Votum nicht nur im Haushaltsausschuss Alle Abgeordneten sollen über EFSF abstimmen
Die Koalition gibt nun doch der Forderung der Opposition nach: Der gesamte Bundestag soll über die Ausweitung des Euro-Rettungsschirms EFSF entscheiden. Bislang pochte Schwarz-Gelb darauf, dass dafür der Haushaltsausschuss zuständig sei. Wie der Kredithebel für den EFSF aussehen soll, wird immer klarer.
Vor dem EU-Gipfel am Mittwoch sollen nun doch alle Bundestagsabgeordneten und nicht nur die Mitglieder des Haushaltausschusses über die Stärkung des Euro-Rettungsschirms EFSF entscheiden. Darauf verständigten sich die Vorsitzenden der Bundestagsfraktionen bei einem Treffen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel. Bislang hatte die Koalition die Forderung der Opposition vehement abgelehnt, das Plenum des Parlaments über die neuen Leitlinien zur Arbeit des EFSF abstimmen zu lassen. Mit den Stimmen von Schwarz-Gelb hatte der Haushaltsausschuss erst am Freitag beschlossen, das Votum nicht ins Plenum zu verlagern.
Abstimmung nach Regierungserklärung am Mittwoch
Nach der Kehrtwende der Koalition erklärte SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier: "Damit haben die Regierungsparteien gerade noch einmal die Kurve gekriegt." Dass die EFSF-Stärkung nun doch im Plenum diskutiert werden solle, sei angemessen. Er ließ das Abstimmungsverhalten der SPD aber offen. Steinmeier kritisierte, dass Merkel noch keine konkreten Papiere und damit Entscheidungsgrundlagen vorgelegt habe. "Wir sind bis heute nicht in der Lage, über konkrete Texte zu reden", beklagte er. Auch Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin begrüßte die geplante Entscheidung im Bundestags-Plenum. Damit sei die Koalition einer Forderung der Grünen endlich nachgekommen.
Voraussichtlich wird der Bundestag am Mittwoch im Anschluss an die für mittags geplante Regierungerklärung von Kanzlerin Merkel über die EFSF-Leitlinien entscheiden. Die Kanzlerin benötigt parlamentarische Rückendeckung, damit sie anschließend beim EU-Gipfel den Plänen für einen Kredithebel beim Euro-Rettungsschirm zustimmen kann.
Details des Kredithebels werden klarer
Die entscheidende Veränderung des EFSF, die eine parlamentarische Unterstützung erfordert, ist die Einführung eines sogenannten Kredithebels. Bislang stehen dem Rettungsschirm 440 Milliarden Euro zur Verfügung, für die die Staaten der Euro-Zone bürgen. Ohne diese Garantien zu erhöhen, soll aber künftig mit Hilfe des EFSF weitaus mehr Geld in die Unterstützung hoch verschuldeter Staaten fließen. Die vorhandenen Finanzmittel müssen dafür so eingesetzt werden, dass auch andere Geldgeber einen Beitrag leisten. Diese sogenannte Hebelung soll vor allem durch die Einbindung privater Investoren gelingen.
Merkel nannte beim Gespräch mit den Fraktionsvorsitzenden, bei dem sich Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler und FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle vertreten ließen, einige Details des geplanten Kredithebels. "Es ist klar, dass diese Hebelung in einer Größenordnung liegen wird, die jenseits einer Billion Euro liegt", berichtete Trittin im Anschluss. Die Konditionen dafür habe die Regierung noch nicht genannt. Der Vorsitzende der Linkspartei, Klaus Ernst: "Alles wird viel, viel teurer." Klar sei nun, dass der EFSF mit Hebeln deutlich erhöht werden soll: über die bekannte Versicherungslösung und über die Beteiligung anderer Akteure - darunter der Internationale Währungsfonds. Damit werde das Risiko für die Bürger steigen.
Zwei Hebelmodelle vorgesehen
Dem Bundestag wurde mittlerweile der Entwurf für die EFSF-Leitlinien übermittelt. Diese enthalten zwei Möglichkeiten für einen Kredithebel. Das erste Modell beschreibt eine Variante, bei der der Rettungsschirm wie eine Teilkaskoversicherung fungiert. Um privaten Investoren den Kauf von Staatsanleihen hoch verschuldeter Euro-Länder schmackhaft zu machen, soll er dabei mit seinem vorhandenen Geld einen Teil des Verlustrisikos übenehmen. Wenn eine Regierung den Käufern der Staatsanleihen das geliehene Geld nicht zurückzahlen kann, müsste der EFSF einen Teil dieser Summe übernehmen. Auf dem restlichen Verlust bliebe der Investor aber sitzen. Wie groß der abgesicherte Anteil sein soll, bleibt in dem Entwurf der Leitlinien offen.
Verschiedene Risikoklassen für Staatsanleihen
Auch das zweite Modell für eine Hebelung betrifft den Markt für Staatsanleihen. Es sieht vor, eine oder mehrere Zweckgesellschaften zu gründen. Diese sollen neu ausgegebene oder bereits an den Kapitalmärkten gehandelte Staatsanleihen aufkaufen. Die Papiere werden dann je nach Risiko in verschiedene Klassen eingeteilt. Investoren, die ihr Geld der Zweckgesellschaft zur Verfügung stellen, könnten dann zwischen den einzelnen Risikoklassen und Renditechancen wählen. Auch hierbei könnte der EFSF einen Teil des Ausfallrisikos übernehmen. Beide Modelle seien miteinander kombinierbar, heißt es in dem Papier. Kritiker fürchten, die finanziellen Risiken für die deutschen Steuerzahler könnten durch die beiden Varianten steigen.
Hebelung Streitpunkt innerhalb der EU
Die genaue Ausgestaltung des Kredithebels sorgte in den vergangenen Tagen vor allem zwischen Frankreich und Deutschland für Streit. Weil es nicht rechtzeitig zu einer Einigung kam, gelang es Merkel auch nicht mehr, rechtzeitig vor dem gestrigen EU-Gipfel die Unterstützung des Bundestages einzuholen. Dadurch ist die endgültige Entscheidung erst am Mittwoch möglich.