Konsequenzen aus Griechenland-Krise Insolvenzrecht für Staaten - keine ganz neue Idee
Die Koalition hat sich auf Maßnahmen verständigt, mit denen künftig Krisen im Euro-Raum verhindert werden sollen. Gefordert wird unter anderem ein Insolvenzrecht für Euro-Staaten. Ganz neu ist die Idee freilich nicht: 2003 scheiterte sie am Widerstand der USA.
Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihr Finanzminister Wolfgang Schäuble haben angesichts des Griechenland-Debakels ein neues Aktionsfeld eröffnet: Sie fordern eine internationale Insolvenzordnung für Staaten. Ziel sei ein geordnetes Verfahren bei drohenden Staatspleiten, so Merkel. Erschütterungen des globalen Finanzwesens sollen vermieden werden.
Außerdem soll die Staatengemeinschaft nicht mehr zur Hilfe erpressbar sein, wenn ein Land sich finanziell ins Abseits manövriert hat. Zudem geht es um die geordnete Bedienung von Schulden sowie die Reorganisation des Schuldnerstaates.
Das Bundeskabinett schloss sich den Forderungen Merkels und Schäubles nach einem Insolvenzrecht für Staaten an. Zusätzlich stellten Union und FDP eine ganze Reihe von Forderungen. (Siehe Kasten)
* Die EU-Kommission soll schneller Einblicke in die Haushaltsverfahren einzelner Länder erhalten.
* Es soll eine eigenständige europäische Rating-Agentur gegründet werden.
* Es soll neue Sanktionsmöglichkeiten gegen Staaten geben, die sich nicht an die Regeln der Euro-Zone halten. Etwa, so Unionsfraktionschef Kauder, dass "Stimmrechte oder Leistungen aus europäischen Mitteln gekürzt werden können".
November 2001: Insolvenzrecht für Staaten gefordert
Neu sind die Bemühungen um eine solche internationale Insolvenzordnung für Staaten freilich nicht. Schon Anfang des Jahrzehnts war als Reaktion auf eklatante Schuldenfälle in mehreren Schwellenländern heftig um dieses Thema gerungen worden. Doch die Bemühungen blieben letztlich erfolglos.
Ausgangspunkt der Diskussion war ein Vorschlag der damaligen Vizepräsidentin des Internationalen Währungsfonds (IWF) Anne Krueger, vom November 2001 für einen "Sovereign Debt Restructuring Mechanism" (SDRM). Krueger wurde seinerzeit von IWF-Chef Horst Köhler unterstützt. Köhler, der inzwischen Bundespräsident ist, hält die Idee nach den jüngsten Erfahrungen für aktueller denn je. Es könne Länder geben, die mit ihren Schulden nicht mehr fertig würden, sagte Köhler dem Magazin "Focus". Deshalb sei es an der Zeit, das für viele Undenkbare zu denken: "Wir brauchen geordnete Insolvenzverfahren nicht nur für Unternehmen, sondern auch für Staaten."
Gläubiger können überstimmt werden
Der IWF-Vorschlag sah seinerzeit vor, dass ein Insolvenzverfahren von einem überschuldeten Land eingeleitet wird. Es würde sich damit vorübergehend Schutz vor Gläubigern sichern. Schuldner und Gläubiger sollten direkt und geordnet Zahlungserleichterungen, Umschuldungen oder auch eine Teilentschuldung aushandeln.
Zentraler Punkt der Insolvenzordnung: Wird eine Einigung zwischen beiden Seiten lediglich von einer großen Mehrheit der Gläubiger (mindestens 70 Prozent) getragen, soll sie auch für nicht-kooperative Gläubiger rechtlich bindend sein. Sie können also überstimmt werden.
Viele Probleme
Kritiker allerdings lehnten den Vorschlag seinerzeit aus vielen Gründen ab. Sie zweifelten zum Beispiel an, ob das überhaupt problemlos in das jeweilige Recht in den vielen Staaten umgesetzt werden kann. Bemängelt wurde auch, dass in die Souveränität des Schuldner massiv eingegriffen wird oder dass über die Maßen auch die Rechte der Gläubiger verletzt würden. Auch zur Frage einer Wiedereingliederung eines solchen Landes in die internationalen Kapitalströme äußerten Experten Zweifel.
Das damals von Rot-Grün regierte Deutschland befürwortete die Staaten-Insolvenzordnung. Doch 2003 wurde die Initiative durch US-Präsident George W. Bushs Finanzminister John Snow beerdigt: Es sei "weder notwendig noch nachvollziehbar", die Arbeiten an einer solchen Insolvenzordnung fortzusetzen, befand Snow bei einer IWF-Konferenz.
Viele überschuldete Staaten
Inzwischen aber ist die Situation eine andere: Im Zuge der weltweiten Finanzkrise haben viele Staaten einen Schuldenstand erreicht, der bei mehr als 100 Prozent ihres Bruttoinlandsproduktes liegt. Das dürfte auch Merkels Entscheidung befördert haben, die Insolvenzordnung für Staaten einmal mehr auf die Agenda zu setzen.