Das Strafgesetzbuch liegt auf einem Tisch
FAQ

Unterlassene Hilfeleistung Angst und Ekel sind keine Ausrede

Stand: 18.09.2017 17:22 Uhr

Wegschauen und weitergehen: Viele Menschen reagieren in Notsituationen falsch und kneifen, wo Hilfe dringend nötig ist. Doch "unterlassene Hilfeleistung" ist kein Kavaliersdelikt. Angst und Ekel zählen nicht als Ausrede, erklärt Michael-Matthias Nordhardt.

Von Michael-Matthias Nordhardt, ARD-Rechtsredaktion

Wegschauen und weitergehen: Viele Menschen reagieren in Notsituationen falsch und kneifen, wo Hilfe dringend nötig ist. Doch "unterlassene Hilfeleistung" ist kein Kavaliersdelikt. Angst und Ekel zählen nicht als Ausrede.

Wann muss man Hilfe leisten?

Hilfeleistung ist nach dem Gesetz bei sogenannten Unglücksfällen nötig. So ein "Unglücksfall" ist erst einmal jedes plötzlich eintretende Ereignis, aus dem sich eine erhebliche Gefahr für die Gesundheit oder das Leben von Menschen ergibt. Aber auch bei Gefahren für wertvolle Sachen besteht eine Pflicht zur Hilfe. Beispiele für Unglücksfälle sind (Verkehrs-)Unfälle, Krankheiten, die plötzlich auftreten oder sich plötzlich verschlimmern (z.B. Herzinfarkt) und Bewusstlosigkeit.

Aber auch wenn andere Personen angegriffen werden, zum Beispiel bei einer Vergewaltigung, besteht grundsätzlich eine Pflicht zur Hilfe. Der Paragraf zur unterlassenen Hilfeleistung (§ 323c StGB) steht im Strafgesetzbuch, um andere vor Schaden zu bewahren. Und, weil ein Mindestmaß an Solidarpflichten gesichert sein soll.

Wer muss Hilfe leisten?

Grundsätzlich ist jeder zur Hilfe verpflichtet, der dazu in der Lage ist. Wie bei allen anderen Straftaten kann aber auch wegen unterlassener Hilfeleistung nur bestraft werden, wer strafmündig ist. Die Strafmündigkeit beginnt mit dem 14. Geburtstag und endet in aller Regel erst mit dem Tod.

Wie muss man Hilfe leisten?

Um einer Strafbarkeit wegen unterlassener Hilfeleistung zu entgehen, muss man alles unternehmen, was zur Rettung erforderlich und möglich ist. Das bedeutet, dass zum Beispiel natürlich keine Hilfe geleistet werden muss, wenn ein Unfallopfer bereits verstorben ist. Die Pflicht zur Hilfe entfällt ebenfalls, wenn andere bereits ausreichend Hilfe leisten oder geleistet haben. Dann ist es oft hilfreicher einen gewissen Abstand zu wahren, um nicht unnötig im Weg zu sein.

Ansonsten muss man immer Maßnahmen ergreifen, die dem Hilfsbedürftigen helfen oder zumindest versuchen, dafür zu sorgen, dass sich seine Situation nicht verschlechtert. Was genau das bedeutet, ist von Fall zu Fall unterschiedlich und hängt auch von den persönlichen Fähigkeiten des Helfenden ab. Jeder kann und muss die Notrufnummer 112 wählen. Das reicht aber in aller Regel nicht. Denn warten, für das Unfallopfer da sein und sich kümmern - auch das kann man von jedem verlangen.

Sollte es erforderlich sein, muss man auch eine Herz-Lungen-Massage oder sogar Wiederbelebungsmaßnahmen versuchen. Inzwischen gibt es viele Einsatzzentralen, die einen dabei per Telefon anleiten. Um Hilfe zu leisten, muss man sich nicht selbst einer erheblichen Gefahr aussetzen. Zum Beispiel bei einem bewaffneten Überfall reicht es deshalb, die Polizei zu rufen oder Maßnahmen zu ergreifen, die kein erhebliches Risiko für einen selbst begründen.   

Was ist, wenn man etwas verschlimmert?

Viele trauen sich nicht zu, anderen Menschen Hilfe zu leisten, weil sie Angst haben, etwas falsch zu machen und den Zustand des Unfallopfers zu verschlechtern. Aber: Falsche erste Hilfe gibt es nicht. Wichtig ist nur, dass man sich bemüht und überhaupt etwas tut. Bestraft wird nur, wer sich drückt. Deshalb hat man selbst dann grundsätzlich nichts zu befürchten, wenn man den Zustand des Hilfsbedürftigen verschlimmert.

Hilfeleistung ist für den Helfer keine Routinehandlung. Wer hilft, muss sein Bestes geben und nach bestem Wissen und Gewissen handeln. Negative Konsequenzen, etwa eine Bestrafung wegen fahrlässiger Körperverletzung oder sogar fahrlässiger Tötung braucht der Helfer nicht zu fürchten.

Was droht, wenn man nicht hilft?

Zeitnot, Ekel oder Angst sind keine Ausreden. Wer einem Hilfsbedürftigen nicht hilft, macht sich strafbar. Und: "Unterlassene Hilfeleistung" ist kein Kavaliersdelikt. In vielen Fällen verhängen die Gerichte oft Geldstrafen, wie beim Fall in Essen. Es kommt aber durchaus auch vor, dass Bewährungsstrafen ausgesprochen werden. Und im Extremfall kann „unterlassene Hilfeleistung“ sogar mit bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe bestraft werden.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete die tagesschau am 18. September 2017 um 17:00 Uhr.