Klimawandel in Nepal Ohne Gletscher geht es nicht
Anfang Dezember tagte Nepals Kabinett am Fuße des Mount Everest, um auf die schmelzenden Gletscher aufmerksam zu machen. Bis jetzt speisen sie noch den Fluss Ganges, Indiens Lebensader. Ohne sie wird der Fluss nicht mehr genug Wasser für die schnell wachsende Bevölkerung haben.
Von Jürgen Webermann, ARD-Hörfunkstudio Südasien
Der Klimawandel ist für Aang Chering täglich sichtbar. Chering ist Sherpa, und regelmäßig unterwegs entlang der 8000 Meter hohen Gipfel. Dabei passiert Chering gigantische Gletscher. Doch immer öfter ist dort, wo früher eine Eiswand war, nur noch nackter Fels zu sehen. Die Gletscher ziehen sich zurück, in manchen Jahren um bis zu 100 Meter. Die Lufttemperatur im Himalaya ist seit den 70er-Jahren um mehr als ein Grad im Schnitt angestiegen.
Durch die Gletscherschmelze drohen Überflutungen
Die Folgen sind dramatisch, weiß auch der Sherpa Aang Chering. "Die Himalayas schmelzen, die Regen- und Trockenzeiten geraten durcheinander. In der Regenzeit gibt es kaum noch Regen, und dann, wenn eigentlich Schnee fallen sollte, fällt Regen." All das bedroht die Landwirtschaft des Landes, aber vor allem auch die Täler Nepals. Wissenschaftler warnen längst davor, dass der Wasserspiegel in den Gletscherseen steigt und so gewaltige Fluten abwärts stürzen könnten.
Doch das Problem geht noch viel weiter: Mehr als eine Milliarde Menschen in Südasien sind von der Wasserzufuhr aus dem Himalaya abhängig. Die Gletscher speisen die großen Flüsse wie den Ganges, eine Lebensader Indiens. Sollten die Eisgiganten weiter so schnell abschmelzen, könnte auch die Wassermenge der großen Flüsse laut einer Studie des WWF deutlich abnehmen. Wie dann die schnell wachsende Bevölkerung ernährt werden soll, weiß keiner.
Kabinettssitzung im Himalaya als Signal
Deshalb schlug die nepalesische Regierung erst kürzlich publikumswirksam Alarm. Per Helikopter ließen sich Premier Madhav Kumar Nepal und sein Kabinett ins Basislager des Mount Everest bringen. Der Grund - das gibt Kumar zu - ist eindeutig. Die Bilder sollen um die Welt gehen.
Nepalesische Kabinettsmitglieder im Basislager des Mount Everest.
"Wir wollen auf die Folgen des Klimawandels aufmerksam machen, vor allem für die Menschen in der Himalaya-Region", so Kumar. "Für uns ist das eine enorme Herausforderung. Wir wollen ein Signal an die großen Staaten senden, die in Kopenhagen die entscheidende Rolle spielen."
Gemeinsam mehr Druck in Kopenhagen
Im Basislager, dick verpackt in Daunenjacken, begleitet von sechs Medizinern und ausgerüstet mit Sauerstoffmasken, trat die nepalesische Regierung zu einer Kabinettsitzung zusammen. Konkret formulierte Premierminister Kumar am Fuße des höchsten Gipfels der Welt nur ein Ziel: "Wir werden uns mit anderen Ländern zusammen tun, um die entwickelten Länder aufzufordern, anderthalb Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts aufzubringen, um den Klimawandel zu stoppen."
In Kopenhagen will Kumar weiter über genau diese Forderung verhandeln, die Bilder vom Mount Everest sollen dabei helfen. Für Kumar geht es jedoch auch ums politische Überleben. Weiterhin sorgen die früheren Rebellen für Unruhe in Nepal, zuletzt gab es vor wenigen Wochen Zusammenstöße. Und der Klimawandel spielt ihnen dabei in die Hände. Denn er trifft vor allem die arme Landbevölkerung, deren Kampf ums tägliche Überleben in Nepal immer härter wird.