Guttenberg berät EU-Kommissarin "Ich suche nach Talent, nicht nach Heiligen"
Es funktioniert noch immer: Wenn Ex-Minister zu Guttenberg auftritt, steht er im Blitzlichtgewitter. So auch bei seinem ersten Auftritt in Europa seit seinem Rücktritt. In Brüssel wurde er als Berater von EU-Kommissarin Kroes präsentiert - für das Internet. Bissige Fragen ergaben sich auf der Pressekonferenz von selbst.
Karl-Theodor zu Guttenberg und das Internet - war da nicht etwas? Die einen werden sich an Guttenbergs - je nach Lesart - laxen oder plumpen Umgang mit dem Urheberrecht bei der Abfassung seiner Doktorarbeit erinnern, die anderen an das wohlwollend vom Boulevard begleitete Engagement seiner Ehefrau Stephanie für Internetsperren gegen kinderpornografische Inhalte.
Der Mann hat also zweifellos etwas zum Internet zu sagen, und offenbar noch viel mehr als das. Jedenfalls hat ihn EU-Kommissarin Neelie Kroes als Berater für das Internet verpflichtet. Guttenbergs erster Auftritt in seiner neuen Funktion und seit seinem Rücktritt als Verteidigungsminister in Europa geriet zum Spektakel. Das Interesse der zahlreichen Journalisten galt allerdings nur bedingt seiner Beratertätigkeit.
Die Rückkehr im Sinn?
Nachdem der CSU-Politiker sich gerade erst in Buchform zu seinem politischen Scheitern hatte befragen lassen, wollten die Korrespondenten vor allem eines von ihm wissen: Ist die Beratertätigkeit Teil eines sorgsam orchestrierten politischen Comebacks? Nein, betonte der Christsoziale mehrmals auf Englisch, das sei es eben nicht, schließlich trete er ja in Brüssel vor die Presse und nicht in Deutschland. Außerdem bleibe er in den USA und werde von dort aus arbeiten - unentgeltlich.
Die EU-Kommissarin will er in Fragen der Internetfreiheit in autoritären Regimes beraten - auch das provozierte Nachfragen, die anders gerieten als vielleicht erhofft. Ob der Ex-Minister unter dieser Freiheit "Copy and paste" für alle verstehe? Da war es wieder, das Kopier- und Schummel-Thema, das dem Franken seit der Aberkennung seines Doktortitels anhaftet wie ein Bundestrojaner.
Gewisse Erfahrungen vorhanden
Guttenberg parierte es mit einem Lächeln und räumte ein, sicher eine gewisse Erfahrung mit diesem Thema zu haben, aber es gehe ihm doch um mehr, um die Freiheit im Netz an sich und die Hilfe für Netzaktivisten. Hier sprang ihm Kommissarin Kroes zu Seite. Guttenberg kenne sie seit langem, schon im Sommer habe sie ihn um um seine Mitarbeit gebeten. Und mögliche Zweifel an seiner Eignung für die neue Tätigkeit wischte sie mit der Feststellung beiseite: "Ich suche nach Talent, nicht nach Heiligen."
Der weitgereiste Ex-Minister soll nun für Kroes Verbindungen mit EU-Mitgliedsländern, Nichtregierungsorganisationen und Staaten außerhalb der EU herstellen. Dazu muss Guttenberg aber auch die Netzaktivisten von seiner Expertise überzeugen, und das könnte dauern. Die Begeisterung hielt sich zunächst in überschaubaren Grenzen.
Bislang auf der falschen Seite?
So hielt ihm Malte Spitz von den Grünen vor, er habe immer auf Seiten derer gestanden, die Eingriffe in die Internetfreiheit unterstützt haben - sei es bei der Vorratsdatenspeicherung oder beim Aufbau einer "zentralen Sperrinfrastruktur". Auch ein Sprecher der Piratenpartei verwies auf das Engagement von Guttenbergs Ehefrau Stefanie im Fernsehsender RTL2 gegen Kinderpornografie im Internet. Und der Vorsitzende des deutschen Vereins Open Data Network, Stefan Gehrke, gab zu Protokoll, Guttenberg sei in der Vergangenheit nicht gerade als Netz- oder Menschenrechtspolitiker aktiv gewesen.
EU-Kommissarin Kroes verfolgte die Begegnung von Ex-Minister und Presse mit professioneller Gelassenheit. Guttenberg, gab sie sich überzeugt, werde die richtigen Gespräche führen, um der Internetfreiheit die notwendige Aufmerksamkeit zu verschaffen. Letzteres ist dem gestrauchelten Christsozialen mit seinem ersten Auftritt in Europa vorerst gelungen - auch wenn es dabei vor allem um seine Person ging.