Annette Dittert
Kommentar

EU-Parlamentsvize abgesetzt Rote Karte für Czarnecki - zu Recht

Stand: 07.02.2018 16:59 Uhr

Die Hetze, die polnische Medien und Politiker gegen die Oppositionelle Thun verbreiteten, war beispiellos. Das EU-Parlament hat deshalb zurecht EU-Parlamentsvize Czarnecki die rote Karte gezeigt.

Ein Kommentar von Annette Dittert, ARD London

Abgewählt. Ryszard Czarnecki, Mitglied der polnischen Regierungspartei und bis heute morgen noch Vizepräsident des Europaparlaments ist von seinem Amt entbunden worden. Die Begründung: Wer eine Oppositionspolitikerin wegen eines regierungskritischen Interviews als Landesverräterin beleidigt, und anschließend eine beispiellose Hetzkampagne gegen sie in Gang setzt, kann als Vizepräsident nicht mehr das Europäische Parlament repräsentieren. Ein bislang einmaliger Vorgang.

Ausmaß der Hetze ist beispiellos

Der Anlass war eine Reportage, die ich über jene Oppositionspolitikerin, die streitbare Europäerin Roza Thun im Dezember für arte gemacht hatte. Ein Film, in dem sie klar beschreibt, wie die polnische Regierung das Land in Europa isoliert und jeden ihre Kritiker mit aggressiven Methoden einzuschüchtern versucht. Die Reaktionen auf den Film bestätigten, was sie hier so präzise auf den Punkt brachte. Das Ausmaß der Hetze allerdings war beispiellos. Die regierungsnahen Medien bezeichneten die Reportage als "antipolnische Nazipropaganda", und Roza Thun wurde mit Morddrohungen verfolgt.

Natürlich wird die Entscheidung des EU-Parlaments kurzfristig der antieuropäischen PiS-Propaganda in die Hände spielen. Czarnecki dürfte als Märtyrer gefeiert werden, einmal mehr wird man die rote Karte, die Brüssel heute gezeigt hat, als Zeichen interpretieren, dass die EU den Polen gegenüber feindselig gesinnt ist und es demütigen will.

Methoden eines autoritären Staates

Dass das EU-Parlament dies bewusst in Kauf genommen hat, zeigt, wie dramatisch die Lage in Polen längst ist. Weitestgehend unbemerkt von der westeuropäischen Öffentlichkeit hat die PiS in den letzten zwei Jahren damit begonnen, den Rechtsstaat im Land abzubauen. Jede Kritik daran gilt ihr als Landesverrat. Und wer es wagt, sich dagegen zu stellen, ist dieser Regierung zufolge kein wahrer Pole mehr. Das sind Methoden eines autoritären Staates. Genau wie die im Dezember verabschiedete Justizreform, die die Gewaltenteilung im Land weitgehend außer Kraft gesetzt hat. Auch hier wird die EU bald handeln müssen. Bis Ende März hat sie Warschau gegeben, diese Reform zu überdenken.

Europa ist an einem Scheideweg angekommen. Wenn die EU die Werte, auf denen sie aufgebaut ist, wirklich ernst nimmt, wird sie auch hier handeln müssen. Die Spielregeln des demokratischen Rechtsstaats müssen für alle Mitglieder der EU gelten.

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Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete tagesschau24 am 07. Februar 2018 um 11:00 Uhr.