Rotes Kreuz und WWF Opfer von Mossack Fonseca? Den guten Namen anderer missbraucht
Hilfsorganisationen wie das Rote Kreuz kämpfen für die gute Sache und sind auf ihren tadellosen Ruf angewiesen. Den hat die Anwaltskanzlei Mossack Fonseca offenbar systematisch missbraucht, um Vorteile für Kunden zu erschleichen.
Als Anwalt reicher, auf Diskretion bedachter Kunden steht man vor einem Dilemma. Auf der einen Seite möchte man es den Banken und Geschäftspartnern recht machen, sie fordern eine gewisse Transparenz ein. Auf der anderen Seite wird man dafür bezahlt, diese Transparenz mit allen Mitteln zu verhindern. Vor diesem Problem standen auch die Anwälte der Kanzlei Mossack Fonseca immer wieder.
Eine gemeinsame Recherche von NDR, WDR, "Süddeutscher Zeitung" und schweizerischer "Sonntagszeitung" dokumentiert mit Hilfe der "PanamaPapers", wie sie sich mit einem Schwindel Abhilfe verschafften. Dabei tauchen Hilfsorganisationen wie das Internationale Rote Kreuz, der World Wildlife Fund (WWF) und UNICEF auf - offenbar ohne deren Wissen und Zustimmung.
Zwei Stiftungen zum Schein
Um die wahren wirtschaftlichen Profiteure von Briefkastenfirmen nicht offenbaren zu müssen, gründete Mossack Fonseca mindestens zwei eigene Stiftungen, die "Faith Foundation" und die "Brotherhood Foundation". Diese beiden Stiftungen trug die Kanzlei als Besitzer von mehreren hundert Briefkastengesellschaften ein - nur zum Schein allerdings, tatsächlich verfügten Mossack-Fonseca-Kunden über die Firmen. Als Begünstigte der "Brotherhood Foundation" und der "Faith Foundation" setzte Mossack Fonseca das Internationale Rote Kreuz ein.
Die Organisation weiß davon nichts, Spenden fließen den Unterlagen zufolge offenbar auch keine. Der einzige Zweck dieser Konstruktion scheint zu sein, vom guten Namen des Roten Kreuzes zu profitieren. In E-Mails erklären Mitarbeiter von Mossack Fonseca ihre Idee: Wenn ein Kunde für seine Briefkastenfirma ein Konto braucht, setze man eine der beiden Stiftungen formal als Gesellschafter ein. Wenn die Bank nun nach dem wirtschaftlich Berechtigten fragt, kann Mossack Fonseca die Stiftung nennen und erklären, dass die wiederum das Internationale Rote Kreuz als Begünstigte eingesetzt hat.
Konstruktion, um Banken zu täuschen
"Heutzutage müssen Banken und Handelsgesellschaften Informationen einholen über den letztlich Begünstigten", schreibt eine Mitarbeiterin in einer internen E-Mail von 2009 - und spielt damit auf verschärfte Gesetze an. "Aus diesem Grund haben wir die Struktur erfunden, das heißt, das Internationale Rote Kreuz einzusetzen. So ist es nicht so kompliziert." Um der Bank vorzugaukeln, dass die Hilfsorganisation am Ende der Inhaberkette für Briefkastenfirmen steht, bereiteten die Anwälte laut den vorliegenden E-Mails sogar ein eigenes Dokument vor, das "in solchen Fällen normalerweise verwendet" wird.
Diese Konstruktion ist möglich, weil Mossack Fonseca ein Schlupfloch im Gesellschaftsrecht Panamas nutzt. Das sieht vor, dass Begünstigte von Stiftungen ohne deren Wissen eingesetzt werden können. Sie sind, so argumentiert zumindest Mossack Fonseca, demnach formaljuristisch keine Besitzer der Stiftungen und haben im Streitfall auch keine Ansprüche geltend zu machen. So argumentiert die Kanzlei offenbar gegenüber Kunden, die sich sorgen, ihr Geld mit der Konstruktion an das Rote Kreuz zu verlieren.
Außerdem gibt es neben den Begünstigten in jeder Stiftung einen sogenannten "Protektor", vergleichbar mit einem Stiftungsrat. Diese Person kann frei entscheiden, wer wirklich Gelder aus dem Vermögen ausgezahlt bekommt und unter welchen Bedingungen - ganz unabhängig davon, wer bei Gründung als Begünstigter eingetragen worden ist. Die Konstruktion ist daher mutmaßlich in Panama nicht illegal. Das weiß wohl auch Mossack Fonseca. In einer internen E-Mail heißt es: "Bitte beachte (…) das Rote Kreuz ist sich dieser Vereinbarung nicht bewusst."
