Streit um Atomsteuer und Laufzeiten Merkel schlägt milde Töne an
Im Streit zwischen der Regierung und der Atomwirtschaft um eine Brennelemente-Steuer und längere AKW-Laufzeiten ist Bundeskanzlerin Merkel um eine Entschärfung bemüht. Regierung und Industrie hätten grundsätzlich das gleiche Ziel: eine wirtschaftiche Energieversorgung.
Bundeskanzlerin Angela Merkel will den Konflikt mit führenden Vertretern der deutschen Wirtschaft um die Atomenergie entschärfen. Merkel sagte der "Bild am Sonntag": "Es ist wichtig, dass sich neben den Kritikern der Kernenergie auch diejenigen zu Wort melden, die sie als Brückentechnologie noch eine zeitlang für notwendig halten." Die Kanzlerin betonte die Übereinstimmung im Ziel einer wirtschaftlichen Energieversorgung zwischen Industrie und Regierung: "Wir wollen, dass die Energie in Deutschland immer sauberer und umweltverträglicher wird, dass sie sicher ist und dass sie für Bürger und Wirtschaft auch bezahlbar bleibt - gerade in dem Punkt also sehe ich keinen Widerspruch zu den Absichten des Appells."
Merkel reagierte mit ihrer Erklärung auf eine Anzeigenkampagne von 40 Top-Managern, die die Atompolitik der Regierung scharf kritisiert hatten. Sie sprachen sich damit gegen eine Brennelemente-Steuer und den Atomausstieg aus. Der Appell war am Freitag veröffentlicht worden und sorgte bundesweit für Aufregung auf dem politischen Parkett.
Oettinger unterstützt Merkel
Zuvor hatte die Bundesregierung Unterstützung von der EU-Kommission erhalten. Energiekommissar Günther Oettinger hatte den Widerstand der deutschen Atomindustrie gegen die geforderten Milliardenabgaben an den Staat kritisiert.
Als Gegenleistung für längere Laufzeiten der Kernkraftwerke müssten die Energiekonzerne "in jedem Fall" einen Großteil ihrer daraus resultierenden Gewinne abführen, sagte der ehemalige Ministerpräsident von Baden-Württemberg der "Süddeutschen Zeitung". Angemessen sei ein Anteil von "mindestens 50 Prozent" der zusätzlich erwirtschafteten Überschüsse.
Nach Ansicht von EU-Kommissar Oettinger müssen die Energiekonzerne auf jeden Fall zahlen.
Schäuble will sanieren ...
Im Streit um die Verwendung der erwarteten 2,3 Milliarden Euro pochte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble im ZDF wiederholt auf einen klaren Vorrang für die Haushaltskonsolidierung. Daran habe es nie einen Zweifel gegeben, sagte er. Schäuble stimmt in diesem Punkt mit Merkel überein.
... Röttgen auch fördern
Bundesumweltminister Norbert Röttgen will dagegen mit dem Geld auch regenerative Energien fördern. Ungeachtet dieses Streitpunkts innerhalb der Regierung stellte er im Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" klar, dass an dem Milliardenbeitrag für die Stromkonzerne nicht zu rütteln sei und die Summe Anfang September beschlossen werde.
Fordert eine genaue Erklärung der Konzerne, warum sie angeblich die Steuer nicht zahlen können: Umweltminister Röttgen
Nachdem E.on und RWE für das erste Halbjahr einen Gewinn von zusammen mehr als neun Milliarden Euro ausgewiesen hätten, müssten die Konzerne "zumindest sehr genau erklären, warum sie eine Steuer nicht schultern können, zumal damit auch die Folgen ihres eigenen Tuns bezahlt werden", etwa die Sanierung des maroden Endlagers Asse.
Restlaufzeitverlängerung von nur 28 Monaten empfohlen
Im Streit um die Verlängerung der AKW-Laufzeiten gehen Verfassungsrechtler aus dem Bundesjustizministerium von Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) laut "Spiegel" unterdessen davon aus, dass die Laufzeiten ohne Beteiligung des Bundesrats nur um zwei Jahre und vier Monate verlängert werden dürfen.
Im Mittelpunkt des Streits steht die Frage, welche längere Laufzeit verfassungsrechtlich unangreifbar ist, ohne dass der Bundesrat zustimmen muss, in dem Schwarz-Gelb keine Mehrheit mehr hat. Damit stellen sich die Juristen auch gegen eine Bewertung des Bundesinnenministeriums, das von maximal zehn Jahren ausgeht. Weite Teile der Union und die großen Stromkonzerne wollen sogar eine Laufzeitverlängerung von mehr als 15 Jahren durchsetzen.