Empörung nach Vorfall in Berlin Attackiert - weil sie Kippa tragen?
Zwei Männer werden in Berlin angegriffen - offenbar nur, weil sie Kippa tragen. Die jüdische Kopfbedeckung trugen sie als Test, sagt einer der Männer später. Quer durch alle Parteien löste der Angriff Empörung aus. Nach den Tätern wird gefahndet. Sie sprachen Arabisch.
Eine erneute, offenbar antisemitische Attacke in Berlin hat Entsetzen und Empörung ausgelöst. Bundeskanzlerin Angela Merkel sprach von einem "ganz schrecklichen Vorfall". Der Kampf gegen solche antisemitischen Ausschreitungen müsse gewonnen werden. Die Bundesregierung werde alles dafür tun. Es müsse "mit aller Härte und Entschlossenheit" vorgegangen werden.
Handy-Video zeigt Schläge mit Gürtel
Drei Unbekannte hatten nach dem bisherigen Stand der Ermittlungen am Dienstag zwei Kippa tragende junge Männer an einer Kreuzung der Lychener Straße im Stadtteil Prenzlauer Berg beleidigt und attackiert. Die Kippa ist die traditionelle Kopfbedeckung von Männern jüdischen Glaubens. Laut Polizei wurde eines der Opfer durch Schläge mit einem Gürtel verletzt. Eine couragierte Zeugin sei dazwischen gegangen und habe weitere Schläge des Täters verhindert, so ein Polizeisprecher.
Von der Attacke gibt es ein Handyvideo eines der Opfer, das der Mann auf Facebook stellte. Darin ist unter anderem zu sehen, wie einer der mutmaßlichen Täter mit einem Gürtel auf den Filmenden einschlägt und ihn wiederholt als "Yahudi" (arabisch für "Jude") bezeichnet. Der Polizeiliche Staatsschutz ermittelt und fahndet nach den bislang unbekannten Tätern.
Kippa als Test getragen
Bei den Opfern handelt es sich um einen 21-jährigen Israeli und seinen 24-jährigen deutschen Begleiter. Dem rbb und anderen Medien sagte der Israeli heute in Interviews, dass er selbst kein Jude sondern arabischer Israeli sei und die Kippa erst vor einigen Tagen als ein Geschenk eines Freundes aus Israel bekommen habe. Nach eigener Aussage habe mit dem Tragen der Kippa nur testen wollen, ob es wirklich so gefährlich ist, in Berlin eine Kippa zu tragen - wie es sein Freund aus Israel behauptet hatte.
"Antisemitismus in Teilen der arabischen Community"
Das American Jewish Committee (AJC) erklärte, der Vorfall reihe sich in eine lange Liste von Übergriffen ein, die nicht selten einen muslimischen Täter-Hintergrund hätten. "Wir dürfen die Augen vor dem immer häufiger auftretenden Antisemitismus in Teilen der arabischen und muslimischen Community nicht verschließen", sagte AJC-Direktorin Deidre Berger.
Der Präsident des Zentralrates der Juden, Josef Schuster, forderte ein klares und eindeutiges Zeichen der Justiz, dass es sich bei dem Vorfall nicht einfach nur um Körperverletzung handele. Sollte der Täter gefasst werden, sollte auch dessen Hintergrund ausgeleuchtet werden, um herauszufinden, warum es zu dieser antisemitischen Handlung gekommen sei. "Kein Mensch wird als Antisemit geboren", sagte Schuster.
Der Sprecher des Jüdischen Forums für Demokratie und gegen Antisemitismus (JFDA), Levi Salomon, erklärte, jüdische und nicht-jüdische Menschen sollten gerade jetzt die Kippa tragen. "Wir müssen diesen Kampf aufnehmen und in der Öffentlichkeit wieder sichtbar werden", sagte er. "Wir dürfen den öffentlichen Raum weder islamistischen noch rechtsextremen Antisemiten überlassen."
Deutliche Zunahme antisemitischer Vorfälle
Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Annette Widmann-Mauz, sagte, der Angriff zeige aufs Neue, wie wichtig es sei, Antisemitismus auf allen Ebenen entschieden entgegenzutreten und die Projekte und die Arbeit gegen Antisemitismus weiter zu stärken.
Bundesaußenminister Heiko Maas sagte den Zeitungen der Funke Mediengruppe: "Wenn junge Männer bei uns attackiert werden, nur weil sie eine Kippa tragen, ist das unerträglich." Juden dürften sich in Deutschland nie wieder bedroht fühlen. Grünen-Bundeschef Robert Habeck warnte vor wachsendem Antisemitismus. Die Entwicklung sei "besorgniserregend". Vertreter von Linkspartei und AfD äußerten sich ebenfalls empört.
Nach Angaben der Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus Berlin wurden im vergangenen Jahr in der Hauptstadt 947 antisemitische Vorfälle erfasst, 60 Prozent mehr als im Vorjahr. Es handele sich um die höchste Zahl seit Beginn der Erfassung 2015.