Messerattacke auf Kölner OB-Kandidatin Motiv Flüchtlingspolitik
Im Fall der Messerattacke auf die Kölner OB-Kandidatin Reker konzentrieren sich die Ermittler auf ein ausländerfeindliches Motiv. "Spiegel Online" berichtete sogar von einer rechtsextremen Vergangenheit des Täters. Die Notoperation Rekers verlief nach Darstellung der Ärzte erfolgreich.
Nach dem Messerangriff auf die Kölner Oberbürgermeisterkandidatin Henriette Reker gehen die Ermittler derzeit von einem ausländerfeindlichen Motiv aus. Der Attentäter habe "die aktuelle Ausländerpolitik und insbesondere das Vorgehen im Zusammenhang mit Flüchtlingen als allgemeines Stimmungsbild wiedergeben, das ihn dazu motiviert hat, diese Tat zu begehen", sagte Oberstaatsanwalt Ulf Willuhn dem WDR. Auch die Zeugenaussagen deuteten darauf hin, dass Ausländerhass das Tatmotiv gewesen sei. Reker hatte im Wahlkampf wiederholt für eine Integration der Flüchtlinge geworben
Der Mann verübte die Tat nach ersten Erkenntnissen alleine, aber gezielt. Er wird den Ermittlern zufolge auch auf seinen psychische Gesundheit untersucht. Nach eigenen Angaben war der Tatverdächtige seit längeren Jahren arbeitslos, von Beruf Maler und Lackierer sowie Hartz-IV-Empfänger. Es gebe keine Erkenntnisse, dass der Angreifer in einer Partei oder Organisation aktiv sei, so die Ermittler.
War der Täter in einer Neonazi-Gruppe aktiv?
Dagegen berichtet "Spiegel Online", dass der Angreifer in den 1990er Jahren bei einer Neonazi-Gruppe aktiv gewesen sei. Der aus Bonn stammende Mann soll bei der Freiheitlichen Deutschen Arbeitspartei (FAP) mitgemacht haben schreibt "Spiegel Online" ohne direkten Bezug auf eine Quelle. Die rechtsextreme Gruppe war 1995 vom Bundesinnenministerium verboten worden.
Notoperation gut verlaufen
Die parteilose OB-Kandidatin Reker ist derzeit Kölner Sozialdezernentin und damit auch für die Unterbringung von Flüchtlingen in der Stadt zuständig. Der 44-jährige Angreifer war am Morgen an einem Wahlkampfstand auf sie losgegangen. Neben der Politikerin wurden vier weitere Personen verletzt. Bei dem Angriff erlitt Reker unter anderem Verletzungen im Halsbereich.
Eine Notoperation verlief nach Angaben der behandelnden Ärzte erfolgreich. "Die Operation von Frau Reker ist sehr gut verlaufen", teilte Professor Bernd Böttiger von der Uniklinik Köln am Abend mit. "Wir haben keinen lebensbedrohlichen Zustand mehr." Sein Kollege Professor Karl-Bernd Hüttenbrink sagte zur Prognose für die 58-Jährige: "Wir halten zum jetzigen Stand und bei normalem Verlauf die vollständige Wiederherstellung der Gesundheit von Frau Reker für wahrscheinlich."
Experte: Festhalten an Wahl richtig
In Köln wird heute ein neuer Oberbürgermeister gewählt. Die Wahl findet trotz der Attacke statt. Der Politikwissenschaftler Ulrich von Alemann von der Düsseldorfer Heinrich-Heine-Universität hält es für richtig, dass die Stadt an dem Wahltermin festhält. "Wir dürfen uns in unserer Demokratie nicht den Wahltermin vorgeben lassen von politischen oder psychisch gestörten Attentätern oder wem auch immer", sagte er im WDR.
Möglicherweise werde der Angriff auch Einfluss auf das Abstimmungsverhalten haben. "Sie wird wohl einen tragischen Bonus bekommen", sagte von Alemann. Allerdings sei Reker ohnehin die Favoritin gewesen, sodass die Wahl in ihrem Ausgang wohl nicht entscheidend verfälscht werde.
"Schockiert über hinterhältige Gewalttat"
Bundesweit herrscht Entsetzen über den Messerangriff. Vizekanzler Sigmar Gabriel erklärte auf Facebook, er sei "schockiert über die hinterhältige Gewalttat". Der Sprecher der Bundesregierung, Steffen Seibert twitterte: "Die Gedanken sind bei Henriette Reker und den anderen Verletzten des Messeranschlags." Bundesjustizminister Heiko Maas verurteilte die Tat als "unfassbar und abscheulich".
Bundesinnenminister Thomas de Maizière zeigte sich angesichts der "abscheulichen Messerattacke" besorgt über "die zunehmende Radikalisierung der Flüchtlingsdebatte". Er sei schon "seit langem besorgt über die hasserfüllte Sprache und gewalttätigen Aktionen". De Maizière rief alle Bürger auf, sich sachlich an der Diskussion über die Aufnahme von Flüchtlingen in Deutschland zu beteiligen. "Nicht nur der Rechtsstaat muss hier mit voller Konsequenz reagieren, sondern die gesamte Gesellschaft ist aufgefordert, ein klares Zeichen gegen jede Form der Gewalt zu setzen."
"Anschlag auf die Demokratie"
NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft sprach von einer "feigen und verabscheuungswürdigen Tat". Dies sei "auch ein Anschlag auf die Demokratie in unserem Land und damit auf uns alle".
Grünen-Chef Cem Özdemir sagte auf einem Parteitag der bayerischen Grünen: "Das macht einen schon ziemlich fassungslos, wenn man sieht, wie viel Gewaltpotenzial bei manchen Leuten in der Gesellschaft vorhanden ist."
Menschenkette in Köln
In Köln führten die Spitzen der nordrhein-westfälischen Politik am Abend eine Menschenkette an. Vor dem Historischen Rathaus versammelten sich dazu Ministerpräsidentin Kraft, NRW-CDU-Chef Armin Laschet, der FDP-Bundesvorsitzende Christian Lindner sowie Grünen-Politiker. Viele Bürger schlossen sich an. "Wir stehen hier zusammen als Demokraten, um ein Zeichen zu setzen gegen diese verabscheuungswürdige Tat", sagte Kraft. Demokratie sei "eine große Errungenschaft, die wir verteidigen". Laschet sprach von einem "Anschlag auf uns alle, die gesamte Demokratie". Umso wichtiger sei es, dass man nun über alle Parteigrenzen hinweg zusammenstehe.