Hintergrund

Emissionshandel Das Geschäft mit der dreckigen Luft

Stand: 17.07.2008 00:01 Uhr

Das Prinzip ist denkbar einfach: Unternehmen, die Treibhausgase wie CO2 emittieren, benötigen dafür Zertifikate, die sie über ein Zuteilungsverfahren erhalten. Diese berechtigen den Betreiber zum Ausstoß einer genau festgelegten Menge an CO2. Verursacht seine Anlage mehr Emissionen, muss er zusätzliche Zertifikate ankaufen. Reduziert der Betreiber den Ausstoß, kann er die überzähligen Berechtigungen frei auf dem Markt verkaufen und so Gewinn machen. Das Problem: Bislang hat der Emissionshandel in Deutschland und der EU zu keiner CO2-Reduktion geführt.

Von Henner Weithöner für tagesschau.de

In Deutschland fallen derzeit knapp 57 Prozent des gesamten CO2-Ausstoßes unter den Emissionshandel. Die rund 1850 teilnehmenden Unternehmen kamen nach Angaben der Deutschen Emissionshandelsstelle (DEHSt) im Umweltbundesamt im vergangenen Jahr auf einen CO2-Ausstoß von rund 487 Millionen Tonnen oder zwei Prozent mehr als 2006. Dagegen sanken die gesamten CO2-Emissionen in Deutschland um 2,7 Prozent. Der Grund für die höheren CO2-Mengen im Emissionshandel: Deutschlands Industrie setzte mehr Stein- und Braunkohle zur Stromerzeugung ein. Die niedrigen Preise für die Emissionsberechtigungen boten laut DEHSt den Firmen 2007 nur noch wenig Anreiz, statt Kohle das wesentlich weniger klimaschädliche, aber teurere Erdgas zu nutzen.

Dabei wurden den deutschen Stromkonzernen in der ersten Phase des Emissionshandels 2003 bis 2007 die Zertifikate sogar geschenkt - trotzdem erhöhten die Unternehmen den Strompreis mit der Begründung, das neue System treibe die Kosten in die Höhe. Erst seit Beginn dieses Jahres müssen jährlich neun Prozent der Verschmutzungsrechte versteigert werden. Nach Schätzungen des Bundesumweltministeriums wird das die Stromerzeuger etwa 400 Millionen Euro pro Jahr kosten. Diese Einnahmen sollen in Klimaschutzprojekte in Deutschland und in Drittländern fließen. Ab 2013 sollen die Energieunternehmen für alle Verschmutzungsrechte bezahlen. Erst dann werde das System sauberen Strom finanziell begünstigen und den Anreiz schaffen, mehr Strom aus erneuerbaren Quellen zu produzieren, hoffen die Experten im Umweltministerium.

Auch Brüssel setzt auf den Emissionshandel

Und in der Europäischen Union? Im Mittelpunkt der Bemühungen steht das Ziel, die Treibhausgasemissionen EU-weit bis 2020 gegenüber dem Niveau von 1990 um 20 Prozent zu senken. Eines der wichtigsten Bestandteile des Klimaschutzpakets der EU-Kommission ist auch hier der Emissionshandel. Die Energiekonzerne und bestimmte Industriebranchen (Stahl, Papier, Zement, Kalk, Glas) sind zur Teilnahme am Emissionshandel verpflichtet. Für jede Tonne Kohlendioxid, die sie emittieren, müssen sie eine Emissionsberechtigung vorweisen. Da auch sie bislang den größten Teil der Berechtigungen kostenlos zugeteilt bekamen, kann auch die EU noch keine Erfolge beim Klimaschutz vermelden: Im Jahr 2006 war der vom Emissionshandel erfasste CO2-Ausstoß um 0,3 Prozent gestiegen. Für 2007 liegen noch keine Zahlen vor.

Eine Entscheidung auf EU-Ebene tut Not

Den Plänen der EU-Kommission zufolge soll die Energiewirtschaft die Zertifikate erst ab 2013 komplett ersteigern müssen. Die anderen Branchen sollen einen allmählich wachsenden Teil der Zertifikate ersteigern. Gleichzeitig will die Kommission die Menge der insgesamt zur Verfügung stehenden Zertifikate in der dritten Handelsperiode von 2013 bis 2020 um 20 Prozent kürzen. Experten gehen davon aus, dass spätestens dann die Preise für eine Tonne CO2 so steigen werden, dass mehr saubere Energien zum Einsatz kommen und gleichzeitig mit Strom und Wärme noch sparsamer umgegangen wird. Noch seien die Preise an den internationalen Klimabörsen dafür zu niedrig. Und solange Verschmutzungs-Zertifikate verschenkt würden und die Klimaschutzziele nicht in bindendes Recht umgewandelt werden, bliebe alles beim Alten.