DeutschlandTrend

ARD-DeutschlandTrend Oktober 2008 Kein Vertrauen - weit und breit

Stand: 02.10.2008 22:19 Uhr

Die Finanzkrise macht den Deutschen nicht unbedingt Angst - aber sie beschäftigt sie: 39 Prozent haben kein Vertrauen in die Banken mehr, so das Ergebnis des ARD-DeutschlandTrends. Und die Krise schlägt auf die Politik durch: 40 Prozent glauben, dass keine Partei sorgsam mit Steuergeld umgehen kann.

Es wird Herbst in Deutschland - auch was die Stimmung angeht. Die Finanzmarktkrise betrachten die Deutschen mit einer Faust in der Tasche: Auf der einen Seite ärgern sich 95 Prozent, "dass am Ende immer der Steuerzahler zur Kasse gebeten wird". Andererseits finden es 56 Prozent, also mehr als die Hälfte, notwendig und deshalb richtig, dass im Zweifel der Staat Geld bereitstellt, um die Existenz deutscher Banken zu sichern.

Der Ärger beschränkt sich aber längst nicht auf Bankmanager und Börsenmakler, sondern trifft auch die Parteien. Auf die Frage, welche Partei denn "am sorgsamsten mit dem Geld der Steuerzahler umgehen" könne, antworten 40 Prozent spontan: keine Partei. Die höchsten Nennungen erhalten Union und SPD mit jeweils 17 Prozent. Das ist ein klares Misstrauensvotum.

Sonntagsfrage: Regierungsparteien verlieren weiter

Vor diesem Hintergrund ist es nicht erstaunlich, dass in der Sonntagsfrage die Regierungsparteien erneut zurückfallen. Wenn am nächsten Sonntag gewählt würde, käme die Union auf 35 Prozent (-1) die SPD auf 25 Prozent (-1). Es profitieren FDP (13 Prozent, +2) und Grüne (11 Prozent, +1), während die Linke auf 11 Prozent (-2) zurückfällt. Letzteres ist erstaunlich, weil in deren Lager der Ärger über die Finanzmarktkrise und die Ablehnung staatlicher Hilfen am größten sind. Aber die Linkspartei wird offenbar selbst von vielen Anhängern nicht gerade als starke Kraft für Krisensituationen wahrgenommen. 32 Prozent können sich derzeit für keine Partei entscheiden oder wollen nicht wählen gehen. Die statistische Abweichung liegt je nach Parteigröße zwischen ein und zwei Prozentpunkten.

 

Finanzkrise: Eine starke Minderheit sorgt sich

Das zentrale Thema ist derzeit die Lage der Banken und damit die Sicherheit der eigenen Ersparnisse. Fast drei Viertel (72 Prozent) rechnen damit, dass wie zuvor schon in den USA und Großbritannien auch in Deutschland Banken tatsächlich pleite gehen werden. Allerdings überwiegt die Zuversicht (56 Prozent), dass bei deutschen Instituten dann Sicherungsfonds oder der Staat einspringen und das Geld letztlich sicher ist. Aber: es gibt eine starke, ernstzunehmende Minderheit, die die Lage düsterer sieht: 39 Prozent vertrauen nicht auf die Zusagen deutscher Geldhäuser, 37 Prozent sorgen sich um ihre Anlagen, 24 Prozent haben sich bei ihrer Bank oder Sparkasse schon nach den Sicherheiten erkundigt. Und immerhin 20 Prozent haben in den letzten Wochen Teile ihres Vermögens anders angelegt, um das Risiko zu verringern. Dabei fällt auf: die größten Sorgen machen sich die, die wenig haben: Menschen mit Einkommen von weniger als 1500 Euro.

Das Zutrauen in die Wirtschaftskompetenz sinkt

Die wirtschaftliche Sorge ist längst umgeschlagen in politisches Misstrauen. Am Anfang der Legislaturperiode war es vor allem den großen Parteien gelungen, ihre Wähler trotz schlechter Ergebnisse von ihren Kernkompetenzen zu überzeugen. Die Union stand für ihre Wirtschaftskompetenz, die SPD für soziale Gerechtigkeit. Zwar liegen beide auf den jeweiligen Feldern noch vorn, aber mit deutlich verringerten Werten. Wie schon geschildert, trauen die Befragten keiner der Parteien zu, sorgsam mit öffentlichem Geld umzugehen. Und auch auf die Frage, wer am ehesten für ein "gerechtes Steuer- und Abgabensystem sorgen" könne, sind die Werte für die SPD (24 Prozent) und die Union (21 Prozent) alles andere als überzeugend. Ebenfalls 21 Prozent sagen spontan "keine Partei". Immerhin geht es hier um das zentrale Aufgabenfeld für die nächsten Jahre.

