Hohe Verschuldung der Region "Sizilien könnte das Griechenland Italiens werden"
Geht Sizilien bankrott? Sicher ist: Das Armenhaus Italiens hat zu lange über seine Verhältnisse gelebt. Die Behördenapparate wurden massiv aufgebläht, Abgeordnete kassieren astronomische Gehälter. Der Regionalpräsident muss wegen der massiven Verschuldung gehen.
Von Tilmann Kleinjung, ARD-Hörfunkstudio Rom
Das Städtchen Sortino in der Provinz Syrakus hat 10.000 Einwohner und nicht besonders viel Wald. Und dennoch sind hier bei der Forstverwaltung 437 Menschen beschäftigt - mehr als in der gesamten Region Piemont.
Der Grund für diese Überversorgung, sagt ein Forst-Mitarbeiter im Fernsehsender RAI, ist einfach: es geht um Wählerstimmen. "Das ist natürlich Absicht", meint er. "Denn du hast so eine bestimmte Anzahl von Stimmen, die du nach deinem Gutdünken nutzen kannst." Bei den "Forestali" gebe es inzwischen nur noch Inspektoren und Kommissare - das heißt: Es gebe keine einfachen Waldarbeiter mehr.
Auch das ist eine sizilianische Krankheit: Es gibt viel zu viele leitende Angestellte. Und insgesamt gibt es zehn Mal mehr Beschäftigte im öffentlichen Dienst als in der größeren Region Lombardei. Mangels Wirtschaftskraft und Arbeitsplätzen wurden die Behörden über Jahrzehnte derart aufgebläht, dass die Region heute allein schon an den Pensionslasten zu ersticken droht.
Regionalpräsident muss trotz Reformen gehen
Der "Finanzminister" der autonomen Region Sizilien, Gaetano Armao, sagt im Gespräch mit dem ARD Studio Rom: Ja, wir haben übertrieben. "Es stimmt", räumt er ein, "Sizilien hat in der Vergangenheit seine Autonomie auch als Autonomie des Geldausgebens verstanden, also die Möglichkeit, öffentliche Gelder für die politische Karriere zu benutzen." Das passiere jetzt nicht mehr. Man habe einige einschneidende Reformen auf den Weg gebracht - und werde so weitermachen.
Das stimmt so nicht ganz: Diese Regierung wird nicht weitermachen. Regionalpräsident Raffaele Lombardo musste Ministerpräsident Mario Monti in die Hand versprechen, dass er wegen des hohen Schuldenstandes zum Ende des Monats zurücktritt und das Regionalparlament auflöst.
Bald das Griechenland Italiens?
"Sizilien könnte das Griechenland Italiens werden", warnte auch der sizilianische Industrielle Ivan Lo Bello: "Die finanziellen Schwierigkeiten können das ganze Land treffen, und das in einer Phase der Rezession. Da können wir uns nichts erlauben. Wenn also die Region keine Klarheit schafft gegenüber Dritten über die tatsächliche Haushaltssituation, muss die Regierung eingreifen."
Lo Bello und sogar Monti warnten in der vergangenen Woche, dass Sizilien ähnlich wie den Regionen Spaniens die Zahlungsunfähigkeit drohe. Die Folge wäre die Zwangsverwaltung der Insel durch Rom.
"Nicht zahlungsunfähig"
"Sizilien ist nicht zahlungsunfähig", widerspricht "Finanzminister" Armao solchen Befürchtungen und fühlt sich von den Ratingagenturen und dem italienischen Rechnungshof darin bestätigt. Außerdem habe die sizilianische Regierung unmittelbar vor ihrem Rücktritt ein Sparprogramm auf den Weg gebracht: "Wir haben schon einen Antrag im Parlament eingebracht, um die Stellen für leitende Funktionäre um 25 Prozent zu kürzen und bei den Angestellten um 20 Prozent. Diese Maßnahme wurde von der italienischen Regierung sehr begrüßt und wir werden sie mit Entschiedenheit umsetzen."
Nur an einem Punkt wird wohl kaum gekürzt werden. Die sizilianischen Politiker sind in einem Land mit ohnehin schon astronomisch hohen Politikergehältern die Bestverdiener. 17.000 Euro bekommt ein Abgeordneter im Regionalparlament - Minimum. Zum Vergleich: Ein Landtagsabgeordneter aus Nordrhein-Westfalen verdient 8000 Euro weniger.