Bauarbeiter arbeiten auf einer Baustelle in der Hafencity in Hamburg.

Jobmarkt schwächelt Konjunkturflaute hat Folgen für den Arbeitsmarkt

Stand: 26.04.2024 13:56 Uhr

Die Konjunkturflaute zeigt Wirkung auf dem Arbeitsmarkt: Einer Studie zufolge dürfte die Arbeitslosigkeit 2024 auf den höchsten Stand seit 2015 steigen. Die Unternehmen werden zögerlicher bei Neueinstellungen.   

Die Konjunkturflaute in Deutschland schlägt sich zunehmend auf den Arbeitsmarkt nieder. Die Arbeitslosigkeit dürfte im Durchschnitt dieses Jahres auf knapp 2,8 Millionen steigen und damit auf den höchsten Stand seit 2015. Das geht aus einer Studie des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) hervor. "Im vergangenen Jahr war der Arbeitsmarkt recht stabil, trotz Rezession", sagte IW-Arbeitsmarktexperte Holger Schäfer. "Doch in diesem Jahr bekommen wir die Folgen der Wirtschaftskrise stärker zu spüren."

Andere Wirtschaftsforschungsinstitute hatte zuletzt in ihrem Frühjahrsgutachten für die Bundesregierung für 2024 nur knapp 2,7 Millionen Arbeitslose erwartet. Im vergangenen Jahr war die Wirtschaft um 0,3 Prozent geschrumpft. Obwohl weniger Güter und Dienstleistungen produziert wurden, stieg die Zahl der Erwerbstätigen um 340.000 oder 0,7 Prozent.

Unternehmen zögern bei Neueinstellungen

Die Auswirkungen der Wirtschaftsschwäche werden sich nach Ansicht der IW-Experten nun stärker am Jobmarkt zeigen: "Die Beschäftigungspläne der Unternehmen lassen für den weiteren Jahresverlauf kein Wachstum erwarten", heißt es in der Analyse. "Die Zurückhaltung der Betriebe bei Neueinstellungen verschlechtern die Chancen von Arbeitsuchenden, eine passende Stelle zu finden." In der Folge steige die Arbeitslosigkeit weiter, so das IW.

Aktuelle Daten des ifo-Instituts zeigen, dass sich die deutsche Wirtschaft mit Neueinstellungen derzeit weiter zurückhält und untermauern damit die These des IW. Das Beschäftigungsbarometer sank im April von 96,3 Zählern im März auf 96,0 Punkte. "Auftragsmangel bremst bei einigen Unternehmen die Neueinstellungen aus", sagte der Leiter der ifo-Umfragen, Klaus Wohlrabe.

Die exportabhängige Industrie hat danach ihre Einstellungspläne zu Beginn des zweiten Quartals zurückgefahren: "Der Personalbestand soll verkleinert werden", so die ifo-Ökonomen. "Dies gilt insbesondere für energieintensive Branchen." Auch im Handel gibt es eine Tendenz zu weniger Personal. Bei den Dienstleistern konnte das Barometer dagegen im April leicht zulegen.

"Bestenfalls geringer Beschäftigungsanstieg"

Für den Rest des laufenden Jahres bleiben die Hoffnung des IW auf eine Belebung des Arbeitsmarkts bescheiden: Bestimmte Frühindikatoren sorgen laut IW aktuell für wenig Anlass zu Optimismus. "So fiel die Zahl der neu gemeldeten offenen Stellen im März auf den niedrigsten Stand der letzten fünf Jahre." Selbst bei einem günstigen Konjunkturverlauf sei für dieses Jahr bestenfalls mit einem geringen Anstieg der Erwerbstätigkeit zu rechnen.

"Weil geburtenstarke Jahrgänge das Rentenalter erreichen, besteht aber Ersatzbedarf und die Fachkräftelücke schließt sich kaum." Eine erlahmende Arbeitskräftenachfrage und fortgesetzter Fachkräftemangel schließen sich danach nicht aus.

Die Auswirkungen der Nettozuwanderung

Die Zahl der geleisteten Arbeitsstunden stieg nach Angaben des IW 2023 um 250 Millionen Stunden oder 0,4 Prozent. Dies führen die IW-Fachleute unter anderem darauf zurück, dass Firmen dazu neigen, Fachkräfte zu halten, auch wenn sie aktuell nicht ganz ausgelastet werden können.

