Verfassungsgericht weist Klagen ab Deutschland darf Euro-Staaten retten
Das Bundesverfassungsgericht hat die deutsche Beteiligung am Euro-Rettungsschirm und an den Griechenland-Hilfen gebilligt. Mehrere Verfassungsbeschwerden wurden abgewiesen. Die Richter verlangten aber, dass der Bundestag auch einzelnen Hilfsmaßnahmen künftig ausdrücklich zustimmen müsse.
Deutschland darf sich laut einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts an den Griechenland-Hilfen und dem Euro-Rettungsschirm EFSF beteiligen. Die Richter wiesen damit die Verfassungsbeschwerden gegen die Ausgestaltung der Hilfsmaßnahmen für pleitebedrohte Euro-Länder ab. Sie entschieden, dass dadurch das Haushaltsrecht des Bundestags nicht so stark eingeschränkt werde, dass ein Verstoß gegen das Grundgesetz erkennbar sei. Die Richter halten aber ein größeres Mitspracherecht des Bundestags bei den Rettungsmaßnahmen für erforderlich.
Das Bundesverfassungsgericht stellte klar, dass die Griechenland-Hilfe und das Gesetz zur Übernahme von deutschen Garantien für den Euro-Rettungsschirm das Budgetrecht des Bundestages nicht aushöhlen. Bei der Frage, ob die Garantien für hoch verschuldete Euro-Staaten später wirklich zu Milliardenkosten für den Bundeshaushalt führen und wie sehr dadurch die künftige Tragfähigkeit des Bundeshaushalts gefährdet sei, verfüge das Parlament über einen Einschätzungsspielraum. Diesen müsse das Bundesverfassungsgericht respektieren. Wenn das Parlament zur Einschätzung komme, dass die Garantien in Höhe von bis zu 170 Milliarden für den Bundeshaushalt tragbar seien, dann sei das "verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden".
Demokratieprinzip nicht missachtet
Vor diesem Hintergrund stellten die Richter auch fest, dass der Bundestag das Demokratieprinzip nicht missachtet habe, als er den Bundesfinanzminister per Gesetz ermächtigte, im Namen Deutschlands Bürgschaften in Milliardenhöhe zuzustimmen. Allerdings machten die Richter deutlich, dass das zugrundeliegende Gesetz nur bei einer bestimmten Auslegung mit dem Grundgesetz vereinbar sei. Bisher legt das Gesetz zum Euro-Rettungsschirm fest, dass die Bundesregierung im Namen Deutschlands Garantien in Höhe von bis zu 123 Milliarden Euro übernehmen kann. Diesen Rahmenbetrag hatte das Parlament gebilligt.
Bei der Frage, ob Länder wie Portugal oder Irland auf Antrag tatsächlich Geld erhalten, muss die Bundesregierung sich laut Gesetzestext aber lediglich bemühen, "Einvernehmen" mit dem Haushaltsausschuss des Bundestages herstellen. "Dies genügt nicht", entschieden das Bundesverfassungsgericht. Denn die bisherige Regelung bedeutet, dass die Bundesregierung sich jederzeit über das Votum des Haushaltsausschusses hinwegsetzen und ohne Zustimmung handeln kann. Das Parlament könnte also nicht verhindern, dass die Bundesregierung im Namen Deutschlands auf EU-Ebene entscheidet, dass ein weiteres Land Milliardenhilfen aus dem Rettungsschirm EFSF erhält. Um das Gesetz verfassungskonform auszulegen, verlangte das Bundesverfassungsgericht nun, dass die Bundesregierung Garantien nur zusagen darf, wenn der Haushaltsausschuss des Bundestages vorher ausdrücklich zugestimmt hat.
"Keine Blankoermächtigung für weitere Rettungspakete"
Der Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Andreas Voßkuhle warnte aber, das Urteil dürfe "nicht fehlgedeutet werden in eine verfassungsrechtliche Blanko-Ermächtigung für weitere Rettungspakete". Der Bundestag müsse die Kontrolle über grundlegende haushaltsrechtliche Entscheidungen behalten und dürfe dieses Recht nicht übertragen. Hilfsmaßnahmen wie das Euro-Rettungspaket müssten "im Einzelnen" bewilligt werden. Der Bundestag dürfe keine Gesetze verabschieden, durch die er sich selbst entmachte und seiner Rechte beraube, sagte Voßkuhle. "Als Repräsentanten des Volkes müssen die gewählten Abgeordneten des Deutschen Bundestages auch im Rahmen der Europäischen Union die Kontrolle über grundlegende haushaltspolitische Entscheidungen behalten", fügte er hinzu.
Urteil als Stärkung der Parlamentsrechte begrüßt
Bundeskanzlerin Angela Merkel wertete das Urteil als Bestätigung der Politik der Bundesregierung. Mit Blick auf die Kriterien einer verfassungskonformen Umsetzung der Hilfsmaßmaßnahmen, die die Richter aufgezeigt hatten, sagte sie: "Das ist genau der Weg, den wir gegangen sind." Auch Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger begrüßte das Urteil. Das "Königsrecht" des Bundestags, über Einnahmen und Ausgaben des Staates zu entscheiden, sei gestärkt worden. Ähnlich äußerte sich der CDU-Innenexperte Wolfgang Bosbach, der Ende des Monats im Bundestag gegen die Ausweitung des Euro-Rettungsschirms stimmen will. Das letzte Wort über künftige Rettungsaktionen habe jetzt der Bundestag, da die Bundesregierung nicht ohne Zustimmung des Haushaltsausschusses handeln dürfe, sagte er in der ARD.
Nach Ansicht von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble billigten die Verfassungsrichter auch die Variante, bei der die Bundesregierung auch ohne Zustimmung des Bundestags in dringlichen Fällen Maßnahmen des Euro-Rettungsschirms zustimmen kann. "Das Bundesverfassungsgericht lässt ausdrücklich die Eilregelung, dass man - wenn notwendig - auch im Nachhinein die Genehmigung einholen kann, völlig unberührt", sagte er. Tatsächlich hatten die Richter bestimmte Eilentscheidungen von der Pflicht der Bundesregierung ausgenommen, vorher die Zustimmung des Haushaltsausschusses einzuholen.
Der Grünen-Fraktionsvorsitzende Jürgen Trittin lobte ebenfalls die Entscheidung der Karlsruher Richter. "Das Urteil ist eine Niederlage für den D-Mark-Chauvinismus und zugleich eine gute Nachricht für Europa", sagte er. Gleichzeitig habe das Gericht die Rechte des Parlaments gestärkt. SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier verlangte als Konsequenz aus dem Urteil von Union und FDP ein Konzept zur Parlamentsbeteiligung bei weiteren Euro-Rettungsaktionen. "Das ist eine Bringschuld der Regierungsfraktionen, nicht eine Holschuld der Opposition", sagte er.
Aktenzeichen: 2 BvR 987/10