Massendemos in Griechenland Proteste eskalieren - drei Menschen sterben
Der Protest gegen die Sparpläne in Griechenland ist eskaliert: In Athen starben drei Menschan, als eine Bank mit einem Brandsatz angegriffen wurde. Zehntausende demonstrierten - verbreitet kam es zu Ausschreitungen. Staatspräsident Papoulias verurteilte die Gewalt. Er habe keine Worte, um seinen Schmerz auszudrücken.
Die geplanten harten Sparmaßnahmen haben in Griechenland landesweit Proteste ausgelöst. In der Hauptstadt Athen eskalierte die Gewalt: Drei Bankangestellte erstickten in einer Filiale, die zuvor von Randalierern mit einem Brandsatz angezündet worden war. Die beiden Frauen und ein Mann waren in dem Gebäude eingeschlossen.
Löscharbeiten behindert
Die Feuerwehr benötigte nach Angaben eines Sprechers 15 Minuten, um zum Gebäude der Marfin Bank vorzudringen. Demonstranten setzten Barrikaden sowie mehrere Autos und einen Wagen der Feuerwehr in Brand. Polizisten wurden mit Steinen beworfen.
Ein Teil der Demonstranten versuchte erneut, das Parlament zu stürmen. Vor dem Grab des Unbekannten Soldaten wurde die Ehrenwache vertrieben. Die Polizei ging mit Tränengas und Schockgranaten gegen die Menge vor, über dem zentralen Syntagma-Platz hingen dichte Tränengasschwaden.
Müllcontainer und Scherben blieben zurück
Am späten Nachmittag ging die Menge auseinander. Auf den Straßen blieben ausgebrannte Müllcontainer und die Scherben eingeschlagener Schaufenster zurück. Nach Angaben der Polizei wurden während der Zusammenstöße acht Menschen verletzt. Wegen Waffenbesitzes und Widerstands wurden acht mutmaßliche Randalierer festgenommen.
Präsident Papoulias verurteilt "abstoßende Gewalt"
Der griechische Präsident Karolos Papoulias beschrieb die Situation Griechenlands mit dramatischen Worten: Das Land befinde sich "am Rande des Abgrunds", sagte er bezugnehmend auf die getöteten Bankangestellten. Er habe keine Worte, um seinen Schmerz und seinen Zorn auszudrücken. Die drei seien Opfer "abstoßender Gewalt" geworden.
Papandreou appelliert an die Griechen
Auch die Abgeordneten des Parlaments berieten über die schwierige Lage. Mit einer Schweigeminute gedachten sie der Toten. Ministerpräsident Giorgos Papandreou sprach von Mord und kündigte eine entschlossene Strafverfolgung der Täter an. Die Täter würden gefunden und zur Rechenschaft gezogen, versicherte Papandreou den Hinterbliebenen. Es gelte nun, die Demokratie und den sozialen Zusammenhalt des Landes zu verteidigen.
Den harten Sparkurs verteidigte er erneut und rief das Land zum Zusammenhalt auf. Die mit den Euroländern und dem Internationalen Währungsfonds (IWF) vereinbarten Maßnahmen seien notwendig, um die Zukunft des Landes zu sichern, sagte der Regierungschef. Am morgigen Donnerstag stimmt das Parlament über das umfangreiche Paket zur Konsolidierung des maroden Staatshaushalts Griechenlands ab.
EU-Ratspräsident zeigt sich betroffen
Auch EU-Ratspräsident Hermann Van Rompuy zeigte sich betroffen über die Ereignisse. "Unsere Gedanken sind bei den Opfern in Athen", sagte er am Rande eines EU-Kanada-Gipfels in Brüssel.
Auch in Saloniki, wo etwa 20.000 Menschen auf die Straße gingen, kam es zu Zusammenstößen. Jugendliche warfen die Schaufenster von Geschäften und Fastfood-Restaurants ein.
Streik lähmt griechischen Luftverkehr
Vom Streikaufruf der Gewerkschaften war auch der öffentliche Verkehr betroffen. Alle Flüge wurden gestrichen, Züge und Fähren stellten ihren Betrieb ein. Auch Schulen, Krankenhäuser, Finanzämter und selbst die Akropolis blieben geschlossen. Journalisten schlossen sich dem Ausstand an, Sendungen in Rundfunk und Fernsehen wurden eingestellt. Viele TV-Kanäle zeigten statt aktueller Nachrichten Spielfilme aus den 1960er-Jahren.
Gewerkschaft plant weitere Streiks
Die Gewerkschaft der Staatsbediensteten distanzierte sich von der Gewalt. "Diese Aktionen haben nichts mit unserer Bewegung zu tun und gefährden unseren Kampf", sagte der stellvertretende Gewerkschaftschef Ilias Vrettakos. Doch der Kampf gehe weiter: Für kommende Woche kündigte er weitere Streiks an. Schon morgen werde ein neuer Streikaufruf für Anfang der Woche ergehen.
Die aktuellen Proteste der Gewerkschaften waren bislang der Höhepunkt des Widerstandes in Griechenland gegen die Sparpläne der Regierung. Nach Angaben der Polizei beteiligten sich allein in Athen rund 30.000 Menschen an der Demonstration, Augenzeugen gingen von mehr als 50.000 Menschen aus.
Umfragen: Mehrheit der Griechen für Sparkurs
Doch die Mehrheit der Griechen scheint mit den Sparplänen der Regierung einverstanden: Es wird geschätzt, dass sich die meisten Griechen nicht am Streik beteiligten und trotz unerbittlicher Aufrufe der Gewerkschaften arbeiteten.
Mehrere Umfragen griechischer Medien ergaben zudem, dass eine Mehrheit der Griechen hinter dem Vorgehen der Regierung steht. Entsprechend hält diese an ihrem Vorhaben fest, durch Steuererhöhungen und Lohnkürzungen in drei Jahren 30 Milliarden Euro zu sparen.
Sparplan erzwungen, Kredite gewährt
Die Staaten der Euro-Zone und der Internationale Währungsfonds (IWF) hatten ihre gemeinsamen Beistandskredite über 110 Milliarden Euro mit der Bedingung weiterer Sparmaßnahmen in Griechenland verknüpft.
Die Gewerkschaften räumen zwar ein, dass Ausgabenkürzungen nötig seien. Sie fordern aber, dass die Maßnahmen sozial ausgewogen sein müssten. "Es gibt andere Dinge, die die Regierung tun kann, bevor sie von einem Rentner Geld nimmt, der 500 Euro im Monat bekommt", sagte Spyros Papaspyros, Vorsitzender der Gewerkschaft ADEDY, die Beschäftigte im öffentlichen Dienst vertritt.
Der Kurs des Euros sank derweil erstmals seit mehr als einem Jahr auf weniger als 1,30 Dollar.