regierung im Recht
Ausführlich hat die polnische Regierungschefin Szydlo das neue Mediengesetz Polens verteidigt. Auch die umstrittene Justizreform verletzte keine EU-Normen, sagte sie vor dem EU-Parlament in Straßburg.
Die polnische Regierungschefin Beata Szydlo hat sich gesprächsbereit über die umstrittenen Reformen in ihrem Land geäußert. Sie und ihre Regierung seien bereit, den Europäern über alle strittigen Themen Frage und Antwort zu stehen, sagte Szydlo vor dem EU-Parlament in Straßburg.
Jegliche Änderungen an den umstrittenen Gesetzen zu den Medien und dem Verfassungsgericht lehnte Szydlo allerdings kategorisch ab. Ihre Partei sei im Herbst mit diesem Programm an die Regierung gewählt worden und deshalb "werden wir dieses Programm durchziehen, ohne Abstriche", sagte sie am Rednerpult.
Neuregelung des Mediengesetzes sichere Unabhängigkeit
Gleichzeitig verteidigte sie energisch die Justizreform und ein neues Mediengesetz, die beide ihrer Ansicht nach keine europäischen Vorschriften verletzten. Mit der Neuregelung des Mediengesetzes versuche man nur, die Möglichkeit für eine unabhängige Berichterstattung zu schaffen.
"Wir wollen mehr Pluralismus in den öffentlich-rechtlichen Medien", sagt sie. Das sei der Zweck ihrer Änderungen. Bisher seien bestimmte Gruppen in der Gesellschaft stärker in den Medien vertreten gewesen als andere. Anlass für die Debatte war unter anderem ein Gesetz, das es der Regierung erlaubt, die Führung der öffentlich-rechtlichen Medien auszutauschen.
Polens Rechtssystem werde untergraben
Die EU-Kommission war auch wegen der Veränderungen am polnischen Verfassungsgericht besorgt. Szydlo hatte es zum Beispiel vermieden, drei Verfassungsrichter vereidigen, die von der Vorgängerregierung eingesetzt wurden. Sie betonte allerdings, dass durch die Gesetzesänderung der Vorgängerregierung eine Ungleichheit bei der Ernennung von Richtern entstanden sei.
Außerdem gibt es Bedenken bei den neuen Regelungen zur Ernennung von Richtern, nach denen die Anzahl von Richtern, die sich mit einem Fall beschäftigen, erhöht werden muss. Zusätzlich müssen die Richter jetzt Fälle in der Reihenfolge bearbeiten, in der sie bei den Gerichten eingegangen sind. Das erhöhe die Arbeitslast des Verfassungsgerichts und behindere die Institution in ihrem Vorgehen. "Die zentrale Position des Verfassungsgerichts im polnischen Rechtssystem ermöglicht es, die Ausübung der Gesetze in Polen systematisch zu untergraben", sagte EU-Vize-Ratspräsident Frans Timmermans.
Debatte mit der Opposition gewünscht
Wenige Tage nach dem Inkrafttreten des Gesetzes im Januar waren bereits neue Intendanten nominiert. In Polen kommt es seither zu Protesten. Szydlo betonte in Straßburg, sie wolle diese Diskussion auch mit der Opposition in Polen führen, um zu einer Lösung zu kommen.
Allerdings führte sie aus, dass die Justizreform und die Änderungen im Mediengesetz den Wünschen der polnischen Bevölkerung entsprechen würden. "Die Bürger haben sich entschieden, dass sie den Wandel wollen, den wir jetzt schaffen", erläuterte die polnische Regierungschefin.
Diskussion zurück nach Polen verlegen
Vor der Debatte im EU-Parlament hatte Szydlo noch versucht, die polnischen Europaabgeordneten hinter sich zu vereinen. "Das ist unsere gemeinsame polnische Angelegenheit", sagte sie. Unterstützung erhielt sie vom polnischen EU-Abgeordneten Robert Jaroslaw Iwaszkiewicz, der sich im Anschluss an Szydlos Rede ebenfalls dafür aussprach diese Debatte nicht auf EU-Ebene zu führen.
Der liberalkonservative polnische EU-Abgeordnete Adam Szejnfeld gab sich dagegen kämpferisch: "Wie werden die Wahrheit sagen über das, was die Regierungspartei, die Regierung und das Staatsoberhaupt in unserem Land tun". Viel Beifall im EU-Parlament erhielt außerdem der Fraktionsvorsitzende der Liberalen, Guy Verhofstadt. Er forderte Szydlo auf, die Proteste der polnischen Bürger gegen die Reformen zu berücksichtigen. Demokraten würden nie eine parlamentarische Mehrheit dazu nutzen, "um das System der Gewaltenteilung in einem Land zu zerlegen".
EU-Ratspräsident Tusk sieht eine traurige Debatte
Die EU-Kommission hatte in der vergangenen Woche zum ersten Mal in ihrer Geschichte ein Verfahren gegen ein EU-Land eingeleitet, um dessen Rechtsstaatlichkeit zu prüfen. Auch der EU-Ratspräsident und frühere polnischer Regierungschef Donald Tusk äußerte sich nach Szydlos Rede. "Zum ersten Mal sind wir Gegenstand einer ziemlich traurigen Debatte", sagte Tusk und forderte seine Landsleute in der Regierung auf, ihr Vorgehen zu überdenken, weil es "in Europa und der Welt in Frage gestellt wird und viele Emotionen hervorruft."
Nach einem Treffen zwischen dem EU-Ratspräsident und dem polnischen Staatspräsidenten Andrzej Duda in Brüssel hatten sich am Montag beide um versöhnliche Töne bemüht. "Polen hat weder Feinde auf EU-Ebene noch in Brüssel", sagte Tusk. Er forderte alle Beteiligten auf, "auf hysterisches Verhalten zu verzichten". Auch Duda warb dafür, "die Debatte zu beruhigen". Duda sagte: "Polen hat die vergangenen Jahre großen Nutzen aus seiner Mitgliedschaft in der EU gezogen. Niemals werden wir Europa den Rücken zukehren."