Entscheidung in Hamburg Massive Kritik an Fahrverbot
Im Kampf gegen die Luftverschmutzung geht Hamburg nun den ersten Schritt und führt in der kommenden Woche Fahrverbote ein. Kritik kommt sowohl von Umweltschützern als auch vom ADAC und der Opposition.
Die in Hamburg kommende Woche in Kraft tretenden Diesel-Fahrverbote sind für die FDP ein Ausdruck des Versagens von Kanzlerin Angela Merkel in der Verkehrspolitik. "Hamburg ist Frau Merkels erstes Fahrverbot. Ihre Politik des Zögerns und Zauderns ist krachend gescheitert", sagte der stellvertretende Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion, Michael Theurer. "Die Verlierer sind einmal mehr Pendler und Handwerker."
Die Bundesregierung habe durch jahrelanges Nichtstun dafür gesorgt, dass die Kommunen nun durch Gerichtsurteile zu streckenbezogenen Fahrverboten angehalten werden, meinte der Verkehrsexperte der Fraktion, Oliver Luksic. Dadurch werde es in Hamburg - wo die Durchfahrtsbeschränkungen auf zwei besonders belasteten Straßenabschnitten gelten - zu einer Verlagerung des Verkehrs in die Nebenstraßen kommen.
In vielen deutschen Städten werden erhöhte Schadstoffwerte in der Luft gemessen.
"Das bringt in Sachen Luftverbesserung in Summe eher wenig, sorgt aber für massiven Schaden, Bürokratiekosten und Wertverluste bei Millionen von Diesel-Fahrzeugen", kritisierte Luksic. Die Bundesregierung sei in der Pflicht, "das Vertrauen der Bürger, in diesem Fall der Käufer betroffener Diesel-Fahrzeuge, nicht weiter zu schädigen und weitere Wertverluste der Autos zu verhindern".
ADAC sieht Bestrafung der Autofahrer
Der ADAC lehnt die Diesel-Fahrverbote ebenfalls ab. Dadurch würden die Autofahrer für die Fehler der Autoindustrie und die Versäumnisse der Politik zur Verantwortung gezogen, sagte der Sprecher des ADAC Hansa, Christian Hieff. Zudem seien die Durchfahrtsbeschränkungen kaum praktikabel umzusetzen. "Sie sehen einem Auto von außen eben nicht an, ob es die Euro 5 oder 6 erfüllt." Ausnahmen wie für Anlieger und Lieferfahrzeuge erschwerten die Durchsetzung zusätzlich.
Fahrverbote würden Autofahrer bestrafen und nur den Druck von der Autoindustrie nehmen, sagte Hieff. Der ADAC fordere eine sofortige Hardwarenachrüstung der vom Abgasskandal betroffenen Autos. "Ansonsten zahlen die Autofahrer die Quittung für die Tricksereien der Autoindustrie und das jahrelange Wegsehen der Politik." Die Hersteller hatten Umbauten an Abgasanlage oder Motor bisher abgelehnt.
BUND: Hamburger Diesel-Fahrverbote reichen nicht aus
Nach Ansicht der Umweltorganisation BUND reichen die angekündigten Fahrverbote zur Luftreinhaltung nicht aus. Die Durchfahrtsbeschränkungen seien "zwar ein gutes Signal, aber nicht zielführend", sagte BUND-Sprecher Paul Schmid. "Wir brauchen flächendeckende Fahrverbote, die den Menschen helfen und nicht den Messstationen", forderte Schmid.
Durch die Fahrverbote würden Verkehr und schädliche Stickoxide nur auf andere Straßen verteilt, wo sie aber nicht erfasst würden. Der BUND verlangt weiter die Einführung einer blauen Plakette, um flächendeckende Fahrverbote praktikabel zu machen. "Wir brauchen eine Umweltzone, die für Stickoxide greift", sagte Schmid. Die in mehreren deutschen Städten geltenden Umweltzonen würden nur der Reduzierung der Feinstaubbelastung dienen.
Kritiker von Fahrverboten befürchten, dass sich der Verkehr verstärkt auf Nebenstraßen verteilt.
Scheuer ist optimistisch
Auch andere deutsche Großstädte planen nach eigenen Angaben Durchfahrtsverbote für ältere Dieselfahrzeuge als Teil umfangreicherer Maßnahmenpakete gegen die zu hohe Abgasbelastung. Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer sagte einen drastischen Rückgang der Stickoxid-Grenzüberschreitungen voraus.
Die Zahl der von Fahrverboten bedrohten Städte werde sehr schnell in den einstelligen Bereich sinken, betonte Scheuer in der "Augsburger Allgemeinen". Die Gegenmaßnahmen der Behörden würden schnell wirken.
Autoindustrie glaubt an Alternativen
Auch die deutsche Autoindustrie erwartet, dass sich das Problem schnell erledigt. Der Branchenverband VDA betonte, es gebe zudem bessere Instrumente als Fahrverbote. Allein die Erneuerung des Fahrzeugbestands durch moderne Dieselfahrzeuge werde in den kommenden Jahren zu einer erheblichen Steigerung der Luftqualität führen. Bereits 2017 seien 1,1 Millionen neue Euro-6-Diesel auf die Straße gekommen.
Der Verband verwies auf die Software-Updates, Umstiegsprämien und die Beteiligung am Mobilitätsfonds von Bundesregierung und Auto-Industrie, mit dem Fahrverbote für Diesel vermieden werden sollen. Die Industrie setzt auf den Selbstzünder, weil sie ohne ihn glaubt, die schärferen CO2-Vorgaben nicht erfüllen zu können.