Hintergrund sei hier das demografisch zu erwartende Verknappen des Arbeitskräfteangebotes. Dies könnten Unternehmen aber wohl nur bei kurzen konjunkturellen Durststrecken durchhalten. "Bei fortschreitender Dauer der Schwächephase ist mit zunehmender Wahrscheinlichkeit mit einer Anpassung des Personalbestandes zu rechnen, weil dauerhafte Produktivitätsrückgänge die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen untergraben."

Die Schaffung einer nennenswerten Zahl neuer Jobs habe 2023 nicht ausgereicht, um die Arbeitslosigkeit zu senken, erklärte das IW. Vielmehr gab es ein Plus von 190.000. Grund sei auch eine hohe Nettozuwanderung. Bereits 2022 gab es danach einen Wanderungssaldo von 1,5 Millionen Personen, darunter eine Million Geflüchtete aus der Ukraine. 2023 seien in den ersten elf Monaten weitere 650.000 Personen netto zugewandert.

Kaum Wachstum im Jahr 2024

Ob die Konjunktur in den kommenden Monaten ausreichend anziehen wird, um den Arbeitsmarkt zu stützen, ist zweifelhaft. Derzeit rechnet die Bundesregierung in ihrer Frühjahrsprojektion mit einem geringen Wachstum von 0,3 Prozent für das laufende Jahr. Zuvor hatte die Prognose bei 0,2 Prozent gelegen. Für das Jahr 2025 erwartet Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) ein Wachstum von 1,0 Prozent.

Der Internationale Währungsfonds (IWF) prognostiziert ein Wachstum von 0,2 Prozent. Im Januar hatte der IWF noch 0,5 Prozent Wachstum für die deutsche Wirtschaft in Aussicht gestellt. Das ist die schwächste Wachstumsprognose innerhalb der Gruppe der sieben führenden westlichen Industriestaaten (G7).

Als einen Hauptgrund nennt der IWF die weiter schwache Verbraucherstimmung in Deutschland. Als langfristiges Problem betonen die Ökonomen zudem die alternde Bevölkerung. Immerhin sagt der Währungsfonds für 2025 wieder ein Wachstum von 1,3 Prozent für Deutschland voraus.

Teilzeit-Beschäftigung nimmt leicht zu

Unterdessen hat sich der Trend zu mehr Teilzeit-Beschäftigung im vergangenen Jahr fortgesetzt. 2023 arbeiteten insgesamt 12,2 Millionen oder fast ein Drittel der Angestellten (30,9 Prozent) in reduziertem zeitlichem Umfang, teilte das Statistische Bundesamt heute mit. Ein Jahr zuvor hatte die Teilzeitquote noch 30 Prozent betragen. Sowohl bei Frauen als auch bei Männern hat der Statistikbehörde zufolge diese Form der Beschäftigung seit dem Jahr 2013 leicht zugenommen.

Weiterhin sind aber mehr angestellte Frauen als Männer nicht vollzeitbeschäftigt: Bei den weiblichen Angestellten arbeitete im vergangenen Jahr genau jede zweite in Teilzeit, bei ihren männlichen Kollegen waren es lediglich 13 Prozent. 2013 hatten noch 48 Prozent der Frauen und zehn Prozent der Männer weniger als Vollzeit gearbeitet. Die Teilzeitquote lag vor einem Jahrzehnt bei 28 Prozent.

Stimmung auf dem Arbeitsmarkt leicht aufgehellt

Laut Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) hat sich die Stimmung auf dem Arbeitsmarkt zuletzt tendenziell gebessert. "Die Arbeitsagenturen erwarten trotz der schwierigen wirtschaftlichen Situation einen stabilen Aufwärtstrend bei der Beschäftigung", teilte IAB-Experte Enzo Weber mit. "Bis zu einem Abbau der Arbeitslosigkeit ist noch ein Stück zu gehen, aber der Ausblick verbessert sich." Das Arbeitsmarktbarometer des IAB legte im April leicht um 0,2 Punkte auf 100,7 Punkte zu, teilte ein Sprecher heute mit.

Das IAB-Arbeitsmarktbarometer beruht auf Daten aller deutschen Arbeitsagenturen und deren Prognose für die jeweils nächsten drei Monate. Damit gilt es als Frühindikator für die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt. Ein Wert von 100 gilt als neutraler Ausblick, ein Wert unter 100 deutet eine negative Entwicklung an.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete tagesschau24 am 26. April 2024 um 11:00 Uhr.