Reicher Norden, armer Süden EU warnt vor sozialer Spaltung Europas

Stand: 08.01.2013 15:45 Uhr

Konjunkturflaute und Schuldenkrise haben die Erwerbslosigkeit in der Eurozone auf einen Höchststand getrieben. Im November waren 18,8 Millionen Menschen ohne Arbeit. Am schlimmsten ist es in Griechenland und Spanien. In ihrem Sozialbericht warnt die EU-Kommission vor der Spaltung Europas.

Die Arbeitslosenquote in der Eurozone ist auf ein neues Rekordhoch gestiegen: In den 17 Euro-Ländern waren im November 18,82 Millionen Menschen ohne Job. Das entspricht einer Quote von 11,8 Prozent, wie die EU-Statistikbehörde Eurostat mitteilte. Damit stieg die Zahl der Arbeitssuchenden um 113.000 im Vergleich zum Vormonat sowie um mehr als zwei Millionen innerhalb eines Jahres.

In allen 27 EU-Ländern zusammen stieg die Zahl der Arbeitslosen aufgrund der schlechten Entwicklung in der Eurozone auf mehr als 26 Millionen. Die Wirtschaft im Währungsraum war zuletzt zwei Quartale in Folge leicht geschrumpft und steckt damit nach gängiger Definition in der Rezession.

Am härtesten betroffen sind die Krisenländer Spanien und Griechenland, wo mehr als jeder Vierte keine Arbeit hat. In Spanien lag die Quote im November bei 26,6 Prozent, die aktuellste verfügbare Statistik für Griechenland aus dem September weist eine Arbeitslosenquote von 26,0 Prozent aus. Auch bei der Jugendarbeitslosigkeit stehen Spanien und Griechenland mit Quoten von 56,5 Prozent beziehungsweise 57,6 Prozent am schlechtesten da.

Niedrige Quoten in Deutschland, Luxemburg und Österreich

Deutschland gehört zu den Ländern mit den niedrigsten Arbeitslosenquoten. In Österreich waren Eurostat-Berechnungen zufolge im November 4,5 Prozent der Erwerbsfähigen arbeitslos, in Luxemburg 5,1 Prozent, in Deutschland 5,4 Prozent. Da die EU-Statistiker die Arbeitslosenquote nach anderen Kriterien berechnen als die deutsche Bundesagentur für Arbeit, weichen die Angaben der EU von den nationalen Werten ab.

EU-Sozialbericht warnt vor "neuer Kluft" in Europa

Zu einem für Südeuropa alarmierenden Ergebnis kommt auch der Sozialbericht, den EU-Sozialkommissar Lázsló Andor vorstellte. Fazit: Der Süden versinkt in Armut und Arbeitslosigkeit, der Norden und besonders Deutschland steigen auf. Von einer "neuen Kluft" sprach Andor, die sich künftig eher noch verstärken dürfte: "Die Randstaaten scheinen in der Abwärtsspirale von Leistungsabfall, schnell steigender Arbeitslosigkeit und erodierenden Einkommen gefangen."

Auch er verwies auf die Arbeitslosenquote: Habe die Quote der Staaten in Nord und Süd im Schnitt vor fünf Jahren noch nahezu gleichauf gelegen, klaffe sie heute 7,5 Prozentpunkte auseinander. Parallel dazu seien die realen Einkommen der Haushalte in zwei Dritteln der Mitgliedsstaaten gesunken. In Griechenland haben Familien laut Sozialbericht gegenüber 2009 fast ein Fünftel weniger Geld (17 Prozent), in Spanien acht und auf Zypern sieben Prozent weniger.

In den Nordländern, in Deutschland, Frankreich und Polen haben die Menschen dagegen trotz Krise mehr in der Tasche. "2012 war für Europa ein weiteres sehr schlechtes Jahr, was die Entwicklung der sozialen Lage betrifft", sagte Andor.

D. Müller, WDR Brüssel, 08.01.2013 15:06 Uhr

"Soziale Sicherungssysteme verbessern und Mindestlohn einführen"

Trotz aller Finanzprobleme rief Andor die betroffenen Regierungen dringend auf, etwas zur Verbesserung ihrer sozialen Sicherungssysteme zu tun. Vor allem müsse mehr in die berufliche Qualifizierung der Menschen investiert werden, es müsse eine bessere staatliche Arbeitsvermittlung geben: "Der Bericht zeigt, dass verbesserte Sozialsysteme die Widerstandskraft der Mitgliedsstaaten gegen wirtschaftliche Krisen erhöht und es leichter machen, aus der Krise herauszukommen. Das heißt, dass die Mitgliedsstaaten ihre Arbeitsmarkt- und sozialen Systeme weiter modernisieren müssen."

Noch im Frühjahr, so kündigte Andor an, will die EU-Kommission Vorschläge dazu machen. Auch Mindestlöhne empfiehlt er. Sie sorgten ebenfalls dafür, dass gering Qualifizierte bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben und dafür, dass die Einkommensschere zwischen Männern und Frauen schneller geschlossen werden kann.