Debatte über Parlamentsrechte in der Eurokrise Kritik an Monti von vielen Seiten
Italiens Premier erntet Widerspruch: Mit seiner Forderung, Regierungschefs müssten sich in der Krise ihre Handlungsfreiheit gegenüber den eigenen Parlamenten bewahren, steht Mario Monti ziemlich allein da. Kritik kommt von Bundesregierung, Bundestag und der EU-Kommission.
Die nationalen Parlamente müssen nach Überzeugung der EU-Kommission auch weiterhin die Vereinbarungen zur Stabilisierung der gemeinsamen Euro-Währung billigen. Das erklärte ein Sprecher der Kommission in Brüssel zu Äußerungen des italienischen Regierungschefs Mario Monti, der im Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" mehr Spielraum für die Regierungen gefordert hatte. "Die Mitgliedstaaten haben beschlossen, sich bei der Beschlussfassung und Anwendung von Finanzbeschlüssen an bestimmte Regeln zu halten. Demnach müssen rechtliche Verpflichtungen, die die Regierungen in Brüssel eingehen, gemäß nationalen Bestimmungen bestätigt werden", sagte der Sprecher. Und in einigen Staaten müssten diese Entscheidungen von den Parlamenten gebilligt werden.
Westerwelle: "Stärkung statt Schwächung"
Bundeskanzlerin Angela Merkel sprach sich für eine intensive Beteiligung der Parlamente an den europäischen Entscheidungen aus. "Jedes staatliche Handeln muss auch demokratisch legitimiert sein", sagte Regierungssprecher Georg Streiter. Die Kanzlerin vertrete die Auffassung, dass Deutschland mit der Parlamentsbeteiligung stets "gut gefahren" sei. Außerdem habe man aus Karlsruhe "einige Hinweise" bekommen, "dass das Parlament eher mehr als weniger zu beteiligen ist".
Außenminister Guido Westerwelle betonte, die parlamentarische Kontrolle der Europapolitik stehe "außerhalb jeder Diskussion. Wir brauchen eine Stärkung, nicht Schwächung der demokratischen Legitimation in Europa".
Auch Bundestagspräsident Norbert Lammert wandte sich gegen Montis Einschätzung. "Das Gegenteil ist richtig", betonte Lammert. Eine parlamentarische Begleitung und Entscheidung europapolitischer Vereinbarungen sei nicht nur eine unverzichtbare Anforderung der Verfassung, sondern auch eine wesentliche Voraussetzung für die Akzeptanz bei den Bürgern. "Es ist in jedem Fall eher hinzunehmen, dass die Erwartungen der Märkte durch unsere Rechtsordnung und unsere Demokratie enttäuscht werden als umgekehrt unsere Rechtsordnung durch die Verselbstständigung der Märkte", erklärte Lammert.
Monti warnt vor Auflösung Europas
Monti hatte in einem Interview vor einem Auseinanderbrechen Europas gewarnt. "Die Spannungen, die in den vergangenen Jahren die Eurozone begleiten, tragen bereits die Züge einer psychologischen Auflösung Europas", sagte er dem "Spiegel". Wenn der Euro zu einem Faktor des europäischen Auseinanderdriftens werde, dann seien auch "die Grundlagen des Projekts Europa zerstört".
Monti empfahl den Regierungschefs, sich ihre Handlungsfreiheit gegenüber den eigenen Parlamenten in der Krise zu bewahren: "Wenn sich Regierungen vollständig durch die Entscheidungen ihrer Parlamente binden ließen, ohne einen eigenen Verhandlungsspielraum zu bewahren, wäre das Auseinanderbrechen Europas wahrscheinlicher als eine engere Integration."