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Stellenabbau bei Autokonzern Wie geht es weiter bei VW?

Stand: 18.11.2016 17:30 Uhr

Bis zu 23.000 Stellen will VW allein in Deutschland streichen. Ist das der Anfang vom Ende des Konzerns - oder wappnet sich der Autobauer damit für die Zukunft? Und was bedeutet das für die Leiharbeiter und Zulieferer? tagesschau.de gibt Antworten.

Was genau sieht der "Zukunftspakt" vor?

Weltweit will VW bei seiner Kernmarke bis 2025 rund 30.000 Stellen streichen. Allein in Deutschland sollen bis zu 23.000 Jobs wegfallen - ein schmerzhafter Einschnitt für die Belegschaft. Damit und durch andere Maßnahmen sollen die Ausgaben um etwa 3,7 Milliarden Euro pro Jahr sinken. Der gesamte Konzern beschäftigt insgesamt mehr als 610.000 Menschen (2011 waren es noch 500.000), davon allein in Deutschland rund 280.000.

Gleichzeitig sollen aber 9000 neue Arbeitsplätze entstehen, vor allem im IT- und Elektronik-Bereich, und 3,5 Milliarden Euro in Elektromobilität und andere Zukunftsfelder wie Digitalisierung und autonomes Fahren fließen. Damit will der Vorstand den Konzern fit für die Zukunft machen - die nach einhelliger Meinung von Experten langfristig vor allem elektronisch sein wird. Ein weiteres Ziel ist es, die Rendite und den Umsatz zu steigern: Das Unternehmen will mit weniger Menschen mehr Autos bauen. Konzernchef Matthias Müller bezeichnet das Vorhaben daher als das "größte Reformprogramm in der Geschichte der Kernmarke unseres Konzerns".

VW-Arbeiter

Die Angestellten bei VW müssen schmerzhafte Einschnitte hinnehmen - etwa jede zehnte Stelle soll wegfallen.

Beobachter sehen den Umbau aber nicht nur als reine Sparmaßnahme, sondern auch als nötigen Aufbruch. Mobilitätsexperte Stefan Bratzel sagte gegenüber tagesschau.de, die Transformation in Richtung Elektromobilität hätte sich sowieso früher oder später vollzogen. Dass bei dieser Umstellung Jobs wegfielen, sei nicht ungewöhnlich. EIn Grund: Für einen Elektromotor brauche man nur halb so viele Bauteile wie für einen konventionellen Verbrennungsmotor - daher brauche man auch weniger Arbeiter, um diesen zusammenzusetzen. Zudem seien andere Berufsbilder gefordert, etwa im Bereich Digitalisierung oder Batterietechnik und -verarbeitung.

Wer muss gehen?

Die Konzernführung hat versprochen, dass es keine betriebsbedingten Kündigungen geben wird. Der Stellenabbau soll größtenteils über Altersteilzeitregelungen geschehen. Dies gilt freilich nicht für die Tausenden Leiharbeiter, die in den VW-Werken beschäftigt sind. Für sie wird es wohl keine Zukunft mehr im Firmengeflecht des Konzerns geben. "Hier konnten wir keine zufriedenstellende Lösung finden", räumt Ingrid Gier von der IG Metall im Gespräch mit tagesschau.de ein.

In den anderen Punkten unterstützen die Arbeitnehmervertreter den Kurs der Konzernführung aber. VW-Betriebsratschef Bernd Osterloh zeigte sich zuversichtlich: "Mit dem Zukunftspakt schaffen wir den Einstieg in eine neue Ära. Er stellt nach langem Ringen einen tragbaren Kompromiss dar." Für die Stammbelegschaft gebe es Beschäftigungsgarantien bis Ende 2025. Und IG-Metall-Sprecherin Gier betont: "Wichtig ist, dass die Sparprogramme an Produktivitätsziele gekoppelt sind." Dies betreffe etwa die Steigerung der Absatzzahlen, aber auch den Ausbau von Zukunftstechnologien, die nachhaltiges Wachstum sichern sollen. Dazu zählten beispielsweise autonomes Fahren, Digitalisierung und neue Mobilitätskonzepte. Sollten die vereinbarten Ziele nicht erreicht werden, müsse nachverhandelt werden.

Auch die Politik trägt den Kurs von VW mit. Der Ministerpräsident des wichtigen VW-Anteilseigners Niedersachsen, Stephan Weil, bedauerte zwar den Arbeitsplatzabbau. Dieser sei jedoch nötig. Um seine Zukunft zu sichern, müsse Volkswagen wettbewerbsfähiger und wirtschaftlicher werden, sagte der SPD-Politiker.