Trend: Die Volksparteien verlieren

Die Landtagswahl am vergangenen Sonntag in Bayern ist vielfach als regionale Spezialität wahrgenommen worden, als die Geschichte vom Ende des "Mythos CSU" - so als habe das mit der bundespolitischen Entwicklung wenig zu tun. Der Blick in die Statistik zeigt aber, dass sich Sonntag in etwas extremerer Ausformung ein Trend fortgesetzt hat, der mit der Bundestagswahl 2005 und dem Start der Großen Koalition begonnen hat. Seither gab es zehn Landtagswahlen, bei denen die Union durchgängig Verluste zu verzeichnen hatte, die SPD überwiegend.

Kleine Zweier-Koalitionen werden unwahrscheinlicher

Wenn man für alle Parteien die Gewinne und Verluste über diese zehn Wahlen hinweg addiert, bekommt man so etwas wie eine politische Bilanz der Großen Koalition. Nach dieser Rechnung hätte die Union zusammengerechnet 53 Prozentpunkte verloren, die SPD 13 Punkte. Gewinner sind alle übrigen Parteien: die Linke mit 30 Punkten, die Grünen mit 10 und die FDP mit 9. Die Regierungsparteien verlieren, die Oppositionsparteien legen zu - das ist soweit ein normaler Vorgang. Allerdings mit Nebenwirkungen: Wenn die beiden großen gemeinsam verlieren, wird es immer unwahrscheinlicher, dass in den Ländern kleine (Zweier-)Koalitionen regierungsfähig sind. Vieles spricht dafür, dass wir es mit dauerhaften Veränderungen des Parteiensystems zu tun haben.

Die massiven Verluste der Union und die scheinbar nicht so herben Einbußen für die SPD haben natürlich auch einen Grund: 2005 hatte die SPD bereits eine dramatische Serie von Niederlagen in den Ländern erlitten - sehr viel weiter runter ging es da nicht mehr. Das erklärt, warum die Union bei dieser Rechnung so schlecht abschneidet. Es ändert aber nichts an den Folgen: 85 Landtags-Abgeordnete aus der Union haben seit der letzten Bundestagswahl ihr Mandat verloren - das sind 85 unzufriedene Politiker, deren Misserfolg ausstrahlt auf den Wahlkreis und die örtlichen Parteifreunde.

Merkel wieder beliebteste Politikerin

Die Große Koalition hat also allen drei Partnern - also CDU, CSU und SPD - geschadet. Für die Union gibt es mit der Kanzlerin immer noch einen Fels in der Brandung. Sie hat Außenminister Steinmeier trotz seiner Kanzlerkandidatur im Oktober wieder knapp überholt und liegt mit 69 Prozent Zustimmung jetzt wieder auf Platz eins vor Steinmeier (68 Prozent). Erstaunlich auch, wie schnell Franz Müntefering nach seiner Rückkehr in die erste Reihe von den Wählern zurückgestutzt wird: er fällt auf 54 Prozent zurück (-8). Es folgt Finanzminister Peer Steinbrück (52 Prozent, +7), der in gegenwärtigen Krise an Profil gewinnt.

 

Nur ein Personalwechsel reicht nicht

Für die SPD enthält dieser Deutschlandtrend übrigens auch die Erkenntnis, dass es nicht reicht, einen Kanzlerkandidaten aufzustellen, sondern dass der für die Wählerinnen und Wähler auch ein Gesicht bekommen muss. Bei der Direktwahlfrage steht Steinmeier gegenüber der Kanzlerin mit jetzt 32:53 etwas schlechter da als vor seiner offiziellen Nominierung (Anfang September 32:48). Merkel ist aus Sicht der Befragten vor allem die stärkere Führungspersönlichkeit (57:25), besser mit den Problemen der Bürger vertraut (45:19), aber auch sympathischer (45:29) und glaubwürdiger (43:21). Am geringsten ist ihr Vorsprung auf dem Feld der sozialen Gerechtigkeit (34:29). Mindestens hier müsste es einem Sozialdemokraten kurzfristig gelingen besser abzuschneiden, wenn er ernsthafte Chancen auf das Amt haben will.

Untersuchungsanlage DeutschlandTrend
Grundgesamtheit: Wahlberechtigte Bevölkerung in Deutschland ab 18 Jahren
Stichprobe: Repräsentative Zufallsauswahl / Randomstichprobe
Erhebungsverfahren: Computergestützte Telefoninterviews
Fallzahl: 1000 Befragte (700 West / 300 Ost)
Erhebungszeitraum: 29. bis 30. September 2008
Fehlertoleranz: 1,4 bis 3,1 Prozentpunkte
Sonntagsfrage: 1500 Befragte
Erhebungszeitraum: 29. September bis 01. Oktober 2008
Fehlertoleranz: 1,1 bis 2,5 Prozentpunkte