Trump-Kim-Treffen Nichts zu verlieren
Zu hoch sollten die Erwartungen an das bevorstehende Treffen zwischen Trump und Kim Jong Un nicht sein. "Schon das Ausbleiben eines Eklats wäre ein Erfolg", meint Korea-Experte Mosler im tagesschau.de-Interview.
tagesschau.de: Was erwarten Sie sich von dem Gipfeltreffen?
Hannes B. Mosler: Zunächst mal geht es jetzt darum, das Treffen erfolgreich durchzuführen. Die Ergebnisse müssen gar nicht spektakulär sein. Den USA ist inzwischen klar geworden, dass das keine einmalige Angelegenheit sein wird, sondern dass es sich um den Beginn eines längeren Prozesses handeln wird. Es geht erstmal darum, Vertrauen zu bilden.
Hannes B. Mosler ist Juniorprofessor am Institut für Koreastudien der Freien Universität Berlin. Einer seiner Forschungsschwerpunkte sind politische und soziale Fragen des modernen Koreas.
tagesschau.de: Was genau wäre denn ein "erfolgreiches" Treffen? Schon das Ausbleiben eines Eklats?
Mosler: Auf jeden Fall. Man muss sich vor Augen halten, dass sich erstmals die Staatslenker Nordkoreas und der USA treffen. Und die Situation in der Region ist gerade sehr vielversprechend. Wir haben diesen 34-jährigen Kim Jong Un, der sein Leben noch vor sich hat und etwas erreichen will. Er ist im Vergleich zu seinen Vorgängern innovativ, regt Reformen an, auch wenn er natürlich Staatschef eines autoritären Regimes bleibt. Wir haben in Südkorea mit Moon Jae In einen sehr liberalen Präsidenten, der entscheidende Vorarbeit geleistet hat. Und Trump ist zwar ein Unsicherheitsfaktor, aber gleichzeitig auch die größte Chance, um diesen Konflikt beizulegen. Da ist es einfach wichtig, jetzt die richtigen Weichen zu stellen.
"Ergebnisse völlig offen"
tagesschau.de: Das heißt, inhaltlich erwarten Sie keine großen Ergebnisse?
Mosler: Es ist schwer abzuschätzen, worüber Trump und Kim Jong Un genau reden werden. Es gibt viele potenzielle Themen. Wahrscheinlich ist, dass sie über ein Beenden des Kriegszustands auf der koreanischen Halbinsel sprechen werden, zumindest zwischen Nordkorea und den USA. Sicherlich wird die Entnuklearisierung diskutiert und Sicherheitsgarantien für Nordkorea. Ein möglicher Friedensvertrag könnte zur Sprache kommen und natürlich die Frage der Sanktionen. Ob es in dem ein oder anderen Punkt schon konkrete Vereinbarungen geben wird, ist vollkommen offen.
Viel gewonnen wäre schon, wenn am Ende ein gemeinsamer Fahrplan stünde, wie man in Zukunft weiter vorgehen wird. Noch besser wäre natürlich eine Art symbolische Erklärung von Singapur zum Beilegen der Kriegshandlungen. Das wäre eine gute Basis für weitere Gespräche.
tagesschau.de: Was will Kim Jong Un von den USA? Welche Strategie verfolgt er?
Mosler: Nordkorea wollte schon immer ein solches Gespräch herbeiführen, das ist aber bisher an beiden Seiten gleichermaßen gescheitert. Sein Hauptmotiv ist sicher, überhaupt einmal in der Situation zu sein, auf Augenhöhe miteinander zu sprechen. Das wertet ihn ja bereits auf. Zum anderen hat sich Nordkorea in letzter Zeit wirtschaftlich entwickelt, es ist eine recht fordernde Mittelschicht entstanden und das kann selbst ein Diktator wie Kim Jong Un nicht ignorieren. Er will das für sich nutzen und sein Land zu einem normalen Mitglied der Weltgemeinschaft machen.
Und dafür ist es unabdingbar, diesen Kriegszustand in der Region aufzulösen. Nur über Frieden gelangt man zu Stabilität und Wirtschaftsentwicklung. Natürlich dürfte es ihm auch um das Abschaffen der Sanktionen gehen. Denn wenn man sich wirtschaftlich weiterentwickeln will, ist das sehr begrenzt, wenn man den internationalen Austausch nicht hat. Und nicht zuletzt spielt natürlich auch der Regimeerhalt eine zentrale Rolle.
