Wehrbeauftragter Robbe legt Jahresbericht vor Ärztemangel, Missmanagement und zu viel Bürokratie
Es ist der letzte Jahresbericht in seiner Amtszeit, den der Wehrbeauftragte des Bundestags, Robbe, vorgestellt hat: Noch einmal prangerte er Missstände in der Bundeswehr massiv an. Sein Vorwurf: Die Armee sei zu bürokratisch und zu unübersichtlich. Wegen Ärztemangels sprach er von "klarem Versagen".
Der Wehrbeauftragte des Bundestags, Reinhold Robbe, hat Mängel und Missstände bei der Bundeswehr angeprangert und eine umfassende Modernisierung gefordert. Bei der Vorstellung des neuen Wehrberichts in Berlin beklagte er, dass die Streitkräfte durch eine unübersichtliche Führungsstruktur, zu viel Bürokratie und eine veraltete Planung gekennzeichnet seien. In vielen Bereichen sei die Armee noch nicht in der Einsatzrealität angekommen.
"Der Bundeswehr gehen die Ärzte aus"
Er monierte, dass der Bundeswehr 600 Mediziner fehlten. "Der Bundeswehr gehen jetzt die Ärzte aus", kritisierte er das Personal-Management im Sanitätswesen.
Als Grund nannte er, dass zahlreiche Ärzte die Bundeswehr verlassen hätten, da sie in vielen Fällen bessere Angebote ziviler Kliniken erhalten hätten. Der Sanitätsführung, insbesondere dem verantwortlichen Inspekteur, warf er "klares Versagen" vor. Es sei zu spät gehandelt und Probleme seien schöngeredet worden. "Es gibt nicht wenige Experten in der Bundeswehr, die davon sprechen, dass dieser Inspekteur die Sanität regelrecht vor die Wand gefahren habe", sagte Robbe.
Zahl der psychisch erkrankten Soldaten verdoppelt sich
Außerdem geht aus Robbes Bericht hervor, dass die Zahl der Bundeswehr-Soldaten zugenommen habe, die wegen des Afghanistan-Einsatzes unter schweren psychischen Belastungen leiden. Im vergangenen Jahr wurden 466 Soldaten wegen posttraumatischer Belastungsstörungen behandelt. Damit habe sich die Anzahl der Erkrankten im Vergleich zu 2008 fast verdoppelt, erklärte Robbe in seinem Bericht.
Der Wehrbeauftragte führte zwei Gründe für den Anstieg der Zahlen an: Zum einen seien mehr Soldaten als früher im Einsatz. Zum anderen herrschten in Afghanistan, vor allem im Raum Kundus, kriegsähnliche Verhältnisse. Nach wie vor ungeklärt sei die Dunkelziffer psychisch erkrankter Soldaten.
"Nach meinen Erkenntnissen werden in der Truppe psychische Erkrankungen nach wie vor als stigmatisierend empfunden und von den Betroffenen insbesondere aus Angst vor persönlichen Nachteilen nicht offenbart", unterstricht Robbe.
Diskriminierung von Frauen und Homosexuellen beklagt
Des Weiteren klagen seinen Angaben zufolge Soldatinnen über sexuelle Belästigung und frauenfeindliche Einstellungen. "Leider bleiben Vorfälle, die antiquierte und mit Vorurteilen belastete Anschauungen offenbaren, nach wie vor nicht aus", heißt es in seinem Bericht. Im vergangenen Jahr leisteten durchschnittlich 16.495 Frauen bei der Bundeswehr ihren Dienst.
Robbe erhielt nach eigenen Angaben erneut Zuschriften, in denen es auch um Diskriminierung von Soldaten wegen Homosexualität ging. "Auch wenn nach nunmehr geltender Rechtslage jede Benachteiligung von homosexuellen Soldatinnen und Soldaten untersagt ist, kann eine faktische Benachteiligung nicht absolut ausgeschlossen werden", so der Wehrbeauftragte.
Zu wenig geschützte Fahrzeuge in Afghanistan
Bundeswehr-Soldaten in Afghanistan beschweren sich über Mängel bei ihrer Ausrüstung. Sie rügen unter anderem, dass es zu wenig geschützte Fahrzeuge gebe. "Die ohnehin angespannte Situation verschärft sich, sobald Fahrzeuge nach Unfällen oder Anschlägen ausfielen, weil für diese Fahrzeuge kein Ersatz verfügbar war", heißt es in Robbes Bericht.
Das Bombardement zweier Tanklaster bei Kundus im vergangenen September wirkte sich laut Robbe erheblich auf alle Ebenen der Bundeswehr aus. In seinem Jahresbericht schreibt der SPD-Politiker, es gebe in der Truppe viel Unterstützung für den Bundeswehroberst Georg Klein, der den Angriff befohlen hatte. In den Streitkräften habe er "keine einzige Stimme" vernehmen können, die sich nicht mit Klein solidarisch gezeigt habe, schreibt Robbe.
Die Reaktionen hätten von menschlicher Sympathie für Klein über Verständnis für eine schwierige und folgenreiche Entscheidung bis hin zu Respekt für einen damals notwendig erscheinenden Schritt gereicht.
SPD-Politiker scheidet im Mai aus dem Amt
Im Wehrbericht fasst der Wehrbeauftragte Beschwerden von Soldaten sowie selbst gewonnene Erkenntnisse zum Zustand der Bundeswehr zusammen. Es ist der letzte Bericht des SPD-Politikers als Wehrbeauftragter. Seine fünfjährige Amtszeit läuft im Mai aus. Heute verkündete er offiziell, dass er nicht erneut kandidieren werde. Er wolle das Amt nicht durch "mögliche zwischenparteiliche Streitereien" beschädigen, sagte er. Als Robbes Nachfolger ist der FDP-Politiker Hellmut Königshaus nominiert. Die Liberalen haben laut Koalitionsvertrag das Vorschlagsrecht für den Posten.