Was bedeutet der Umbau für die Zulieferer?

Der Umbau wird sich nach Meinung der Experten direkt auf die Zulieferer übertragen. "Viele vor allem kleinere Betriebe werden sich ebenfalls umstrukturieren müssen", so Bratzel. "Und es werden sicherlich auch einige dabei auf der Strecke bleiben." Dadurch könnte die Zahl der Arbeitsplätze, die der Umbau kostet, indirekt noch ansteigen - zumal die Krise bei VW die Zulieferbranche schon länger belastet. Wichtig sei es, so Bratzel, dass die Unternehmen die Transformation hin zu mehr Elektromobilität und Digitalisierung mitmachten.

Niedersachsens Wirtschaftsminister Olaf Lies ist dagegen optimistisch: "VW wird in Niedersachsen investieren und Tausende Arbeitsplätze neu schaffen." Er will sich in Kürze mit Vertretern der Zulieferindustrie in Niedersachsen treffen, um mit ihnen die Auswirkungen der Pläne zu besprechen.

18.11.2016 11:48 Uhr

Welche Rolle spielt die Abgasaffäre?

"Die Dieselgate-Affäre hat das neue Konzept forciert, ist aber nicht alleinige Ursache", sagt NDR-Reporter Thorsten Hapke. Klar ist: Durch die Rechtsstreitigkeiten in den USA und Verluste an den Aktienmärkten hat VW viel Geld verloren, das das Unternehmen jetzt an anderer Stelle einsparen muss. Einige Beobachter sehen aber in dem Skandal daher die nötige Triebfeder, die eine Restrukturierung ausgelöst hat, die früher oder später sowieso nötig gewesen wäre. So betont der Professor für Automobilwirtschaft, Ferdinand Dudenhöffer, dass die Wende "fünf Jahre früher sicher besser gewesen wäre. Der Konzern war lange blockiert. Für die nächsten Jahre sollten bei dem Konzern nun in Werke und Anlagen, vor allem aber in die Zukunftsthemen Elektromobilität und Digitalisierung Milliarden investiert werden."

Es ist also eine kleine Ironie der Geschichte, dass die Abgasaffäre - die auch negative Auswirkungen auf die Umwelt hat - nun möglicherweise die Triebfeder für einen Wandel hin zu mehr ökofreundlicher Elektromobilität werden könnte. Bis 2025 will Europas größter Autobauer jeden fünften Wagen mit einem Elektromotor ausstatten. Bei derzeit etwa zehn Millionen Autos pro Jahr macht das die enorme Menge von mehr als zwei Millionen Elektroautos - ein ehrgeiziger Plan.

VW-Elektroauto

Beobachter hoffen, dass der Konzernumbau einen wichtigen Schritt hin zu mehr Elektromobilität bedeutet.

Welchen Herausforderungen muss sich VW künftig stellen?

Neben der Elektromobilität spielen vor allem neue Mobilitätskonzepte eine große Rolle in den Planungen. Dazu zählen etwa das breite Feld des autonomen Fahrens oder Carsharing in Ballungszentren. Vor allem bei letzterem hinken die Wolfsburger der Konkurrenz von BMW oder Daimler hinterher. "Uns allen ist bewusst: Die eigentliche Arbeit beginnt erst jetzt", resümierte VW-Chef Müller die Umbaupläne.

Und auch mit Blick auf die anderen Zukunftstechnologien hat VW - genau wie die anderen großen Autobauer in Deutschland - enormen Nachholbedarf: Hybrid- oder E-Autos kommen vor allem aus Japan und den USA; und beim autonomen Fahren macht vor allem der Internetkonzern Google von sich reden. Das fehlende Angebot an Elektroautos in Deutschland führt sogar zu der grotesken Situation, dass die Deutsche Post - sonst guter Kunde der großen Auomobilkonzerne - eigene E-Fahrzeuge entwickelt. Mittlerweile fahren mehr als 1000 E-Paketmobile durch Deutschland, gebaut von einem jungen Aachener Unternehmen.

Ein Elektrofahrzeug der Post

Rund 1000 dieser Elektroautos liefern Pakete in Deutschland aus. Gebaut werden sie nicht von einem der großen Automobilkonzerne, sondern von dem Aachener Start-Up StreetScooter.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete tagesschau24 am 18. November 2016 um 11:30 Uhr.