Kommentar

Kommentar zum Pontifikat Benedikts XVI. Die Botschaft stimmte, die Vermittlung nicht

Stand: 28.02.2013 18:33 Uhr

Joseph Ratzinger hat das Papstamt nie angestrebt. Er wollte Gelehrter sein, kein Hirte. Und darin liegt vielleicht auch das Problem seines Pontifikats, meint Tilmann Kleinjung. Mit seinen theologischen Botschaften habe Benedikts XVI. zwar recht gehabt. An den Realitäten der Kirche redete er jedoch vorbei.

Ein Kommentar von Tilmann Kleinjung, ARD Rom

Von Tilmann Kleinjung, ARD-Hörfunkstudio Rom, zzt. Vatikan

Wir wissen, dass Papst Benedikt sich nie um dieses Amt beworben hat. Im Gegenteil: Die Entscheidung der Kardinäle erschien ihm wie ein Todesurteil. Er sprach immer wieder vom Fallbeil, das er im Konklave auf sich zu kommen sah, damals am 19. April 2005. Seine persönliche Lebensplanung war eine andere. Er wollte sich in den Ruhestand zurückziehen und sich ganz der Lehre und Lektüre widmen. Ein Papst wider Willen. Vielleicht ist das der Schlüssel zu diesem Pontifikat: Dass wir mit Joseph Ratzinger einen Papst hatten, der nie Hirte sein wollte.

Der Theologieprofessor Benedikt XVI. hat die Gegenwart oft mit rationaler Schärfe analysiert. Er hat den Zeitgeist entlarvt und immer wieder auf die zeitlose Relevanz der christlichen Botschaft hingewiesen. So hat er seine Kirche davor bewahrt, jede Mode und jeden Trend mitzumachen. Aber er hat übersehen, dass Kirche auch eine Umwelt hat und braucht. Eine Kirche ohne Aggiornamento, ohne Erneuerung, existiert irgendwann nur noch um ihrer selbst willen, verkommt zur bloßen Struktur und reinen Form. Es gibt keinen mehr, der ihre Lehren begreift, geschweige denn befolgt. Natürlich ist Relativismus ein Übel, aber unser Leben ist vielfältig, relativ, bunt. Botschaften, die nur schwarz und weiß kennen, helfen uns nicht weiter.

Tilmann Kleinjung, T. Kleinjung, ARD Rom, 28.02.2013 18:21 Uhr

Die Kirche ist kein Hörsaal

Benedikt XVI. war der erste Papst aus Deutschland seit dem Mittelalter. Joseph Ratzinger kennt seine Heimat besonders gut aus der Zeit als Professor in Bonn, Tübingen und Regensburg. Er ist ein Theoretiker und kein Praktiker. Doch die Kirche ist kein Hörsaal. Und so wird vieles, was die katholische Kirche lehrt, in der Praxis hinterfragt.

In Deutschland wurden Kirche und Gesellschaft in den letzten 50 Jahren radikal säkularisiert, da fällt dieser Graben zwischen Anspruch und Wirklichkeit besonders auf. Hier ist der Leidensdruck in den Gemeinden besonders groß, der Handlungsbedarf unübersehbar: Frauen, die gern mehr Verantwortung übernehmen wollen und nicht dürfen. Priester die heillos überfordert werden und Gläubige, die die katholische Lehre - zum Beispiel zur Empfängnisverhütung - als nicht relevant betrachten.

Der Papst hat Recht, blieb aber ungehört

Doch für all diese Fragen und Anfragen hatte dieser Gelehrte auf dem Papstthron wenig Verständnis. Unübersehbar wurde das bei seinem letzten Besuch in Deutschland: ein Besuch, der symptomatisch war für das schwierige Verhältnis dieses Papstes zu seiner deutschen Heimat. Die Bischöfe mahnt er zur "Entweltlichung", die Laien warnt er vor Vereinsmeierei und den Protestanten bescheinigt er, es gebe keine "Gastgeschenke".

In allem, was dieser Papst sagt, hat er Recht. Aber es geht auch darum, wie und wo man etwas sagt. Worte stehen nicht beziehungslos in Raum und Zeit. Doch Kommunikationstheorie hat Benedikt nie interessiert. Ihm ging es um die reine, unverfälschte Wahrheit. Und so steht zu befürchten, dass vieles von dem Wahren, Guten und Schönen, was dieser Papst gesagt hat, ungehört verhallt.

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Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete die tagesschau am 28. Februar 2013 um 20:00 Uhr.