Hintergrund zur Neuregelung Fragen und Antworten zur Organspende
Wie groß ist eigentlich der Bedarf an Spenderorganen in Deutschland? Was ändert sich konkret durch die Neuregelung der Organspende? Und welche Punkte bleiben weiterhin strittig? tagesschau.de beantwortet die wichtigsten Fragen zum Thema und gibt einen Überblick.
Was ändert sich bei der Organspende?
Zwei Gesetze standen zur Abstimmung: das neue Transplantationsgesetz und das so genannte Entscheidungsgesetz. Dies sieht vor, dass alle gesetzlichen und privaten Krankenkassen ihre Mitglieder anschreiben und fragen, ob diese für den Fall ihres Todes zu einer Organspende bereit wären. Das soll bis Mitte 2013 geschehen. Später sollen die Kassen dann alle zwei Jahre die Mitglieder im Alter von mehr als 16 Jahren erneut befragen.
Diese direkte Ansprache, kombiniert mit Informationsmaterial, soll dazu führen, dass die Menschen mit Angehörigen und Freunden über eine mögliche Organspende reden und so die Bereitschaft zu einer Spende wächst.
Diese wird wie bisher im Organspendeausweis notiert. Versicherte können dort ausdrücklich erlauben, dass nach Ihrem Tod Organe und Gewebe aus ihrem Körper entnommen werden, um anderen Menschen zu helfen. Sie können dies auch auf bestimmte Organe beschränken. Auch wenn Sie auf gar keinen Fall Organe spenden möchten, können Sie dies im Ausweis vermerken. Außerdem haben Sie die Möglichkeit, einer Vertrauensperson für den Fall Ihres Todes diese Entscheidung zu übertragen.
Für den Fall eines schweren Unfalls ist es sinnvoll, den Organspendeausweis bei sich zu führen. Wer das nicht möchte, sollte eine Person seines Vertrauens über die Entscheidung informieren und sagen, wo der Ausweis liegt.
Müssen die Anfragen der Krankenkassen beantwortet werden?
Nein, Sie können das Anschreiben der Krankenkasse auch einfach ignorieren. Aber nur, wenn Sie ausdrücklich erklären, dass Sie im Todesfall keine Organe spenden wollen, können Sie sicher sein, dass dies nicht geschieht
Anderenfalls könnten im Falle Ihres Todes Ihre Angehörigen über eine mögliche Spende entscheiden.
Sie können Ihre Entscheidung für oder gegen die Organspende jederzeit widerrufen. Die geänderte Entscheidung wird dann in einem neuen Spenderausweis dokumentiert, der alte Ausweis wird vernichtet. Außerdem ist es sinnvoll, die Krankenkasse zu informieren.
Wie wird mit den Daten von Organspende-Willigen verfahren?
Es gibt in Deutschland kein Organspenderegister. Es genügt, einen Organspendeausweis auf Papier auszufüllen und diesen stets bei sich zu tragen.
Das neue Gesetz sieht aber vor, die Entscheidung für oder gegen eine Organspende auf Wunsch des Bürgers auch auf der elektronischen Gesundheitskarte eines Krankenkassenmitglieds zu speichern. Datenschützer befürchten eine Aufweichung der Datenschutzrichtlinien. Eine Speicherung auf der Gesundheitskarte ist derzeit technisch ohnehin noch nicht möglich.
Das Transplantationsgesetz sieht auch vor, dass personenbezogene Organspenderdaten zu Forschungszwecken an die Pharmaindustrie weitergegeben werden können, um Nebenwirkungen bei Medikamenten zu verringern. Dazu bedarf es keiner Einwilligung der Betroffenen. Auch dies wird von Datenschützern kritisiert. Grüne und Linkspartei wollen dem Gesetz deshalb ihre Zustimmung verweigern.
Wie groß ist der Bedarf an Organspenden?
Auf den Wartelisten für ein Spenderorgan stehen zurzeit rund 12.000 Patienten. Rund 1000 von ihnen sterben jährlich, weil sie nicht rechtzeitig ein Spenderorgan erhalten.
Ein einzelner Organspender kann bis zu sieben schwer kranken Menschen helfen. 2011 wurden 1200 Menschen nach ihrem Tod 3917 Organe entnommen - das waren 7,4 Prozent Spender weniger als im Vorjahr. In Deutschland kommen auf eine Million Einwohner 14,9 Spender. International liegt die Bundesrepublik damit im unteren Drittel. Wichtig dabei: Drei Viertel der Deutschen sind laut Umfragen durchaus bereit, ein Organ zu spenden. Bislang besitzt aber nur ein Viertel der Bürger einen Organspendeausweis.
Was macht die Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO)?
Dafür, dass die gespendeten Organe bei den Menschen ankommen, die so dringend auf sie warten, ist die Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO) zuständig. Vor 27 Jahren wurde sie gegründet. Sie verwaltet die Wartelisten der Menschen, die auf ein neues Organ warten, koordiniert die Verteilung der Spenderorgane und begleitet die Angehörigen von Organspendern.