500 Firmen profitieren von Mossack Fonsecas Praxis
Rund 500 Firmen hat Mossack Fonseca mit Hilfe der "Faith Foundation" und der "Brootherhood Foundation" geholfen, den wahren Besitzer von Briefkastenfirmen zu verschleiern. In den "PanamaPapers“ finden sich Hinweise auf weitere Hilfsorganisationen, die in ähnlichen Konstruktionen eingesetzt wurden. "Wenn unsere Kunden die Anonymität (…) bewahren wollen, dann setzen wir den World Wildlife Fund als Begünstigten ein", heißt es in einer E-Mail.
Der World Wildlife Fund (WWF) ist eine der weltweit größten Naturschutzorganisationen. Die "PanamaPapers" zeigen, dass in mindestens einem Fall sogar Urkunden "im Namen von World Wildlife Fund" von Dritten unterzeichnet wurden, die mit dem WWF in keiner Verbindung stehen. Auch UNICEF taucht an mindestens einer Stelle auf. Die Unterlagen legen nahe, dass die Hilfsorganisationen durch Mossack Fonseca auch in mutmaßlich illegale oder moralisch fragwürdige Geschäfte verwickelt wurden.
So taucht die "Faith Foundation" und damit das Internationale Rote Kreuz als Begünstigte von Firmen im Zusammenhang mit einem Geschäftsmann aus Argentinien auf, der verdächtigt wird, den ehemaligen Präsidenten Nestor Kirchner und Cristina Fernandez Kirchner geholfen zu haben, Staatsgelder zu veruntreuen. Beide streiten die Vorwürfe öffentlich ab.
Unwissentlich in Londoner Immobiliendeal verwickelt
In einem anderen Fall stand das Rote Kreuz unwissentlich am Ende der Begünstigtenkette bei einem Immobiliengeschäft in London. Der amtierende Präsident der Arabischen Emirate, Khalifa bin Zayed bin Sultan Al Nahyan, hatte 2005 Häuser in der britischen Hauptstadt über eine Briefkastenfirma erworben, in der die "Faith Foundation" als Scheingesellschafter diente. In diesem Zusammenhang wurde auch ein Bankdarlehen in Höhe von fast 300 Millionen Pfund an eine Briefkastenfirma vergeben.
Ein Anwalt von Al-Nahyan sagte, er könne keine Stellungnahme abgeben. Auch in einem Streit um einen dreistelligen Millionenbetrag zwischen russischen Immobilieninvestoren ist das Internationale Rote Kreuz offenbar von Mossack Fonseca unwissentlich verwickelt worden.
Die Hilfsorganisationen sind auf ihre Integrität angewiesen, Vertrauen ist in vielen Fällen die Basis ihrer Arbeit. Von der Schweizer "Sonntagszeitung" auf die Vorgänge angesprochen, sagt Peter Maurer, Präsident des Internationalen Komitees des Roten Kreuzes (IKRK): "Der Name des IKRK braucht ganz besonderen Schutz, wir arbeiten in Kriegsgebieten mitten im Konflikt zwischen Kriegsparteien. Unsere Mitarbeiter sind dort einigermaßen sicher, weil unser Name und unser Emblem respektiert werden."
"Nicht auszudenken, in was wir hineingezogen werden könnten"
Diese Sicherheit stehe auf dem Spiel, wenn der Name seiner Organisation missbraucht werde, sagte Maurer weiter. "Stellen Sie sich vor, wir würden in Verbindung gebracht werden mit einer Firma, die beispielsweise einer Kriegspartei zuzurechnen wäre. Nicht auszudenken, in was wir hineingezogen werden könnten."
Möglicherweise verstieß Mossack Fonseca mit dem Namensmissbrauch sogar gegen die Genfer Konvention. Diese völkerrechtliche Vereinbarung schützt Name und Symbole von humanitären Organisationen wie dem Roten Kreuz ausdrücklich und verbietet die Nachahmung. Auch Panama, Hauptsitz von Mossack Fonseca, hat die Genfer Konvention unterschrieben. Auch Maria Boulous, Leiterin des WWF, zeigte sich im Gespräch mit der "Sonntagszeitung" schockiert über das Geschäftsgebaren von Mossack Fonseca und kündigte rechtliche Schritte an. Mossack Fonseca beantwortete keine Fragen in diesem Zusammenhang.