Feiern zum EU-Beitritt Kroatiens Von Euphorie ist wenig zu spüren
Kroatien gehört seit Mitternacht der Europäischen Union an. Regierungschef Milanovic betonte, sein Land werde eine Brücke zu anderen Balkanländern sein. Die Kroaten selbst sehen den Beitritt skeptisch.
Kroatien gehört seit Mitternacht der Europäischen Union an. Der kroatische Regierungschef Milanovic betonte, sein Land sei eine Brücke zu anderen Balkanländern, die versuchen die EU-Kriterien zu erfüllen. Die Kroaten selbst sehen den Beitritt skeptisch.
"Gratulation, Kroatien", rief EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso auf Englisch und Kroatisch unter dem Jubel des Publikums und sprach von einer "historischen Nacht". Kroatien habe hart gearbeitet und sei gut auf den Beitritt in die Europäische Union vorbereitet, so Barroso.
Der kroatische Regierungschef Zoran Milanovic betonte, er sehe sein Land als Brücke zu den Nachbarländern des westlichen Balkans. "Es liegt an uns, den Ländern in der Region die Hand zu reichen und ihnen zu helfen, die europäischen Kriterien möglichst schnell zu übernehmen. Mit diesen Ländern und Nationen sind wir untrennbar verbunden", so Milanovic.
Auch wenn Tausende Bürgerinnen und Bürger mit einem bunten Programm aus Klassik, kroatischer Folkore, Pop und Rockmusik bis nach Mitternacht feierten - von Beitrittseuphorie ist wenig zu spüren auf den Straßen von Zagreb: "Wir werden sehen, was kommt. Wir erwarten, dass es besser wird - jedenfalls hoffen wir es", meint eine Passantin. Sie hoffe vor allem auf Arbeit, sie sei jetzt arbeitslos: "Es ist nicht fair, dass manche alles haben und andere nichts. Ich hoffe, dass sie uns nicht übers Ohr hauen in der EU, denn wir haben genug gelitten. Wir hatten Krieg und andere schlimme Sachen, man sollte etwas mehr Verständnis für die Armen haben."
"Schlecht ist es, eine Katastrophe", sagt dieser Gegner des EU-Beitritts. "Die EU wird uns alles wegnehmen, und sie wird uns nichts geben", fügt er hinzu. "Für mich bedeutet es nichts Konkretes", meint eine andere Passantin fast gleichgültig, "vielleicht einfacher reisen, und dass wir uns nicht mehr wie Bürger der Dritten Welt fühlen."
Zweifel an Fortschritten
Zwar ist die Mehrheit in Kroatien Meinung, dass ihr Land ganz selbstverständlich zu Europa gehört und die EU-Mitgliedschaft der richtige Schritt ist, gleichzeitig herrscht angesichts der Wirtschaftskrise große Skepsis, ob der EU-Beitritt konkrete Fortschritte bringt.
Umgekehrt wird in den anderen EU-Ländern betont, dass Kroatien in den Punkten Korruptionsbekämpfung, Justiz- und Wirtschaftsreformen zwar Fortschritte gemacht, aber noch einen langen Weg vor sich hat.
Eine wenig dankbare Rolle bei den Beitrittsfeiern hatte der Vertreter der Bundesregierung, der Staatsminister im Auswärtigen Amt, Michael Link. Die Absage von Bundeskanzlerin Angela Merkel hat für Verstimmung gesorgt. Dass statt der Kanzlerin nicht einmal der deutsche Außenminister, sondern nur ein Vertreter aus der dritten Reihe kam, wurde in Zagreb als deutliche Kritik gewertet, entweder an Kroatiens Beitrittsreife insgesamt oder an der Weigerung, den früheren Geheimdienstchef Josip Perkovic an Deutschland auszuliefern.
Beides stimme nicht, Merkel habe nur Terminprobleme, sagte Staatsminister Link im ARD-Interview: "Wir freuen uns auf Kroatien als Mitglied Nummer 28. Und das ist keine Rhetorik, sondern Kroatien hatte wahrscheinlich den schwersten Vorbereitungsprozess von allen Mitgliedern - von allen neuen Mitgliedern - und deshalb freuen wir uns, dass Kroatien jetzt dabei ist."