Dazu besuchen die Mitarbeiter der DSO die Intensivstationen der Krankenhäuser. Sie suchen den Kontakt mit den Angehörigen, um mit ihnen über eine eventuelle Organspende zu sprechen. Kritiker beklagen, dass die Mitarbeiter der DSO dabei auch Druck auf Angehörige ausüben. Pro gespendetem Organ erhält die Stiftung rund 8000 Euro von den Krankenkassen.
Die DSO untersteht kaum einer Kontrolle. Darüber wurde in den vergangenen Monaten heftig debattiert. Der Vorwurf: Die DSO arbeite bei der Verteilung der Spenderorgane nicht transparent genug.
Ein Gutachten über die DSO, erstellt für den Gesundheitsausschuss des deutschen Bundestages, stellt zudem verfilzte Strukturen bei der DSO fest und beklagt den verschwenderischen Umgang mit Geldern und zahlreiche finanzielle Ungereimtheiten.
Laut neuem Gesetz soll die DSO stärker kontrolliert werden. Sie behält jedoch im Grunde genommen ihre Zuständigkeiten.
Wie wird im Fall der Organspende der Todeseintritt definiert?
Dies ist im Transplantationsgesetz streng geregelt. Erstens muss der Hirntod des möglichen Spenders entsprechend den Richtlinien der Bundesärztekammern von zwei Ärzten festgestellt worden sein. Zweitens muss die Einwilligung des Verstorbenen in eine Organspende bekannt sein oder die Angehörigen müssen nach seinem mutmaßlichen Willen einer Organentnahme zustimmen.
Dennoch ist gerade dieser Punkt der Regelung umstritten. Denn ist ein Mensch wirklich tot, wenn keine Hirnaktivität mehr gemessen wird, Herz und Atmung aber mittels mediziner Geräte noch aufrecht erhalten werden können? Wissenschaftler warnen, das Erlöschen der Hirnfunktion als Todesursache anzusehen, sei längst widerlegt. Das Hirn müsse als gleichwertiges Organ zu anderen lebenserhaltenden Organen verstanden werden. Wenn man dieser Argumentation folgt, dann wäre ein Mensch nicht tot, wenn keine Hirnströme mehr gemessen werden können, sondern erst dann, wenn alle körperlichen Funktionen vollständig erloschen sind.
Wann kommt eine Lebendspende in Frage?
Auch dies ist durch das Transplantationsgesetz geregelt. Es erlaubt die Spende von Organen, nur unter Verwandten ersten oder zweiten Grades, zum Beispiel Eltern und Geschwistern, unter Ehepartnern, Verlobten oder unter Menschen, die sich persönlich sehr nahe stehen. So hat zum Beispiel SPD-Fraktionschef Walter Steinmeier seiner Frau eine Niere gespendet. Auch durch seine Geschichte wurde das Thema Organspende der Öffentlichkeit stärker ins Bewusstsein gerufen.
Um Missbrauch zu verhindern prüft eine Gutachterkommission im Vorfeld, ob die Spende freiwillig erfolgt und keine finanziellen Interessen bestehen.
Welche Altersgrenzen gibt es für Organspenden?
Laut Transplantationsgesetz können Minderjährige ihre Bereitschaft zur Organspende ab dem 16. Lebensjahr erklären. Eine Einwilligung der Eltern ist nicht notwendig. Nach oben hin gibt es keine feste Altersgrenze. Entscheidend ist das biologische und nicht das kalendarische Alter. Auch die funktionstüchtige Niere eines 65-jährigen Verstorbenen kann einem Dialysepatienten wieder ein fast normales Leben schenken. Ob gespendete Organe oder Gewebe für eine Transplantation geeignet sind, kann erst im Fall einer tatsächlichen Spende medizinisch geprüft werden.
Welche Erkrankungen schließen eine Spende generell aus?
Eine Organentnahme ist grundsätzlich ausgeschlossen, wenn bei dem Verstorbenen eine akute Krebserkrankung oder ein positiver HIV-Befund vorliegt. Bei allen anderen Erkrankungen entscheiden die Ärzte nach den erhobenen Befunden, ob eine Organspende in Frage kommt.
Weiß der Empfänger des Organs, wer es gespendet hat?
Nein, die Spende ist anonym. Auch die Angehörigen des Spenders erfahren nicht, wer der Empfänger des Organs ist. Auf Wunsch wird ihnen aber mitgeteilt, ob die Transplantation erfolgreich verlaufen ist.
Wo kann man sich ausführlich über das neue Gesetz informieren?
Weitere Informationen zur Organspende erhalten Sie bei der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung oder beim Infotelefon Organspende unter der gebührenfreien Telefonnummer 0800 / 90 40 400. Informationen bekommen Sie auch bei Ihrer Krankenkasse. Durch Infobroschüren und im Internet wollen die Kassen künftig noch ausführlicher informieren.
Das neue Transplantationsgesetz sieht außerdem vor, dass die rund 1400 Kliniken mit Intensivstationen je einen Transplantationsbeauftragten bekommen, der unter anderem die Angehörigen potenzieller Spender beraten soll.
Zusammengestellt von Simone von Stosch, tagesschau.de