Springer verkauft Zeitschriftenpaket "Springer verabschiedet sich von Print"
Ausgerechnet die "Hörzu" und das "Hamburger Abendblatt": Axel Springers erste Zeitschrift und seine erste Zeitung verkauft der Verlag, im Paket mit weiteren Titeln. "Springer bereitet sich auf eine Zeit ohne Printausgabe der 'Welt' vor", sagt der Medienforscher Horst Röper im Gespräch mit tagesschau.de.
tagesschau.de: Herr Röper, Springer stößt mit "Hamburger Abendblatt", "Morgenpost", "Hörzu" und noch einigen anderen ausgerechnet Traditionsblätter des Verlages ab - und zwar jene Publikationen, die nicht zur Digitalstrategie passen. Ist das der Abschied von Print?
Horst Röper: Bei Springer gilt das schon länger. Schon vor einigen Jahren hat der Verlag Beteiligungen an Regionalblättern in Norddeutschland veräußert. Nun folgen Verkäufe in Märkten, die bisher für Springer als zentral galten: Hamburg und Berlin. Damit ist deutlich erkennbar, dass sich Springer immer mehr von den Printmedien verabschiedet.
tagesschau.de: Ist die Digitalstrategie der einzige Hintergrund, oder wird Springer damit auch ein Segment los, das Kosten verursacht?
Röper: Nein. Nach allem, was wir wissen, sind die verkauften Tageszeitungen wie auch Zeitschriften ertragreich. Man hat sich hier nicht von unliebsamen Kindern getrennt.
Matthias Döpfner, der Vorstandsvorsitzende der Axel Springer AG, hat schon vor Jahren als Strategie für den Konzern ausgegeben, künftig immer mehr auf das digitale Geschäft zu setzen. Das muss nicht unbedingt das journalistische Geschäft sein: Springer hat sich ja auch in vielen anderen, nicht-journalistischen Bereichen im Internet engagiert. Dazu verschafft er sich nun auch finanziellen Spielraum.
tagesschau.de: Wie sieht das bei anderen Verlagen aus? Ist Springer visionär damit, der Digitalstrategie eine solche Priorität einzuräumen?
Röper: Soweit würde ich nicht gehen. Burda beispielsweise hat schon sehr früh die Bedeutung des Internets gesehen und sein Unternehmen in Teilen darauf ausgerichtet. Beispielsweise hatten alle Printtitel aus dem Haus sehr früh einen Onlineauftritt. Allerdings hat Burda, was man kritisch sehen sollte, einen großen Teil seiner Onlineerlöse nicht im Journalismus erwirtschaftet, sondern durch Beteiligungen beispielsweise an Shoppingplattformen.
tagesschau.de: Was das journalistische Kerngeschäft im Netz betrifft, sind viele Verlage ratlos. Bei Springer werden aber verschiedene Dinge ausprobiert, und es wird klare Priorität gesetzt. Geht der Verlag damit anderen vorweg?
Röper: Auch andere Verlage haben versucht, den Onlinebereich bezahlpflichtig zu strukturieren. In früheren Jahren ist das gescheitert. Nun gibt es einen erneuten Versuch, Preise für publizistische Inhalte durchzusetzen. Ob das wirklich gelingt, wissen wir nicht.
Falls das aber nicht gelingen sollte, bekommen wir ein Finanzierungsproblem des Journalismus. Dafür waren die Werbeeinbußen im Printsegment in den vergangenen zehn Jahren zu hoch. Außerdem wird Online dafür zu wichtig. Nochmal: Es ist nicht vorstellbar, das auf Dauer aus den Printtiteln querzufinanzieren.
"Verlage können sich Querfinanzierung nicht mehr erlauben"
tagesschau.de: Vor zwei Monaten hat Springer teilweise eine Paywall bei "Bild" eingeführt. Hat diese Erfolg?
Röper: Natürlich heißt es, die Erfahrungen seien gut, aber genaueres ist noch nicht bekannt. Trotzdem: Für alle deutschen Verlage ist das maßgeblich, dass es Springer so im zweiten Anlauf gelingt, das Internet zu einer Erlöskraft zu machen. Bisher müssen alle Verlage die Online-Angebote aus dem Printmarkt querfinanzieren. Das können sich die Verlage mittelfristig nicht mehr erlauben bei der zunehmenden Bedeutung des Internets und des mobilen Empfangs. Die Verlage brauchen künftig die Erlöse aus diesem Segment.
"Online first"
tagesschau.de: Was bedeutet die aktuelle Entscheidung denn für die Flaggschiffe des Verlages, "Bild" und "Welt"? Plant Springer bereits für eine Zeit, in der es keine Print-"Welt" mehr gibt?
Röper: Ja, das hat Döpfner ja auch immer angekündigt. Schon vor Jahren hat er "online first" als Parole ausgegeben. Und das mündet letztlich darin, dass die Printmedien weiter an Bedeutung verlieren oder ganz vom Markt verschwinden werden. Für Springers Cash-Cow "Bild" gilt das aber sicher nicht.
tagesschau.de: Der Gesamtpreis für das Printpaket ist 920 Millionen Euro. Ist das ein guter Preis?
Röper: 920 Millionen ist für den deutschen Medienmarkt im Printbereich ein außergewöhnlich hoher Preis. Auch, wenn es nicht vergleichbar mit dem ist, was inzwischen für Internetunternehmen bezahlt wird.
"Da ist kein Speck vorhanden"
tagesschau.de: In der jüngeren Vergangenheit hat die Funke-Gruppe in ihren Häusern Redaktionen zusammengelegt und zahlreiche Journalisten entlassen. Der Deutsche Journalistenverband befürchtet nun, dass die Gruppe diese Personalpolitik auch bei den Springer-Blättern fortsetzt. Wie sehen Sie das?
Röper: Das hat Springer bei eben diesen Blättern ebenso getan. Die "Berliner Morgenpost" verfügt auch schon nicht mehr über eine eigenständige Redaktion, seit sie mit der "Welt" zusammengelegt wurde. Auch beim "Hamburger Abendblatt" nutzt man Synergiemöglichkeiten innerhalb des Springer-Verlages, beispielsweise mit der "Bild". Das wird sicherlich nun von der Funke-Gruppe ähnlich gehandhabt werden, beispielsweise bei Inlands- und Auslandskorrespondenten.
Völlig offen ist, wie die "Berliner Morgenpost" künftig aufgestellt wird: Sie hat ja derzeit keine eigene, vollwertige Redaktion.
Ich bezweifele aber, dass die Funke-Gruppe bei den Springer-Blättern viel einsparen kann, denn die leben schon an einer sehr kurzen Leine. Selbst wenn man unterstellt, dass die Funke-Gruppe heutzutage auf Rationalisierung gepolt ist: Sie wird dort nicht viel vorfinden. Da ist kein Speck vorhanden, der noch weggeschnitten werden könnte.
Das Interview führte Anna-Mareike Krause, tagesschau.de