Koalitionsausschuss - zweiter Teil Legt die Ampel heute ihren Streit bei?
Etwa 20 Stunden hatte der letzte Koalitionsausschuss der Ampel gedauert - bisher ergebnislos. Heute setzen SPD, Grüne und FDP ihre Beratungen fort. Die Opposition stellt wegen des Streits die Regierungsfähigkeit der Ampel infrage.
Die Spitzenpolitiker von SPD, Grünen und FDP treffen sich heute Vormittag erneut, um ihr unterbrochenes Krisentreffen im Koalitionsausschuss fortzusetzen. Dabei suchen sie Kompromisse in diversen Streitfragen. Vor allem im Bereich der Klima- und Verkehrspolitik gibt es nach wie vor Klärungsbedarf.
Die Gespräche hatten am Sonntagabend begonnen und zogen sich bis in den frühen Montag. Nach rund 20 Stunden mussten sie unterbrochen werden - Bundeskanzler Olaf Scholz und mehrere Minister waren zu den deutsch-niederländischen Regierungskonsultationen in Rotterdam geladen.
Konkrete Ergebnisse wurden nach der Marathonsitzung bisher keine präsentiert. Parteiübergreifend aber war die Rede von "vertrauensvollen und konstruktiven" Gesprächen, Kanzler Scholz spricht gar von "sehr, sehr guten Fortschritten". Die Opposition wertet die Unterbrechung hingegen als Blamage und Armutszeugnis.
"Nette Zwischenzeit" in Rotterdam
Eigentlich hatte sich die Ampel zu Beginn ihres Regierungsantritts auf die Fahnen geschrieben, keine nächtlichen Dauersitzungen abhalten zu wollen. Scholz begründete das lange Treffen aber mit der Komplexität der zu lösenden Aufgaben. Es gehe um die Modernisierung Deutschlands. "Wir wollen sehr klare, konkrete Festlegungen treffen, die es möglich machen, dass wir das notwendige Tempo erreichen", sagte er am Rande der Konsultationen in Rotterdam.
"Die gemeinsame Überzeugung der Regierung ist, dass die gesetzlichen Regeln, die wir über die letzten Jahrzehnte so allmählich zusammengeschraubt haben, nicht zu der Geschwindigkeit passen, die wir heute benötigen", sagte der SPD-Politiker mit Verweis auf den Ausbau der erneuerbaren Energien, der Stromnetze und der Verkehrsinfrastruktur. Die Gespräche in Rotterdam nannte er "eine nette Zwischenzeit, die wir jetzt hier bei unseren Freunden in den Niederlanden haben."
Kopfschütteln in der Opposition
So betont gelassen sich der Kanzler gibt, so verheerend fällt das Urteil von CDU, CSU, AfD und Linkspartei aus. CDU-Generalsekretär Mario Czaja stellte im "Tagesspiegel" die Regierungsfähigkeit der Ampel infrage. CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt sagte der Mediengruppe Bayern: "Aus der Streit-Ampel wird jetzt auch noch die Streik-Ampel, weil es ja an Arbeitsverweigerung grenzt, wenn es nach so vielen Stunden kein einziges Ergebnis gibt." CDU-Chef Friedrich Merz sagte, die Koalition sei "stehend k.o."
Linken-Chefin Janine Wissler bezeichnete das Ampel-Bündnis als "Blockadekoalition". Wissler rief den Kanzler zu mehr Durchsetzungskraft auf. Insbesondere Finanzminister Christian Lindner und Verkehrsminister Volker Wissing aufseiten der FDP seien Bremsklötze beim Klimaschutz, bei sozialer Gerechtigkeit und bei Investitionen in die Zukunft.
SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert versuchte zu beschwichtigen. Es sei besser, zwei Tage lang hart um Lösungen in wichtigen Fragen zu ringen, als zwei Jahre lang ohne Lösungen in diesen Bereichen regieren zu müssen. "Die zwei Tage sind, glaube ich, mit viel Augen-Zudrücken schon zumutbar", so Kühnert.
Streit bei vielen Themen
Die Liste der festgefahrenen Streitpunkte der Ampel ist lang. Als größtes Konfliktthema deutete sich der Klimaschutz im Verkehr an - denn hier muss die Bundesregierung eine Trendwende schaffen. In diesem Sektor stiegen die Treibhausgasemissionen zuletzt, anstatt zu sinken. Vor allem die Grünen verlangen von Verkehrsminister Wissing mehr Anstrengung, während die FDP Vorschläge wie etwa ein generelles Tempolimit auf deutschen Autobahnen strikt ablehnt.
Unmut gibt es ebenso beim geplanten Verbot von Öl- und Gasheizungen. Die Grundidee war in der Koalition eigentlich längst vereinbart: Ab 2024 sollen möglichst nur noch solche Heizungen neu eingebaut werden, die zu mindestens 65 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben werden.
De facto bedeutet das ein Aus für konventionelle Öl- und Gasheizungen. Habeck goss das in einen umstrittenen Gesetzentwurf. SPD und FDP betonen beide, Hausbesitzer und Mieter dürften nicht überfordert werden. Auf der Suche nach einem Kompromiss war die Ampel schon vor dem Spitzentreffen vorangekommen - ohne dass bisher Details durchsickerten.
Auch Umfang und Finanzierung der ab 2025 geplanten Kindergrundsicherung steht zur Debatte: Die grüne Familienministerin Lisa Paus plädiert etwa für eine Aufstockung. Finanzminister Lindner hält dagegen, weil die Koalition gerade das Kindergeld angehoben habe.
Der Streit um das Geld ist zum steten Begleiter der Koalition geworden. FDP-Politiker mahnten schon vor dem Koalitionsausschuss wiederholt Disziplin bei den Finanzen an - vor allem mit Blick auf den ausstehenden Bundeshaushalt für 2024. Generalsekretär Bijan Djir-Sarai sagte: "Alle Koalitionsparteien müssen die aktuellen finanzpolitischen Realitäten anerkennen." Allerdings hätten die drei Parteien kein gemeinsames Grundverständnis in dieser Frage.