Vor EU-Afrika-Gipfel Wirtschaftswunder mit Schattenseiten
Zwei Tage lang beraten von heute an Europas Regierungschefs mit ihren Kollegen aus mehr als 50 afrikanischen Staaten. Der Kontinent wird für Investoren immer attraktiver. Doch das afrikanische Wirtschaftswunder hat auch seine Schattenseiten.
Über viele Jahre galt Afrika als der verlorene Kontinent. Doch längst ist auch das andere Afrika in den Blickpunkt geraten: Ein Wirtschaftswunder mit Wachstumszahlen, von denen Industrienationen nur träumen können.
Das Bild von Hunger, Krieg und Elend allein stimme längst nicht mehr, sagt Ingo Badoreck, Leiter der deutschen Auslands-Handelskammer in Kenia: "Wir sehen hier ganz stabile Wachstumsraten auf dem afrikanischen Kontinent zwischen vier und zwölf Prozent, und wir haben den Eindruck, dass die afrikanischen Regierungen teilweise ihre Hausaufgaben gemacht haben." Dies betreffe den Investorenschutz mit besseren rechtsstaatlichen Rahmenbedingungen - "und vor allen Dingen auch eine Bereitschaft, proaktiv auf Investoren aus Europa zuzugehen."
Immer mehr Niederlassungen deutscher Unternehmen
Entsprechend deutlich nimmt die Zahl deutscher Unternehmen mit Niederlassungen in Kenia zu. Das Handelsvolumen beider Länder stieg zuletzt um mehr als 20 Prozent auf insgesamt 415 Millionen Euro.
Der Anteil kenianischer Exporte beträgt dabei mehr als ein Viertel. Das weiß auch der Ökonom und Entwicklungshilfe-Kritiker James Shikwati zu schätzen, der seit Jahren Handel auf Augenhöhe statt Hilfe fordert. "Wenn wir ständig mit Lebensmittelhilfe überschüttet werden, dann stirbt unsere Fähigkeit, selbst zu denken und zu handeln. So macht ihr uns zu Bettlern."
Nur wenige profitieren vom Wirtschaftserfolg
Einheimische Experten kritisieren das afrikanische Wirtschaftswunder jedoch als statistische Illusion. Das Wachstum konzentriere sich in den Händen weniger, die Schere zwischen Arm und Reich gehe weiter auseinander. Ein Grund: Die Wertschöpfung, also die Weiterverarbeitung von Rohstoffen oder landwirtschaftlichen Produkten, findet außerhalb statt, bestätigt Ingo Badoreck: "Wenn man die Wertschöpfungskette hierher bringt, eine lebensmittelverarbeitende Industrie aufbaut, die Sachen hier verpackt und dann auf den Weltmarkt gibt - dann hätten diese Länder natürlich einen viel größeren Anteil an der Wertschöpfung."
Nach seinen Worten gibt es immer mehr Unternehmen, die auch in Afrika produzieren. "Die Firma Beiersdorf stellt hier Hautpflegeprodukte für den ganzen ostafrikanischen Markt her, die Firma Henkel produziert hier, die Firma BASF hat gerade mit ihrer Produktion angefangen", so Badoreck.
Afrika müsse wettbewerbsfähig werden, nur dann könne sich etwas ändern und nur dann entstünden Arbeitsplätze, sagt Shikwati: "Wir müssen uns klarmachen, dass auf dem Weltmarkt gewisse Standards verlangt werden. Und oft erfüllen afrikanische Produkte diese Standards nicht."
Chinesen investieren - vor allem in Straßen und Schienen
Einen erheblichen Anteil am afrikanischen Wachstum hat vor allem China. Chinesische Investitionen erreichen ein so atemberaubendes Volumen, dass Wettbewerber im Westen von Neokolonialismus sprechen. Beim Straßen- oder Eisenbahnbau ist China konkurrenzlos stark.
Für die deutsche Wirtschaft in Afrika sieht Badoreck aber keine Gefahr. "Unsere Stärke hier ist der Export von Maschinen, von Chemie, von bestimmter Technik. Und in diesem Bereich sind deutsche Firmen Weltmarktführer und haben sich hier über Jahre ihre Nische erarbeitet. Und in diesen Kernbereichen der deutschen wirtschaftlichen Tätigkeit bedrohen uns die Chinesen nicht."