Nachfolgerin Strauss-Kahns Lagarde wird neue Chefin des IWF
Das Rennen um den Chefposten des Internationalen Währungsfonds ist entschieden: Die französische Finanzministerin Lagarde rückt als erste Frau an die Spitze der Finanz-Organisation. Sie wird die Nachfolgerin des zurückgetretenen Strauss-Kahn.
Von Anna Engelke, NDR-Hörfunkstudio Washington
Vor dem Gebäude des Internationalen Währungsfonds (IWF) in Washington - dem künftigen Arbeitsplatz von Christine Lagarde - verkündete IWF-Sprecher David Hawley die Entscheidung, die alle erwartet hatten: Am 5. Juli, also bereits am kommenden Dienstag, soll die bisherige französische Finanzministerin ihren neuen Posten antreten.
Umgehend nach dem Rücktritt von Dominique Strauss-Kahn wegen Vergewaltigungsvorwürfen hatten sich die Europäer bereits Mitte Mai für die französische Ministerin ausgesprochen. Kurz vor der entscheidenden Sitzung des IWF-Exekutivrats signalisierten auch die USA ihre Unterstützung, genau wie China und Russland.
"Beide Kandidaten sind hoch qualifiziert"
Spätestens da war klar, dass der zweite Kandidat im Rennen um die Führungsposition - der mexikanische Notenbankchef Agustin Carstens - keine Chance haben würde. IWF-Sprecher Hawley formulierte es etwas diplomatischer: "Der Exekutivrat stimmt darin überein, dass beide Kandidaten hoch qualifiziert sind und dass die Entscheidung im Konsens getroffen werden soll."
Im Konsens konnte sich der IWF nur auf Lagarde einigen. Nach ihrer Wahl bedankte sich die Französin schriftlich für das Vertrauen der 187 IWF-Mitgliedsstaaten und betonte, alle Länder der Organisation gleich behandeln zu wollen. Gerade aufstrebende Volkswirtschaften wie China, Brasilien und Indien werden darauf achten. Sie hatten sich nach dem Rücktritt von Dominique Strauss-Kahn verärgert darüber gezeigt, dass der IWF seit seiner Gründung nach dem Zweiten Weltkrieg traditionell von einem Europäer geführt wird und im Gegenzug die Weltbank von einem Amerikaner.
Keine Einigkeit unter den Schwellenländern
Allerdings konnten sich die Schwellenländer nicht auf einen gemeinsamen Kandidaten wie den Mexikaner Carstens verständigen. "Es wird sehr interessant, welche Lehre die aufstrebenden Länder daraus ziehen und wie sie ihren Einfluss in den nächsten Jahren geltend machen", sagt der Leiter des renommierten Peterson Instituts für internationale Wirtschaft in Washington, Fred Bergsten: "Haben sie das Gefühl, sie hätten eine wichtige Chance verpasst oder denken einige von ihnen wie Indien und Brasilien, dass es keine große Sache ist?"
Nach ihrem Amtsantritt am 5. Juli hat die neue IWF-Chefin noch eine Zitterpartie vor sich. Am 8. Juli entscheidet Frankreichs Justiz, ob gegen Lagarde Ermittlungen wegen Amtsmissbrauch eingeleitet werden. Viele hoffen, dass dies nicht geschieht. Gerade jetzt in der Krise um den Euro und die drohende Staatspleite Griechenlands braucht der IWF eine unbeschädigte Führung. Denn der Währungsfonds ist an den Rettungspaketen für Griechenland, Irland und Portugal beteiligt.