Reportage aus dem Nahen Osten EU-Mission im Gazastreifen - nur ein Witz?
Die EU BAM ist die wohl skurrilste Polizeimission der EU. Fast 100 EU-Polizisten sollten eigentlich die Grenzstation zwischen Gaza und Ägypten überwachen. Doch die Europäer sind von den Konfliktparteien zum Nichtstun verdammt worden. Die Palästinenser bauen wieder Tunnel, die israelischen Politiker sagen: "It's a bad joke". So schlagen die Polizisten ihre Zeit am Strand tot.
Von Martin Durm, ARD-Hörfunkstudio Straßburg
Seit einer halben Stunde geht das schon so: Immer wieder feuert ein israelischer Grenzsoldat von einem Beobachtungsturm aus ins palästinensische Niemandsland hinein. Die Einschläge wirbeln keine hundert Meter entfernt kleine Staubwolken auf. Aber die alten Frauen, die seit Stunden am Grenzübergang sitzen, zucken nicht mal mehr zusammen. Sie sind das gewohnt.
Vermutlich haben auch die Polizisten der Europäischen Union davon Kenntnis genommen. Die Polizisten der sogenannten EU BAM verbringen die meiste Zeit damit, zu beobachten, was an den Grenzen zum Gazastreifen geschieht.
Jeder wird gebraucht - zum Schreiben und Nachdenken
"Wir sind aber nicht nur zum Monitoring, zum Beobachten da", sagt Colonel Alain Faugeras. "Wir machen auch confidence building - vertrauensbildende Maßnahmen. Wir tauschen uns aus. Das erfordert viel Nachdenken und das macht viel Schreibarbeit. Wir müssen ja auch bei der EU in Brüssel immer wieder Bericht erstatten. Das ist schon einiges, da brauchen wir jeden hier."
Das Problem ist nur, dass die eigentlich Mission ursprünglich eine ganz andere war. EU BAM wurde 2006 von der EU in den Nahen Osten entsandt, um im Gazastreifen an der Grenze zu Ägypten Zehntausenden Palästinensern einen legalen, geordneten Zollverkehr zu garantieren. Das hat aber nur 83 Tage lang bis Juni 2007 funktioniert - bis zu dem Tag, an dem die islamistische Hamas in Gaza die Macht übernahm. Seitdem ist die Grenze geschlossen und die EU-BAM-Polizei zum Nichtstun verdammt.
Monitoring - beim Beachvolleyball
"So könne man das nun auch nicht sehen", widerspricht Colonel Faugeras als Befehlshaber der EU-Mission, es gäbe da immer etwas zu organisieren. Monitoring eben ... oder umziehen. Vor wenigen Wochen wurde das EU-BAM-Hauptquartier an die Strandpromenade des israelischen Küstenortes Aschkelon umverlegt. Von ihrem neuen Standort aus können die EU-Polizisten beobachten, wie die einheimische Jugend Beachvolleyball spielt. Man habe sich das nicht ausgesucht, versichern die Vertreter der EU im Nahen Osten.
Nur ein gutes Gefühl für die EU ...
Man habe wirklich so lang wie möglich versucht, die Grenze zu überwachen: "Oh, natürlich haben sie es versucht. Aber sie waren doch nichts anderes als Witzfiguren in der Gegend", sagt der israelische Knesseth-Abgeordnete Arie Eldad. "EU BAM sollte die Grenze zu Ägypten kontrollieren. Aber während die EU-Polizisten da oben rumstanden, wurden unter ihren Füßen so um die 400 Tunnel von den Palästinensern gegraben und tonnenweise Waffen, Sprengstoff und Raketen nach Gaza reingebracht. Das war alles nur Zeitverschwendung. Es hat der Europäischen Union vielleicht das Gefühl gegeben, etwas Gutes zu tun. Aber eigentlich war es ein Witz."
.... aber keiner nimmt sie ernst im Nahen Osten
Man könne nicht unbedingt sagen, dass die israelische Seite EU BAM Respekt entgegen bringe, meint dazu Kommandeur Alain Faugeras. Die Beziehungen sollten schon etwas einfacher sein. Aber eigentlich weiß der Colonel, dass ihn keiner hier will: Nicht die Israelis, die die Grenze nach Gaza lieber allein kontrollieren. Nicht die Hamas, die gerade dabei ist, nach dem letzten Krieg ihre zerbombten Tunnel neu aufbauen. Und auch nicht die Ägypter, denen es lieber ist, die Grenze zu eineinhalb Millionen Not leidenden Palästinensern so lange wie nur möglich geschlossen zu halten.
Die EU BAM steht auf verlorenem Posten. Das Schicksal dieser Mission könnte bezeichnend sein für das generelle Engagement der Europäer im Nahen Osten: Sie wollen helfen. Sie haben in den vergangenen Jahren sogar dafür gesorgt, dass die palästinensische Autonomiebehörde unter dem gemäßigten Präsidenten Abbas finanziell überlebt hat. Dennoch wird Europa von den Hauptakteuren nicht als politisches Schwergewicht wahrgenommen. Seit 2001 hat die EU drei Milliarden Euro in die israelisch-palästinensische Krisenregion investiert. Mit dem Ergebnis, dass man von ihnen sagt: "Oh it's a joke!"