Asylstreit zwischen CDU und CSU Eine Lösung in letzter Minute?
Im Asylstreit könnte heute eine Entscheidung fallen. Innenminister Seehofer will vom CSU-Vorstand Rückendeckung für seinen "Masterplan", zudem tagt der CDU-Vorstand. Eine gesichtswahrende Lösung ist nicht ausgeschlossen.
Kriegt die Union noch einmal die Kurve? Abermals droht das Bündnis am Asylstreit zu scheitern - nicht einmal zweieinhalb Jahre nach dem ersten großen Knall zwischen CDU-Chefin Angela Merkel und CSU-Chef Horst Seehofer.
Seit dem Morgen beraten die Vorstände von kleiner und großer Schwester getrennt voneinander in Berlin und München, ob es eine gemeinsame Lösung geben könnte. Gesteht die CSU der Kanzlerin doch noch die 14 Tage zu, um die sie gebeten hat - oder bringt Seehofer mit Unterstützung seiner Partei die Zurückweisungen von Asylbewerbern direkt an der Grenze heute schon auf den Weg?
"Masterplan" schrittweise umsetzen?
Eine Lösung scheint momentan tatsächlich möglich: Nach Informationen von ARD-Korrespondent Julian von Löwis könnte die CSU beschließen, den "Masterplan" von Seehofer schrittweise umzusetzen. Als erstes könnte sich die Partei darauf einigen, nur diejenigen Ausländer an der Grenze abzuweisen, die mit einem Einreiseverbot belegt sind - Straftäter zum Beispiel. Allerdings hat die Bundespolizei schon heute das Recht, diese Personen an der Grenze zurückzuweisen.
Für alle anderen Geflüchteten, die bereits in einem anderen EU-Land registriert wurden, könnten Vorbereitungen für deren Abweisung getroffen werden, die jedoch erst wirksam würden, wenn keine europäischen Vereinbarungen zustande kämen.
Mit diesem schrittweisen Vorgehen hätte Merkel Zeit, bis zum EU-Gipfel in zwei Wochen an einer europäischen Lösung zu arbeiten beziehungsweise bilateral Lösungen zu finden - etwa mit Italiens neuem Regierungschef Giuseppe Conte, den sie am Abend in Berlin erwartet.
Zwar wurde von der CSU dementiert, dass ein solcher Kompromiss schon abgestimmt sei - vom Tisch aber scheint diese Variante nicht. CSU-Generalsekretär Markus Blume äußerte sich kurz vor dem Vorstandstreffen nicht dazu, betonte aber, er sei sich ganz sicher, dass Seehofer die "volle Rückendeckung" für seinen "Masterplan Migration" bekommen werde.
Versöhnliche Töne vom CSU-Chef
Hoffnung macht der CDU, dass Seehofer in den letzten Stunden vor der CSU-Vorstandssitzung öffentlich eher versöhnlichere Töne anschlägt. In einem Gastbeitrag für die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" äußerte er sich optimistisch zu den Einigungschancen im Asylstreit. Die Lage sei "ernst, aber bewältigbar", schreibt Seehofer. Es sei von entscheidender Bedeutung, so Seehofer, dass es beim EU-Gipfel endlich zu Beschlüssen kommt, die Deutschlands Lasten in der Migrationspolitik anerkennen und einen wirksamen Schutz der EU-Außengrenze, eine faire Verteilung der Flüchtlinge sowie schnelle Rückführung gewährleisten.
Weniger Geld - mehr Sachleistungen
Selbst wenn der Streit heute erst einmal entschärft werden sollte, drohen weitere Koalitions-Konflikte angesichts der neuen Details, die aus Seehofers noch immer nicht veröffentlichten "Masterplan" bekannt geworden sind. Nach Informationen der "Augsburger Allgemeinen" geht es dem Minister nicht nur um die Abweisung von Geflüchteten an der Grenze, sondern auch um Änderungen bei deren Unterstützung.
Demnach will Seehofer Zahlungen an Flüchtlinge künftig massiv einschränken und nahezu komplett auf Sachleistungen umstellen. Außerdem sieht das Konzept des Ministers vor, den Zeitraum, in dem Asylbewerber nur einen Grundbedarf erstattet bekommen, bevor sie Leistungen auf dem Niveau der Sozialhilfe erhalten, von 15 auf 36 Monate zu verlängern, berichtet die Zeitung unter Berufung auf CSU-Kreise.
Diese Pläne dürften den Koalitionspartner SPD auf den Plan rufen: Im Januar hatten die Sozialdemokraten von "Schikanen" gegen Flüchtlinge gesprochen, als Bayerns Ministerpräsident Markus Söder ähnliche Pläne vorgestellt hatte.
Oppermann: Beispielloser Machtkampf
Der Sozialdemokrat und Bundestags-Vizepräsident Thomas Oppermann sieht Merkels Macht schwinden: "Ich glaube, dass die Kanzlerin - egal wie es ausgeht - nur schwer beschädigt aus dem Konflikt herauskommt", sagte er der "Bild"-Zeitung. Der Machtkampf zwischen Merkel und Seehofer sei beispiellos.
Baerbock: Unverantwortliches Verhalten
Grünen-Chefin Annalena Baerbock wies schon einmal Spekulationen zurück, ihre Partei könne im Falle eines Bruchs der Union in die Bresche springen: "Die Lage ist gerade so krass, dass wir jetzt keine Was-wäre-wenn-Spielchen als Grüne machen", sagte sie dem RBB. Die Grünen könnten nicht einfach bei einem schwarz-roten Koalitionsvertrag mitmachen.
Das Verhalten der CSU sei unverantwortlich. Die CSU stelle derzeit alles in Frage, was in Europa in 60 Jahren ausgebaut worden sei.