Wie funktioniert der 480-Milliarden-Euro-Plan? Das Bankenrettungspaket im Detail
Mit einem 480 Milliarden Euro schweren, in der Geschichte der Bundesrepublik einmaligen Hilfspaket greift die Bundesregierung den deutschen Banken unter die Arme. tagesschau.de erläutert seinen Inhalt und die erwünschten Effekte.
Zusammengestellt von Nicole Diekmann und Ralph Sartor, tagesschau.de
Was ist der "Finanzmarktstabilisierungsfonds"?
Die Hilfen an die Finanzinstitute sollen über einen "Finanzmarktstabilisierungsfonds" geleistet werden. Dieser ist als Sondervermögen des Bundes angelegt, das vom Haushalt getrennt geführt wird - aber gleichzeitig eine Art Nebenhaushalt, der vom Staat gespeist werden muss. Der Fonds soll bis zum 31. Dezember 2009 begrenzt sein.
Als "Verwaltungs- und Abwicklungsorgan" für das Hilfspaket in Höhe von 480 Milliarden Euro wird die Finanzmarktstabilisierungsanstalt (FMSA) gegründet. Sie ist bei der Bundesbank angesiedelt, unterliegt aber der Rechts- und Fachaufsicht des Bundesfinanzministeriums. Sie erarbeitet Beschlussvorschläge zu Hilfe-Anträgen - und zu den Bedingungen dafür. Die FMSA kann selber über Anträge entscheiden, das Finanzministerium kann ihr aber auch Weisungen erteilen.
Wozu gibt es die Bürgschaften?
Der Fonds soll es ermöglichen, Bürgschaften bis zu 400 Milliarden Euro für so genannte Interbanken-Kredite zu übernehmen. Damit soll den Banken garantiert werden, ihr an andere Banken verliehenes Geld auf jeden Fall zurück zu bekommen. Diese Geschäfte gelten als wichtiges Finanzierungsinstrument für die Institute. Der Markt war aber zuletzt so gut wie lahm gelegt, da sich die Banken gegenseitig nicht mehr trauten. Die Folge: Den Banken fehlte Geld - und in einem zweiten Schritt bestand die Gefahr, dass sie nun auch Unternehmen und Privatkunden keine Kredite mehr gewähren könnten.
Das Risiko für die Kredit-Garantien beziffert der Bund auf fünf Prozent der Gesamtsumme - er schätzt also, dass die 400-Milliarden-Bürgschaften letztlich zu einem Ausfall von 20 Milliarden Euro führen könnten. Für diese Summe trifft der Bund "die haushaltsrechtliche Vorsorge". Für die Garantien erhält der Fonds eine "marktübliche Vergütung" - sie sind also für die Banken nicht kostenlos. Die Bürgschaften sollen spätestens am 31.12.2012 auslaufen.
Wozu dienen die geplanten direkten Finanzspritzen?
Notfalls will die Regierung den Banken auch direkt Geld zur Verfügung stellen. Bis zu 80 Milliarden Euro sieht das im Eilverfahren verabschiedete Gesetz dafür vor. So können die Banken ihr Eigenkapital erhöhen. Das ermöglicht ihnen zum einen die Vergabe neuer Kredite und erhöht zum anderen ihre Kreditwürdigkeit gegenüber anderen Banken. Als Obergrenze sind zehn Milliarden Euro pro Institut festgelegt.
Der Fonds kann außerdem Risikopositionen - wie etwa "faule" Kredite - übernehmen. Auch dafür wird eine "angemessene Verzinsung" verlangt. Der Fonds kann dabei beispielsweise eine Rückkaufverpflichtung zulasten des Finanzinstituts vereinbaren. Die Obergrenze für solche Risikoübernahmen beträgt fünf Milliarden Euro im Einzelfall.
Wie sehen die Gegenleistungen der Banken aus?
Im Gegenzug müssen die Firmen Auflagen erfüllen: So fordert die Bundesregierung Mitspracherecht: darüber, wofür die Banken die Finanzspritzen verwenden, über das geschäftspolitische Gebaren der Banken und über Dividendenausschüttungen an Aktionäre. Grundsätzlich soll darauf hingewirkt werden, dass die Geschäftspolitik von Finanzfirmen stärker am Grundsatz der Nachhaltigkeit ausgerichtet wird und Risiken abgebaut werden. Außerdem werden die Gehälter der Manager gedeckelt: Mehr als 500.000 Euro soll kein Bankvorstand verdienen, dessen Institut unter den Rettungsschirm geschlüpft ist.
Warum sollen die Bilanzierungsregeln der Banken gelockert werden?
Banken müssen in jedem Quartal ihre Bilanzen vorlegen. In diese Zahlen werden auch Wertpapiere eingerechnet. Sind diese Papiere zum Zeitpunkt der Bilanzierung im Kurs deutlich gefallen, so wie momentan, müssen die Banken diese Wertverluste abschreiben. Dadurch entstehen in den Büchern Milliardenverluste – das Eigenkapital der Bank sinkt, selbst wenn die Papiere langfristig eine gute Prognose haben. Diese Regelung soll gelockert werden, indem die Banken ihre Papiere mit einem längerfristigen Durchschnittswert und nicht mit dem punktuell ermittelten Wert angeben und berechnen müssen.
Was bedeutet das für den 2011 angepeilten ausgeglichenen Haushalt?
In einem Punkt ist sich die Große Koalition einig: Das Vorhaben von Bundesfinanzminister Peer Steinbrück, 2011 erstmals seit 1969 keine neuen Schulden aufnehmen zu wollen, ist gefährdet. Bundeskanzlerin Angela Merkel rechnet angesichts der Finanzkrise und der schlechteren Wachstumsaussichten bereits mit Auswirkungen auf die Finanzplanung. Das Ziel eines ausgeglichenen Haushalts werde sich möglicherweise bis 2011 nicht erreichen lassen, sagte die Kanzlerin. Das Ziel, künftig ohne neue Schulden auszukommen, sei aber richtig und bleibe weiter bestehen. Ähnlich hatte sich bereits Finanzminister Steinbrück geäußert.
Zwar rechnet niemand damit, dass die 400 Milliarden Euro Garantien tatsächlich in Gänze ausgezahlt werden müssen – sie sollen ja gerade bewirken, dass sich der Sektor wieder beruhigt. Außerdem soll der Bund für eventuelle Finanzspritzen im Gegenzug beispielsweise Aktien oder Genussscheine erhalten, die der Staat in besseren Zeiten wieder mit Gewinn verkaufen könnte. Zunächst aber müssen diese Finanzspritzen über neue Schulden finanziert werden.