Diplomatische Krise in Nahost Säbelrasseln alarmiert Europas Außenminister
Nur keine weitere Eskalation - die EU-Außenminister haben die Türkei und Israel aufgerufen, ihre diplomatische Krise nicht zu verschärfen. Keine Einigung fanden sie bei ihrem Treffen im polnischen Sopot in einer kritischen Frage: Dem Status, den ein Palästinenserstaat in der UNO haben soll.
Cai Rienäcker, SWR-Hörfunkstudio Brüssel, zurzeit Sopot
Außenminister Guido Westerwelle zeigte sich äußerst besorgt, was die jüngsten Spannungen zwischen der Türkei und Israel angeht. Beim Treffen im polnischen Sopot warnte er wesentlich deutlicher als seine Amtskollegen vor einer weiteren Zuspitzung des Konflikts um den Einsatz Israels gegen eine Gaza-Hilfsflotte im Mai vergangenen Jahres: "Die Bundesregierung sieht diese jüngsten Auseinandersetzungen zwischen der Türkei und Israel mit großer Sorge. Und wir rufen alle Beteiligten auf, hier keine neuen Verschärfungen ins Spiel zu bringen, sondern auf Entspannung und Gesprächsfähigkeit hinzuarbeiten."
Diese Warnung der Bundesregierung ging vor allem an die Adresse des türkischen Außenministers. Er war im polnischen Ostseebad Sopot dabei, weil am zweiten Tag der Beratungen der europäischen Außenminister auch die Beitrittskandidaten der EU teilnahmen. "Ich schätze die Arbeit des türkischen Außenministers Ahmet Davutoglu sehr. Aber ich habe auch zum Ausdruck gebracht, dass alles getan werden sollte, damit sich diese Situation zwischen der Türkei und Israel entspannt."
Untersuchungsbericht sorgt für Spannungen
Westerwelle betonte, es habe eine unabhängige und transparente Untersuchung der Vorfälle um das türkische Schiff gegeben. Diese Ergebnisse sollten ernst genommen werden, selbst wenn sie dem einen oder anderen in bestimmten Aspekten nicht gefielen.
Die Türkei hatte gestern den israelischen Botschafter ausgewiesen und alle Militärabkommen mit Israel auf Eis gelegt. Kurz zuvor war ein Untersuchungsbericht der Vereinten Nationen zur Erstürmung des türkischen Hilfsschiffes bekannt geworden. Bei der israelischen Kommandoaktion waren neun Türken getötet worden.
Die internationale Organisation "Free Gaza" will mit Hilfsgütern die palästinensische Bevölkerung des Gazastreifens unterstützen. Solidaritätsfahrten von Schiffen sollen auch öffentlichkeitswirksam auf die Blockade des Gebiets durch Israel hinweisen.
Mehrfach wurden Fahrten von "Solidaritätskonvois" mit Dutzenden bis Hunderten Aktivisten an Bord und prominenten Unterstützern organisiert. Im August 2008 erreichten laut "Free Gaza" zwei Schiffe mit Hilfsgütern im Wert von 200.000 Euro von Griechenland über Zypern Gaza. Im Oktober 2008 brachten 26 Aktivisten auf einem weiteren Schiff medizinische Hilfsgüter nach Gaza. Während des Gaza-Krieges endete eine Solidaritätsfahrt Ende Dezember 2008 kurz vor der Küste. Nach Angaben der Aktivisten wurde ihr Boot nach Schüssen vor den Bug von einem israelischen Kriegsschiff gerammt und zum Abdrehen gezwungen. Bei einem weiteren Versuch im Juni 2009 wurde ein Hilfsschiff vor Gaza abgefangen und in den israelischen Hafen Aschdod gezwungen. Zum tragischsten Ereignis kam es im Mai 2010, als israelische Soldaten die "Mavi Marmara" stürmten und neun türkische Bürger töteten.
Antrag auf UN-Vollmitgliedschaft Palästinas
Die Bundesregierung sieht die aktuellen Spannungen zwischen der Türkei und Israel auch deswegen mit Besorgnis, weil auch von einer anderen Seite her Ungemach im Nahost-Konflikt droht: Palästinenserpräsident Machmud Abbas hatte angekündigt, Ende September bei den Vereinten Nationen in New York eine Vollmitgliedschaft des Palästinenserstaates zu beantragen.
Im Kreis der EU-Außenminister steht Deutschland dabei auf der Bremse. Außenminister Westerwelle hob in Sopot mehrfach die besondere Verantwortung gegenüber Israel hervor: "Wir wollen Israel in sicheren Grenzen. Aber wir wollen ausdrücklich auch einen lebensfähigen, eigenen Staat für das palästinensische Volk. Aus unserer Sicht wird es den aber nur geben, wenn die Verhandlungen zum Erfolg führen und nicht durch Konfrontationen."
Frankreich macht Druck
Doch einige der EU-Regierungen sind da deutlich ungeduldiger als Deutschland. Hinter den Kulissen ist zu hören, dass vor allem der französische Außenminister Alain Juppé in Sopot Druck gemacht hat. In der Diskussion ist ein sogenannter Vatikan-Status für die Palästinenser. Das wäre mehr als ein Beobachterstatus, aber noch keine Vollmitgliedschaft.
Frankreich will zumindest begrifflich noch einen Schritt weiter gehen. Außenminister Juppé betonte in Sopot: "Man spricht über den Vatikan-Status. Wir bevorzugen es, über den alten Status der Schweiz zu sprechen. Vor ihrer Vollmitgliedschaft hatte sie auch diesen Status als Beobachter und Nicht-Vollmitglied."
Eine einheitliche Position zur Anerkennung eines Palästinenserstaates haben die europäischen Außenminister bei ihrem Treffen also nicht finden können. Die weiteren Verhandlungen versprechen äußerst heikel zu werden