Investmentbanker packt aus Nichts als Kunden-Abzocke bei Goldman Sachs?
Es ist ein Schlag für die Investmentbranche: Der Banker Smith schrieb seine Kündigung quasi per Zeitungskommentar. In der "New York Times" beschrieb er Interna seines Arbeitgebers Goldman Sachs: Es gehe nur noch um Kunden-Abzocke. An der Wall Street kann sich Smith nicht mehr sehen lassen.
Von Thomas Schmidt, ARD-Hörfunkstudio New York
Es ist eine der heißesten Zeitungsgeschichten der vergangenen Jahre und sie steht nicht einmal auf der ersten Seite: "Am besten ziehen Sie feuerfeste Handschuhe an, wenn sie heute Morgen zur New York Times greifen", ulkte ein Moderator des Wirtschaftssenders Bloomberg TV.
Schnell hatte sich herumgesprochen, dass man bis auf Seite 27 blättern muss, um die Abrechnung zu lesen, mit der ein Bankmanager seinem langjährigen Arbeitgeber Goldman Sachs seinen Job - schonungslos und in aller Öffentlichkeit - vor die Füße warf: "Das ist nicht mehr die Firma, in die ich gleich nach dem Studium eingetreten bin. Mit dem, was sie heute darstellt, kann ich mich nicht mehr guten Gewissens identifizieren", schreibt Smith. Er war von der US-Elite-Universität Stanford zu Goldman Sachs gekommen.
Kunden im Abseits
Bis zuletzt arbeitete er als Derivate-Spezialist in London. Unter der Überschrift "Warum ich Goldman Sachs verlasse" beschreibt er ein Geldinstitut, das statt auf seriöser Anlageberatung nur noch auf Abzocke ausgerichtet sei: "Um es einfach auszudrücken, die Interessen der Kunden werden bei der Art und Weise, wie die Firma handelt und über das bloße Geldmachen denkt, mehr und mehr ins Abseits gedrängt."
Banker mokieren sich über Anleger
Statt das Beste für die Kunden herauszuholen, würden ihnen heute Produkte angedreht, die sie nicht brauchten, die die Bank aber loswerden wolle. Führende Goldman-Sachs-Banker, schreibt Smith, rühmten sich mittlerweile intern damit, wie sie Kunden abgezockt hätten. Er habe mehrfach erlebt, wie Bank-Manager Anleger als "Vollidioten" bezeichnet hätten. "Es macht mich krank, wie kaltschnäuzig die Leute darüber reden, wie sie ihre Kunden ausnehmen", schreibt Smith.
Die Vorwürfe treffen Goldman Sachs an einer empfindlichen Stelle: Die Großbank hatte 2010 ein Rekord-Bußgeld von 550 Millionen Dollar zahlen müssen, nachdem Goldman aus Sicht der US-Börsenaufsicht SEC Kunden faule Immobilienkredite verkauft und gleichzeitig darauf gewettet hatte, dass diese an Wert verlieren würden. Das Bankhaus hat die Darstellung von Smith inzwischen zurückgewiesen. Sie spiegele nicht das wahre Geschäftsgebaren bei Goldman Sachs wider.
An der Wall Street erledigt
Erledigt ist die Angelegenheit damit aber längst nicht: Wall-Street-Insider wie der Bestseller-Autor William Cohan werten den Smith-Artikel als schweren Schlag für Goldman Sachs und wundern sich, dass das Unternehmen den scheidenden Manager nicht rechtzeitig zum Schweigen gebracht hat: "Interessant ist, dass dieser Artikel überhaupt geschrieben wurde: Wer Goldman Sachs verlässt, muss normalerweise eine Verschwiegenheitsverpflichtung unterschreiben. Aber offenbar hat man Smith nicht mehr rechtzeitig erwischt."
Die spektakuläre Abrechnung trifft allerdings nicht nur Goldman Sachs, sondern indirekt die gesamte Investment-Branche. An der Wall Street, sagt Cohan, sei Smith damit erledigt. Er rät ihm - nicht ganz ernst gemeint - sich möglichst schnell um ein Zeugenschutzprogramm zu bemühen.