"Kim Jong Un will etwas Historisches schaffen"
tagesschau.de: Das erhält er leichter, wenn er mit den USA gemeinsame Sache macht?
Mosler: Kim Jong Un weiß, dass er seine Atompolitik nicht unendlich so weitertreiben kann. Zum einen aus finanziellen Gründen, zum anderen ist es aber auch ein Sicherheitsrisiko, die USA haben ja auch schon mit einem Präventivschlag gedroht.
Wenn er also dieses Vabanque-Spiel so nicht ewig weiterbetreiben kann, muss er sich etwas anderes einfallen lassen, um sich innenpolitisch zu legitimieren. Da hilft ihm die Entwicklung seines Landes, aber auch hier etwas Historisches zu schaffen, was sein Vater und Großvater nicht geschafft haben.
tagesschau.de: Trump ließ verlauten, er werde in der ersten Minute des gemeinsamen Gesprächs entscheiden, ob es eine Vertrauensbasis gebe oder nicht. Ist für Kim Jong Un nicht die Gefahr des Gesichtsverlusts sehr groß?
Mosler: Ich glaube nicht. Es ist sehr hilfreich für ihn, jetzt so cool zu bleiben, trotz gewisser Provokationen. Was man von außen als peinlich oder als Schwäche ansehen könnte, deutet er für sich offenbar in Stärke um. Dieses Selbstbewusstsein nimmt er ganz klar aus der Verbindung und Rückendeckung mit China, Südkorea und auch Russland. All diese Staaten haben ja ein großes Interesse daran, an diesem jetzt anzustoßenden Prozess mitzureden. Kim Jong Un war jetzt schon zweimal in China. Und auch Putin hat ihm öffentlich Respekt gezollt. Er weiß, dass er nicht allein auf weiter Flur steht.
"Trump wird die Chance wohl nutzen"
tagesschau.de: Der genaue Ablauf des Treffens steht noch nicht fest, es ist nichtmal klar, ob es ein gemeinsames Abendessen geben wird, weil Trump sich das offen halten will. Wie wahrscheinlich ist es, dass Trump das Treffen vorzeitig abbricht?
Mosler: Gerade bei Trump weiß man zwar nie. Aber ich schätze trotzdem, dass er bei dieser enormen weltweiten Aufmerksamkeit nicht vollkommen allein und impulsiv agieren wird. Vielleicht wird er den ein oder anderen Schlenker machen, aber er ist sich sicher auch der Chance bewusst, die da drin steckt.
tagesschau.de: Wer von beiden hat mehr zu verlieren?
Mosler: Für Nordkorea steht viel mehr auf dem Spiel als für die USA. Allerdings sehe ich die Risiken nicht kurzfristig, sondern eher langfristig. Wenn Kim Jong Un jetzt weggeschickt werden würde wie ein Schuljunge, wird er das innenpolitisch für sich nutzen können. Die antiamerikanische Propaganda in Nordkorea hat eine lange Tradition, so dass er in diese Kerbe schlagen kann.
Das größere Risiko ist, sich wirklich langfristig auf eine Öffnung einzulassen. Darauf, irgendwann tatsächlich alle seine Atomwaffen abzugeben. Deswegen ist klar, dass er das nicht von heute auf morgen tun wird und das ein langer Prozess werden muss.
"Trump hat viel zu gewinnen"
tagesschau.de: Und Trump hat gar nichts zu verlieren?
Mosler: Trump hat vor allem viel zu gewinnen. Er steckt ja in allen anderen Belangen komplett im Sumpf. Das dürfte der Grund sein, warum er sich überhaupt zu diesem Treffen überreden ließ. Misserfolge in der Innenpolitik kann er vielleicht wettmachen, wenn er außenpolitische Erfolge vorzuweisen hat.
Aber auch außenpolitisch wäre es eine Chance, endlich mal wahr zu machen, was die USA sonst immer propagieren: Dass sie den Frieden in die Welt bringen. Das wird Trump genug motivieren, nicht ganz so ungebändigt aufzutreten. Die Chance dürfte viel zu attraktiv für ihn sein, als dass er sie nicht nutzen würde.
Das Interview führte Sandra Stalinski, tagesschau.de.