Antideutsche Stimmung in Italien Feindbild Deutschland?
Vom Vierten Reich unter Kaiserin Merkel ist die Rede, von "Heil Angela" und dazu ein Foto, auf dem die Kanzlerin die rechte Hand hebt: In Italien macht sich antideutsche Stimmung breit. Nach den Äußerungen von Ministerpräsident Monti ist das deutsch-italienische Verhältnis auf einem Tiefpunkt.
Von Tilmann Kleinjung, ARD-Hörfunkstudio Rom
"Tatsächlich befindet sich Italien nicht mehr in Europa sondern im Quarto Reich, im Vierten Reich, unter der Führung von Kaiserin Merkel", schreibt der Chefredakteur der Berlusconi-Zeitung "Il Giornale". Und sein Kollege von der ebenfalls Berlusconi-nahen Zeitung "Il Tempo" textet: "In Deutschland bleibt der Wunsch nach kontinentaler Hegemonie tief verwurzelt."
Alessandro di Lellis beobachtet für den römischen "Messaggero" die deutsch-italienischen Beziehungen und sagt: So vergiftet war das Klima schon lange nicht mehr. "Wenn in einer so angespannten Situation heftige Karikaturen erscheinen und vulgäre Schlagzeilen, dann ist das besorgniserregend. Das ist der Boden, auf dem populistische Kräfte wachsen, in Italien und in Deutschland."
"Wir verstehen die Deutschen einfach nicht"
Feindbild Deutschland? Noch scheint es nicht so weit. "Es gibt keine antideutsche Stimmung", sagt Giorgio aus Rom. Und seine Frau Graziella ergänzt: "Wir verstehen die Deutschen einfach nicht." Länder wie Deutschland müssten gnädiger sein mit Staaten wie Italien oder Spanien, die gerade große Probleme hätten und alles versuchten, da heraus zu kommen.
Um Gnade hat Ministerpräsident Mario Monti nicht gebeten im Interview mit dem "Spiegel". Er hat nur das gefordert, was er seit Wochen gebetsmühlenartig wiederholt - auch im Interview mit der ARD: eine gerechte Behandlung Italiens. "Italien zahlt doppelt: einmal mit seinem finanziellen Anteil, mit dem Griechenland, Portugal, Irland und jetzt auch Spanien unterstützt werden. Und dann bezahlt Italien extrem hohe Zinsen auf Staatsanleihen. Grund dafür ist die angespannte Lage auf den Finanzmärkten."
Antideutscher Chor
Monti traf mit seinen Interview-Äußerungen einen Nerv, bei deutschen Politikern und bei ihren italienischen Kollegen, zum Beispiel Renato Brunetta, Ex-Minister der Regierung Berlusconi. Der tönte: "Wir lassen uns von den Deutschen nicht einschüchtern. Von einem Europa unter deutscher Führung erwarten wir gar nichts." Auch Politiker der italienischen Sozialdemokraten und Linken stimmen in den antideutschen Chor mit ein, wenn auch etwas moderater.
Für Journalist Alessandro di Lellis ist das ein Alarmsignal: "Momentan gibt es leider diese antideutsche Stimmung. Deutschland wird - zu Recht oder zu Unrecht - als ein potentes Land gesehen, das stärker ist als die anderen europäischen Länder. Ein Land, das Europa seine Regeln auferlegt und das durch Entscheidungen, die an Egoismus grenzen, von Ländern, die in Schwierigkeiten stecken, auch von Italien - immer mehr verlangt, ohne dass man begreift, warum."
Die Deutschen sind egoistisch, und wir leiden - so sehen die meisten Italiener zur Zeit die deutsch-italienische Beziehungsgeschichte und applaudieren dem italienischen Ministerpräsidenten Monti, der gesagt hat: So würden "die Grundlagen des Projekts Europa zerstört".