Überschwemmungen in Dubai
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Wettermanipulation "Cloud Seeding" spielte in Dubai keine Rolle

Stand: 18.04.2024 16:50 Uhr

Menschliche Wettermanipulation soll die Unwetter in Dubai ausgelöst haben, heißt es im Netz. Ausgerechnet die Aussagen eines Meteorologen haben den Gerüchten Nahrung gegeben. Inzwischen dementiert er - so wie viele andere Experten.

"Sturmflut in Dubai nach künstlicher Wetterbeeinflussung": In den sozialen Netzwerken und auf verschwörungsideologischen Seiten war die Ursache für das verheerende Unwetter in Dubai und Umgebung schnell ausgemacht - sogenanntes Cloud Seeding (auf deutsch: Wolken säen).

Dieses Programm der Regierung Dubais sei "völlig außer Kontrolle geraten", heißt es auf der Plattform X. Denn die "Wettermanipulation" habe die starken Regenfälle verursacht, die Teile Dubais regelrecht überfluteten.

Einige User gingen sogar noch weiter und schrieben von einem "Wetterangriff" auf Dubai, "vermutlich im Zusammenhang mit ihren Beziehungen zum Iran". Andere nutzten das Ereignis, um die Folgen des Klimawandels zu verharmlosen, indem sie behaupteten, dass das sogenannte Geoengineering der wahre Grund für Unwetterereignisse auf der Welt sei. Doch wie kommt es überhaupt, dass ausgerechnet dieser Starkregen für so viel Spekulationen sorgte?

Schwere Gewitter über Dubai

In Dubai gab es schwere Gewitter, die Überschwemmungen auslösten.

Meteorologe streut Gerücht

Bei dem Starkregen an der Küste des Persischen Golfes der arabischen Halbinsel handelte es sich um die heftigsten Niederschläge seit Beginn der Wetteraufzeichnungen: In den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) - zu denen auch das Emirat Dubai gehört - fielen innerhalb von 24 Stunden so viel Niederschlag wie sonst durchschnittlich in einem ganzen Jahr.

Kurz nach dem Unwetter machte die Aussage eines Meteorologen die Runde, dass der Starkregen zumindest teilweise durch bewusste Wettermanipulationen ausgelöst worden sei. Demnach soll Cloud Seeding für den heftigen Regen verantwortlich gewesen sein.

Ahmed Habib vom Nationalen Zentrum für Meteorologie in Abu Dhabi hatte gegenüber der Nachrichtenseite Bloomberg behauptet, dass vor den schweren Unwettern innerhalb zweier Tage mehrere Flugzeuge zu sieben der Cloud-Seeding-Missionen ausgeflogen seien. Viele weitere Medien und Nutzer in den sozialen Netzwerken griffen diese Aussage auf und verbreiteten sie weiter.

Eigene Aussage dementiert

Wenig später nahm Habib seine Aussagen in einem Interview mit den "Gulf News" jedoch zurück: In der Zeit, in der die instabile Wetterlage im Land anhielt, sei kein einziger Cloud-Seeding-Flug durchgeführt worden. Alles andere sei von einigen Medien und Social-Media-Konten verbreitete Fehlinformationen.

Für die Unwetter seien vielmehr sehr starke tiefe Tiefdruckgebiete aus dem Südwesten und dem Oman sowie in der oberen Atmosphärenschicht über den Vereinigten Arabischen Emiraten verantwortlich, so der Meteorologe. Zudem habe sich auch feuchte Luft vom Arabischen Meer in Richtung der Vereinigten Arabischen Emirate und des Oman bewegt.

Cloud Seeding funktioniert - ein bisschen

Das tat den Gerüchten jedoch keinen Abbruch, was wenig verwunderlich ist. Die Behauptung, dass gezielte Wettermanipulationen Katastrophen auslösen, gehört zu den ältesten und am weitesten verbreiteten Verschwörungsmythen. Tatsächlich wird Cloud Seeding, wie in anderen Ländern auch, in den Vereinigten Arabischen Emiraten angewandt, um Niederschläge zu erzeugen.

