Kampf um syrisch-kurdische Stadt Warum ist Kobane so wichtig?
Trotz internationaler Luftschläge und heftiger kurdischer Gegenwehr ist die IS-Terrormiliz in die Grenzstadt Kobane eingedrungen. Eine Übernahme wäre für das Anti-IS-Bündnis eine schwere Niederlage - auch psychologisch. Aber warum?
Warum ist Kobane für die Kurden so wichtig?
Die syrischen Kurden haben den Bürgerkrieg zum Aufbau eigener regionaler Machtstrukturen in den mehrheitlich von ihnen bewohnten Gebieten genutzt. Nachdem sich die Truppen des Assad-Regimes 2012 zurückgezogen hatten, übernahmen sie die Kontrolle und gründeten später im Norden drei "autonome Kantone". An der türkischen Grenze kontrollierten sie wichtige Enklaven: im Nordwesten um die Stadt Afrin, im Nordosten um die Städte Hasaka und Al Kamischli sowie im Norden um Kobane.
Eine Übernahme Kobanes durch die Terrormiliz IS wäre nicht nur der Verlust einer strategisch wichtigen Versorgungsroute, sondern auch psychologisch eine schwere Niederlage.
Welche kurdischen Kämpfer stellen sich den Dschihadisten entgegen?
Die etwa 5000 Milizionäre gehören vor allem den kurdischen Volksschutzeinheiten (YPG) an. Sie sind mit der syrisch-kurdischen Partei der Demokratischen Union (PYD) verbunden. Volksschutzeinheiten und PYD stehen der kurdischen Arbeiterpartei PKK nahe, die in der Türkei verboten ist. Im Kampf gegen den IS werden offenbar auch Selbstmordattentäter eingesetzt: Kurdische Aktivisten meldeten Anfang Oktober, dass eine Kämpferin mit einem Selbstmordanschlag Dutzende Extremisten getötet habe. Experten gehen davon aus, dass PKK-Kämpfer die syrischen Kurden unterstützen.
Die kurdischen Milizionäre in Syrien sind nicht zu verwechseln mit den kurdischen Peschmerga-Kämpfern, die im Irak gegen den IS im Einsatz sind.
Wie ist die Lage der Zivilisten?
Nach kurdischen Angaben ist die überwiegende Mehrheit der verbliebenen Zivilisten an die türkischen Grenze in Sicherheit gebracht worden. Kobane wurde von den Volksschutzeinheiten zur "Militärzone" erklärt. Laut türkischer Regierung flohen mehr als 185.000 Menschen in die Türkei.
Warum greift die Türkei nicht ein?
Die türkische Regierung hat den Kurden in Kobane Unterstützung zugesagt, zugleich aber klargemacht, dass sie damit in unmittelbarer Zukunft keinen Einsatz von Bodentruppen meint. Zwar hat das Parlament der Regierung ein Mandat für Militäreinsätze in Syrien und im Irak für ein Jahr erteilt. Allerdings verlangt Ankara für einen Einsatz von Bodentruppen eine umfassende internationale Strategie, die auch den Sturz des Assad-Regimes beinhaltet. Zugleich befürchtet Ankara, dass die Kurden an der türkischen Südgrenze die Keimzelle für einen eigenen Kurdenstaat legen könnten, sollte es ihnen gelingen, die Terrormiliz IS zurückzuschlagen.
Warum schaffen es die USA und ihre Partner nicht, den IS mit Luftangriffen lahmzulegen?
Die IS-Kämpfer passen sich schnell an die Luftschläge an. Sie verlassen Ziele, die von den USA ins Visier genommen werden und bringen Waffen und Geiseln an neue Orte. Zudem mischen sich die Kämpfer unter die Zivilbevölkerung und lassen auch viele ihrer schwarzen Flaggen wieder verschwinden.
Weil Angriffe auf die IS-Infrastruktur schwieriger werden, habe sich auch das Tempo der Luftschläge verlangsamt, sagt David Schenker vom Washington Institute for Near East Policy. Die US-Regierung hat mehrfach betont, dass der IS nicht allein aus der Luft besiegt werden kann. Dem unabhängigen US-Instituts CSBA zufolge kostete der Kampf bereits zwischen 780 und 930 Millionen Dollar (620 bis 740 Millionen Euro).
Quelle: dpa