Angeklagte im Gerichtssaal in Koblenz beim Prozess wegen des Vorurfs der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung.

Umsturzpläne Terrorverdächtiger sagt vor Gericht in Koblenz aus

Stand: 18.04.2024 14:22 Uhr

Sie sollen einen Umsturz und die Entführung von Minister Lauterbach geplant haben: Zwei Terrorverdächtige der "Vereinten Patrioten" müssen sich deshalb ab heute vor dem Oberlandesgericht Koblenz verantworten. Von C. Altmayer.

Von Christian Altmayer

Sie sollen geplant haben, Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) zu entführen, die Bundesregierung zu stürzen und eine Diktatur nach Vorbild des Deutschen Kaiserreichs einzusetzen. Das waren nach Angaben der Generalstaatsanwaltschaft die Pläne der "Vereinten Patrioten", einer mutmaßlichen Terrorgruppe, die bereits seit Mai des vergangenen Jahres vor dem Oberlandesgericht Koblenz (OLG) steht.

Bei diesen Plänen sollen auch die beiden Rheinland-Pfälzer eine Rolle gespielt haben, die sich dafür ab heute vor dem Oberlandesgericht Koblenz verantworten müssen: Ein 52-Jähriger aus dem Hochwald und eine 33-Jährige aus Neustadt an der Weinstraße.

Angeklager aus dem Hochwald sollte bei Stromausfall helfen

Der 52-Jährige sollte offenbar die "Silent Night" vorbereiten, die "stille Nacht". So nannten die mutmaßlichen Terroristen von den "Vereinten Patrioten" laut Oberstaatsanwältin Daniela Fritz ihren Plan, einen Stromausfall in Deutschland herbeizuführen, um das Chaos dann für einen Sturz der Regierung auszunutzen.

Dem Mann aus der Nähe von Hermeskeil sei dabei die Aufgabe zugekommen, Hochspannungsleitungen auszukundschaften, um diese zu sprengen. So heißt es in der Anklage. Der Angeklagte sitzt derzeit in Frankenthal in Untersuchungshaft.

52-Jähriger bestreitet die Vorwürfe vor Gericht

Der Angeklagte bestreitet seine Beteiligung an den Plänen zum Umsturz der Bundesregierung. Der 52-Jährige sagte, er sei zwar in Kontakt mit den mutmaßlichen Terroristen gewesen, habe aber deren Pläne nicht ernst genommen. Auch Hochspannungsleitungen habe er nicht ausgekundschaftet.

Der Mann erklärte vor Gericht, er habe sich während der Corona-Pandemie radikalisiert. So sei er als Kritiker der Impfungen und der Maskenpflicht in die Chatgruppen der sogenannten "Vereinten Patrioten" gelangt. Für die Dinge, die er dort geschrieben habe, schäme er sich heute.

Arbeitgeber sah keine Hinweise auf Reichsbürger-Gesinnung

Seit 2010 war der 52-Jährige Ausbilder für Erste-Hilfe-Kurse beim Deutschen Roten Kreuz. Bis zu seiner Verhaftung im vergangenen Herbst hatte er beim Bildungswerk sogar eine leitende Funktion inne. Sein früherer Chef bezeichnete ihn "als zuverlässigen, spitzenmäßigen Mitarbeiter."

Hinweise darauf, dass der Mann sich einer mutmaßlichen Terrorzelle angeschlossen haben könnte, hatte es vor der Verhaftung offenbar keine gegeben. Für seinen früheren Chef, Dirk Marmann vom Deutschen Roten Kreuz (DRK) jedenfalls kam die Anklage überraschend. "Wir waren betroffen und geschockt", sagte er dem SWR. Der 52-Jährige sei irgendwann "ins Querdenkertum abgedriftet", so Marmann, habe Masken und die Impfungen kritisiert. Eine Nähe zum Gedankengut der Reichsbürgerszene habe sein Arbeitgeber aber nicht bemerkt.

Auch sein Drogenkonsum blieb auf der Arbeit offenbar unbemerkt. Jeden Abend, so erzählt es der Angeklagte selbst, habe er früher Cannabis geraucht. Ob das für die ihm vorgeworfenen Taten noch eine Rolle spielen wird, blieb zunächst noch unklar.