Hierfür werden mit Flugzeugen oder Bodenkanonen Partikel in die Wolken geschossen. Sie ziehen Feuchtigkeit an, die dann als Schnee oder Regen zu Boden fällt. Diese "Impfung" der Wolken kann jedoch nur funktionieren, wenn es Wolken gibt. Dann geben diese mehr Niederschlag ab als auf natürlichem Weg .

Andreas H. Fink

Der Meteorologe Fink schließt Cloud Seeding als Ursache für die Unwetter aus.

Wetterphänomen, keine Manipulation

"Eine Wolkenimpfung kann in diesem Fall keine Rolle spielen", sagt Andreas H. Fink, Professor für Meteorologie am Institut für Meteorologie und Klimaforschung des Karlsruher Instituts für Technologie. Vielmehr wäre eine außergewöhnliche Wetterlage für die starken Niederschläge verantwortlich, erklärt der Meteorologe dem ARD-faktenfinder.

Hauptgrund sei eine ungewöhnliche Wetterlage, durch die in der Region bereits in den vergangenen Wochen und Monaten vermehrt hohe Niederschläge gehäuft auftraten. Dabei schichtet sich von Norden nach Süden blickend ein Hochdruck- über ein Tiefdruckgebiet, die beide weitgehend stationär blieben.

Das Tiefdruckgebiet lag dabei in der Region des Mittleren Ostens und führte feuchte Luft heran. Gleichzeitig sind die Quellregionen der Feuchte, die Arabische See und der Arabische Golf, ein bis zwei Grad wärmer als üblich zu dieser Jahreszeit, sodass es mehr Feuchtigkeit in der Luft gab.

Mehrere Faktoren zusammengetroffen

Dieses Zusammentreffen der beobachteten Wetterphänomene sei ungewöhnlich, aber nicht unbekannt, erklärt Fink. Er kennt sie von seinen Forschungen in Afrika, wo zum Beispiel im Atlas-Gebirge solche Kombinationen Extremniederschläge auslösten. "Die Erwärmung der Meere ist ein möglicher Effekt des Klimawandels, der zu den Unwettern beigetragen hat - letztlich bleibt es aber eines: Wetter."

Jeder Versuch des Cloud Seedings würde in diesem Fall durch die massiven Kräfte der Atmosphäre gleichsam überrollt und nicht mehr spürbar, so Fink zum ARD-faktenfinder. Eine solche Maßnahme würde zudem zwar den Ort, nicht jedoch die Menge des Niederschlags manipulieren und wären nur lokal wirksam. Die Unwetter im arabischen Raum hätten sich aber über eine sehr große Region vom Oman über die Vereinigten Arabischen Emirate bis nach Iran, Pakistan und Afghanistan erstreckt.

Emirate setzen weniger effiziente Methode ein

Tatsächlich führen die Vereinigten Arabischen Emirate Experimente mit Wettermanipulation durch. "Ich halte es nicht für möglich, dass ein Unwetter dieses Ausmaßes allein durch Cloud Seeding verursacht wurde", erklärt aber auch Jan Henneberger von der Gruppe Experimentelle Wolkenphysik am Institut für Atmosphären- und Klimawissenschaft der ETH Zürich gegenüber dem ARD-faktenfinder.

"Meines Wissens werden dafür Salze in warmen flüssigen Wolken mittels Flugzeugen ausgebracht", so Henneberger. Diese Methode sei jedoch weniger effizient als das Anwenden eisbildender Aerosole in unterkühlten flüssigen Wolken, wie es beispielsweise in den Rocky Mountains in den Vereinigten Staaten eingesetzt werde.

Der Meteorologe Ryan Maue, ehemaliger leitender Wissenschaftler bei der US-amerikanischen National Oceanic and Atmospheric Administration, ist sich ebenfalls sicher, dass Cloud Seeding nicht für die Unwetter verantwortlich ist. Die Technik sei nicht in der Lage, so viel Regen wie in Dubai zu erzeugen, sagte er der Agentur AP.

Immer wieder werden Unwetterereignisse fälschlicherweise mit Wettermanipulationen in Verbindung gebracht, wie zum Beispiel auch nach dem verheerenden Erdbeben in der Türkei und Syrien im Februar 2023.