Korrespondenten zur Euro-Politik Das weiterwurschtelnde Orakel von Berlin
Wer deutsche Medien verfolgt, erfährt viel über die Haltung von Merkel & Co zur Schuldenkrise. Wer wissen will, wie das im Rest Europas ankommt, fragt am besten diejenigen, die täglich darüber schreiben: Berlin-Korrespondenten aus dem Ausland.
Von Oliver Neuroth, SWR, ARD-Hauptstadtstudio
"Was wird da eigentlich gespielt?" - fragen sich viele Auslandskorrespondenten, die für internationale Zeitungen, Radio- und Fernsehsender in Berlin sitzen. Finanzminister Wolfgang Schäuble wird "der letzte echte Europäer der Bundesregierung" genannt, der den Euro retten will. Kanzlerin Angela Merkel dagegen wirkt wie die kühle Pragmatikerin.
Als erste falle "die Uneinigkeit und das Herumdoktern" auf, meint Hans-Peter Fritz vom Österreichischen Rundfunk ORF. "Dass man das Gefühl hat, es gibt keinen wirklichen Verlass auf das, was heute gesagt wird, weil es sich vielleicht morgen wieder ganz anders gestaltet." Was in der deutschen Politik gerade passiert, erinnert den ORF-Mann sehr an seine Heimat. "Die Politik des Weiterwurschtelns ist ja in Österreich erfunden worden. Aber es ist doch etwas, was sich die Österreicher von den Deutschen nicht unbedingt erwarten würden."
Kompliziertes aus dem Land, in dem doch alles so gut funktioniert
Denn Deutschland ist schließlich die größte Volkswirtschaft in der Europäischen Union und hat für viele eine Art Vorbildfunktion. Auch für Spanien, eines der Euro-Problemländer, sagt Juan Gómez, der für die Madrider Tageszeitung "El País" schreibt. "Die Spanier mögen Deutschland als ein Land, in dem alles gut funktioniert, in dem gute Produkte gemacht werden, die man gerne kauft", sagt Gómez. Dass jetzt alles so kompliziert werde und "dass die deutsche Regierung so zögerlich ist bei der Lösung der Euro-Probleme", werde als Enttäuschung betrachtet.
"Als wäre es ein Satz aus der Bibel"
Eine Enttäuschung, für die Merkel und Schäuble verantwortlich sind. Spanier sehen die beiden nicht als irgendwelche Politiker, Juan Gómez geht so weit, sie mit einem Orakel zu vergleichen. "Alles, was ein deutscher Bundeskanzler oder ein Finanzminister aus Deutschland sagt, wird unter die Lupe genommen und interpretiert, als wäre es ein Satz aus der Bibel", sagt der "El País"-Korrespondent.
Ratschläge aus der Kohl-Ära stoßen an ihre Grenzen
Aber in welche Richtung soll die deutsche Politik nun gehen? Was ist die richtige Strategie in der Euro-Krise? Für ORF-Journalist Fritz steht fest: "Die klassischen Ratschläge noch aus der Kohl-Ära - einfach viel Geld in die Hand nehmen und das Problem mit viel Geld ertänken - stoßen halt auch an ihre Grenze", sagt Fritz und fügt an: "Obwohl das sicher etwas ist, was der Rest Europas von Deutschland immer noch gerne hätte."
Eine klare Linie finden, schnell handeln und sich nicht in Widersprüche verstricken - das ist das Rezept von Pascal Thibaut aus Frankreich. Er arbeitet für Radio France International. Es wäre besser, wenn Deutschland schneller handeln würde "anstatt häufig zu bremsen und sich zurückhaltend zu zeigen", so Thibaut. "Auch dass es mehr voran kommt mit einer stärkeren Integration der Finanzpolitiken den EU-Länder."
Jetzt liegt es wieder an Merkel und Schäuble, beim Euro-Gipfel in Brüssel eine Strategie zu finden, mit der die EU-Partner leben können - und die Auslandskorrespondenten.