Mitangeklagte aus der Pfalz will schweigen

Die Mitangeklagte schweigt bislang vor Gericht. Selbst zu den persönlichen Daten möchte die 33-Jährige aus der Pfalz in Absprache mit ihren Anwälten beim Prozessauftakt nichts sagen. Bekannt wurde inzwischen, dass die Frau aus Neustadt an der Weinstraße die Tochter eines der Hauptangeklagten im Prozess gegen die "Vereinten Patrioten" ist.

Dieser Hauptangeklagte aus der Pfalz wurde auf einem Supermarktparkplatz in Neustadt an der Weinstraße verhaftet, bei dem Versuch, Waffen von einem verdeckten Ermittler zu kaufen. Die Generalstaatsanwaltschaft hält ihn für einen der Rädelsführer der "Vereinten Patrioten".

Tochter soll Pläne des Vaters unterstützt haben

Ihr Vater habe seine Tochter in die Pläne eingeweiht, so der Vorwurf. Und sie habe diese unterstützt, erklärte die Oberstaatsanwältin Daniela Fritz in der Anklage. Konkret soll sie verschiedene Chatgruppen der "Vereinten Patrioten" bei Telegram betrieben haben. Über diese Kanäle hätten sich die mutmaßlichen Terroristen vernetzt, auch neue Mitglieder seien angeworben worden. Sie habe aber auch Treffen organisiert und die Anleitung zur Herstellung von Sprengstoff weitergegeben.

Zwei Rheinland-Pfälzer stehen jetzt auch vor dem Oberlandesgericht Koblenz. Der Verdacht: Hochverrat.

Zwei Rheinland-Pfälzer stehen jetzt auch vor dem Oberlandesgericht Koblenz. Der Verdacht: Hochverrat.

Und noch ein weiterer Umstand ist auffällig: Die 33-Jährige wird beim Koblenzer Prozess von der bekannten Rechtsanwältin Nicole Schneiders vertreten. Schneiders hat schon mehrere Mandanten aus der rechtsextremen Szene vertreten hat, darunter einen Angeklagten im NSU-Prozess. Der baden-württembergische Verfassungsschutz rechnet die Anwältin selbst der Neonazi-Szene zu.

Entführung von Gesundheitsminister und Umsturz geplant

Was den Angeklagten konkret vorgeworfen wird, ist die "Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung" und die "Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens gegen den Bund" beziehungsweise die "Unterstützung einer terroristischen Vereinigung" und die "Beihilfe zur Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens gegen den Bund".

Karl Lauterbach

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD)

Vater der Angeklagten wurde in Neustadt verhaftet

Verhaftet wurden die beiden im Herbst bei einer bundesweiten Razzia, bei der auch Mobiltelefone, Datenträger und Dokumente sichergestellt wurden. Der Prozess gegen die "Vereinten Patrioten" läuft insgesamt schon seit Mai 2023 vor dem Oberlandesgericht Koblenz. Zunächst waren vier Männer im Alter von 44 bis 56 Jahren und eine 76-jährige Frau angeklagt, die vor gut zwei Jahren verhaftet wurden.

Gruppe zählt zur Reichsbürgerszene

Die ganze Gruppe gehört den Ermittlern zufolge - wie auch die Attentätergruppe um Prinz Reuß - zur sogenannten Reichsbürgerszene. Dieser Ideologie zufolge existiert das Deutsche Kaiserreich auf Grundlage der Verfassung von 1871 weiter. Die Bundesrepublik sei kein legitimer Staat. Nach Ansicht der Generalstaatsanwaltschaft versuchten die Angeklagten daher, die freiheitlich-demokratische Grundordnung abzuschaffen - notfalls auch mit Waffengewalt.

Daran sollen auch der 52-Jährige aus dem Kreis Trier-Saarburg und die 33-Jährige Frau aus der Bad Dürkheim mitgewirkt haben. Das Oberlandesgericht hat für den Prozess gegen die beiden insgesamt 25 Verhandlungstage angesetzt. Das würde bedeuten, dass ein Urteil frühestens im August gefällt wird.

Sendung am Do., 18.4.2024 6:00 Uhr, SWR4 RP am Morgen, SWR4 Rheinland-Pfalz

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