Abwrackprämie hilft Autoindustrie Viele Fragen, viele Kritiker
Man könnte meinen, es gebe bei der Abwrackprämie nur Gewinner: Hersteller, Händler, Kunden. Und gesicherte Arbeitsplätze und dann noch sauberere Abgase. Stimmt das wirklich? Ja, sagt die Automobilindustrie. Nein, sagen Kritiker: Sie halten die Effekte der Prämie für ungewiss - oder sogar schädlich.
Von Fabian Grabowsky, tagesschau.de
Keine Frage, Matthias Wissmann jedenfalls ist begeistert: Autohäuser fast aller Marken signalisierten "massives Interesse", jubelte der Chef des Verbands der Deutschen Automobilindustrie (VDA) im "Tagesspiegel". Prompt korrigierte er die Absatzerwartung für das Jahr 2009 nach oben: Jetzt will er bei verkauften Neuwagen die Drei-Millionen-Marke überflügeln. Im Dezember hatte er noch von 2,9 Millionen Autos gesprochen.
Auch Branchenkollegen stimmten in die Eloge ein: Audi-Chef Rupert Stadlers meint, die positiven psychologischen Effekte seien "nicht zu unterschätzen", Ford-Deutschland-Chef Bernhard Matthes sieht neue Kunden sogar schon "in Scharen" in seine Autohäuser drängen.
Sichere Arbeitsplätze?
Aber ist die Euphorie der Autowirtschaft berechtigt? Da gibt es eine ganze Reihe offener Fragen - und viele Kritiker. Sie halten sowohl die ökonomischen als auch die ökologischen Folgen für zumindest unklar.
Zum Beispiel Gerd Lottsiepen. "Ich habe in dem Bereich schon viele unsinnige Initiativen erlebt", sagt der verkehrspolitische Sprecher des Verkehrsclub Deutschland (VCD) tagesschau.de, "die Abwrackprämie ist die mit Abstand unsinnigste." Der VCD und andere Verbände hätten zwar erwogen, eine Kampagne zur Verbesserung der Prämie zu starten - "aber die ist nicht zu retten".
Zu den ökonomischen Folgen fällt Lottsiepen als erstes eines ein: Die Prämie sei vor allem ungerecht. Nur diejenigen profitierten, deren Auto mindestens neun Jahre alt ist und die sich in den kommenden zwei Jahren ein neues kaufen wollen. Hinzu kommen mehrere andere Hürden. Die Bundesregierung hat das 1,5-Milliarden-Euro-Programm für 600.000 potenzielle Käufer angelegt. Wirtschaftsberater erwarten bis zu 300.000 zusätzlich verkaufte Autos. Lottsiepen geht von einem noch geringeren Effekt aus.
"Egozentrik von Politikern und Lobbyisten"
Lottsiepen steht mit seinem Verriss nicht allein. "Überhaupt nichts" halte er von der Prämie, sagt Autoexperte Wolfgang Meinig von den Universität Bamberg tagesschau.de. Der staatliche Eingriff in Millionen Autokäufe sei das Produkt der "Egozentrik von Politikern und Lobbyisten".
Resultat werde ein Marktverzerrung sein, die nie wieder zu glätten sein werde. Die Hersteller nähmen den Zuschuss dankend entgegen, ohne etwas an ihrer nur auf Masse ausgerichteten Produktionspolitik zu ändern: "Die Branche privatisiert die Erfolge, die Kosten muss die Allgemeinheit tragen." Den gewünschten Effekt am Arbeitsmarkt werde es trotzdem nicht geben. Während Willi Diez von der Hochschule Nürtigen-Geislingen 20.000 gerettete Jobs erwartet, ist Meinig pessimistisch: "Die Branche wird an Entlassungen nicht vorbeikommen", meint er.
"Totaler Schrott"
Auch Ferdinand Dudenhöffer von der Uni Duisburg-Essen kritisiert plakativ: "Die Abwrackprämie ist totaler Schrott", polterte er in der "Financial Times Deutschland". Fahrer von neun Jahre - und älteren - Fahrzeugen kauften meistens Gebraucht- oder Kleinwagen. Letztere sind nicht die Spezialität der deutschen Hersteller, sondern der ausländischen Konkurrenz. Nicht umsonst erwartet beispielsweise BMW eher überschaubare Effekte.
Die Bundesregierung verspricht ein "möglichst unbürokratisches und schnelles Verfahren" bei der Umweltprämie. Bürger können sich mit ihren Fragen direkt an das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) unter der Telefonnummer
030/346 465 470 wenden.
Zudem dürften viele der Neukäufe Jahres- oder Vorführwagen sein, die die Fabriktore längst hinter sich gelassen haben. Ihr Verkauf käme zunächst den - oft ebenfalls notleidenden - Händlern und nicht den Herstellern zugute. Außerdem kommt sowieso jeder dritte in Deutschland zugelassene Neuwagen von ausländischen Herstellern. Und dann wird nicht jeder Wagen eines deutschen Herstellers auch in Deutschland produziert. Viele der populärsten Typen deutscher Firmen würden im Ausland gebaut. Zudem bleiben laut Autoexperte Dudenhöffer nur 15 Prozent der Neuwagen in Deutschland - die anderen gehen ins Ausland.
Dass ungewollt weltweite Wohltaten drohen, ist auch den Regierungsparteien nicht verborgen geblieben. "Unser Konjunkturpaket soll Arbeitsplätze in Deutschland sichern, nicht in Fernost", mahnt CSU-Generalsekretär Karl-Theodor zu Guttenberg.
Zuschuss für den 15-Liter-Geländewagen?
Und das sind nur die zweifelhaften wirtschaftlichen Folgen. Bleibt das in der aktuellen Debatte etwas vernachlässigte Thema Ökologie. VCD-Experte Lottsiepen kritisiert vor allem, dass sich die Prämie nur auf ein Kriterium stützt: das Alter des Autos. "Das gibt überhaupt keine Auskunft darüber, wie ökologisch sinnvoll die Verschrottung ist", bemängelt er. Der Kunde kassiere die Prämie unabhängig vom Schadstoffausstoß: "Theoretisch könnte ich ein altes Drei-Liter-Auto gegen einen 15-Liter-Geländewagen tauschen. Das ist doch ziemlich unsinnig."
Außerdem habe sich der Schadstoffausstoß vieler Typen in den vergangenen neun Jahren kaum verbessert - aus ökologischer Sicht wäre da der Tausch also nur ein Nullsummenspiel.
Und noch ein weiterer Punkt gefällt Lottsiepen und Vertretern von Umweltverbänden wie der Deutschen Umwelthilfe nicht: Die Produktion eines neuen Autos verbraucht viel Energie. Lottsiepen spricht von einem durchschnittlichen Vergleichswert von zwei Jahren Autofahren. Sein Fazit: "Hier von einer Umweltprämie zu sprechen ist verlogen."
Und auch die Fahrradlobby meldet sich
In jedem Fall beflügelt die Diskussion die Fantasien: Der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC) forderte ein Fahrrad-Konjunkturprogramm - das umweltfreundlichste Verkehrsmittel sei in der Debatte vergessen worden, kritisierte ADFC-Verkehrschef Roland Huhn. Er will allerdings nicht gleich eine Abwrackprämie, eine ermäßigte Mehrwertsteuer reiche ihm.