Ein Zug von Flixtrain im Hauptbahnhof Stuttgart.
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Mehr private Fernzüge geplant Steigt FlixTrain zum ernsthaften Bahn-Rivalen auf?

Stand: 25.04.2024 17:57 Uhr

Die Fernzug-Anbieter FlixTrain will seine Verbindungen stark ausbauen. Im Sommer sollen die Kapazitäten 40 Prozent höher sein als im Vorjahr. Ist das realistisch? Und für wen sind die günstigen Züge attraktiv?

Von Till Bücker, ARD-Finanzredaktion

Zugreisende können sich künftig auf mehr Auswahl auf den Schienen freuen. Denn die Fernzug-Plattform FlixTrain will ihr Angebot in den kommenden Wochen und Monaten deutlich ausweiten und unter anderem zusätzliche Verbindungen auf den Strecken Berlin-Köln sowie Berlin-Frankfurt aufnehmen. "Ab sofort vergrößert der Fernzuganbieter sein Angebot sukzessive - und plant im Sommer rund 40 Prozent mehr Kapazitäten als 2023 zu erreichen", teilte das Unternehmen heute mit.

Dutzende neue Halte geplant

Das gesamte Angebot soll künftig mehr als 150 Halte in ganz Deutschland umfassen. Zur Ausweitung gehört etwa auch die Wiederaufnahme der Strecke zwischen Berlin und Mainz, die aufgrund von Bauarbeiten längere Zeit nicht angeboten werden konnte. "Wir sehen eine enorme Nachfrage nach einem alternativen Angebot auf der Schiene", sagte Flix-Mitgründer André Schwämmlein.

Auf bestehenden Verbindungen sollen daher Dutzende weitere Halte hinzukommen. Darüber hinaus sollen die Züge statt bisher viermal am Tag künftig sechsmal zwischen Berlin und dem Rheinland verkehren. Zwischen Berlin und Frankfurt wird die Frequenz von sechs auf acht Fahrten pro Tag erhöht. 2023 hatte FlixTrain noch wegen der Einführung des Deutschlandtickets an einigen Stellen die Taktung reduziert und die Frequenzen gekürzt.

Zahlreiche Fahrgäste hatten die günstige Fahrkarte als Alternative zum teureren Fernverkehr genutzt - und stiegen auch beim Bahnkonkurrenten Flixtrain seltener ein. Aktuellen Zahlen des Verbands Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) zufolge gehört jeder zweite Inhaber des 49-Euro-Tickets zu den dauerhaften Nutzerinnen und Nutzern, die es seit Beginn ununterbrochen besitzen. Inzwischen erlebt aber auch die Nachfrage nach Fernzügen einen regelrechten Boom.

Züge zu zwei Dritteln ausgelastet

Flix SE wurde im Jahr 2013 als Startup FlixBus in München gegründet. Ursprünglich war es vor allem für Fernbusse bekannt und stieg nach und nach zum Marktführer in Deutschland auf. Seit 2018 bietet Flix unter der Marke FlixTrain zudem Zugverbindungen an. Das Unternehmen betreibt dabei keine eigenen Fahrzeuge, - weder auf der Straße noch auf der Schiene - sondern kooperiert stattdessen mit Bus- und Bahnbetrieben. Flix vermittelt auf ihrer Plattform lediglich die Fahrten.

Schon seit einigen Jahren baut das Unternehmen sein Angebot auf der Schiene als einziger größerer Wettbewerber der Deutschen Bahn im Fernverkehr stetig aus. Mittlerweile bietet FlixTrain nach eigenen Angaben viele tägliche Verbindungen zwischen rund 50 Städten in Deutschland und Schweden an -  mit einem ohne Aufpreis inbegriffenen Sitzplatz. Konkrete Fahrgastzahlen in den Zügen veröffentlicht Flix zwar nicht. Die Auslastungsrate der FlixTrains betrage aber rund 65 Prozent, teilt eine Sprecherin tagesschau.de mit.

"Der kontinuierliche Ausbau der FlixTrain-Verbindungen spricht für die Akzeptanz des Angebots bei den Kunden", sagt Dirk Flege, Geschäftsführer beim Verband Allianz pro Schiene, gegenüber tagesschau.de. Da der Personenfernverkehr auf der Schiene in Deutschland anders als der Nahverkehr eigenwirtschaftlich betrieben werde, müsse sich ein Ausbau schließlich betriebswirtschaftlich erst einmal rechnen.

Weniger für Reisen an bestimmten Terminen geeignet

Nach wie vor wird der Fernverkehr hierzulande aber von der Deutschen Bahn dominiert - mit Abstand. Nach Angaben der Bundesnetzagentur lag der Marktanteil der Deutschen Bahn im Fernverkehr 2022 bei 96 Prozent. 2023 reisten laut dem bundeseigenen Konzern mehr als 140 Millionen Menschen mit seinen Fernzügen. Zum Vergleich: Bei Flix betrugen die Fahrgastzahlen in ganz Europa im vergangenen Jahr 55 Millionen - drin sowohl die Reisenden mit den Fernbussen als auf den Fernverkerhszügen.

Der Fahrgastverband Pro Bahn verweist allerdings auf unterschiedliche Zielgruppen. "FlixTrain ist ein gutes Angebot im unteren Preissegment. Es wird von Leuten mit kleinem Geldbeutel gerne genutzt - gerade für touristische Fahrten", sagt Bundesvorsitzender Detlef Neuß im Gespräch mit tagesschau.de. Wenn eine mögliche Verspätung kein großes Problem sei, - wie bei Fahrten mit dem Kegelverein oder Fußballmannschaften - seien die meist etwas älteren und langsameren Züge, die oft weniger ausgelastete Strecken nutzen, eine gute Alternative zur Bahn.

Ob FlixTrain aber zu geschäftlichen Zwecken und für zeitlich kritische Termine geeignet sei, stehe auf einem anderen Blatt, so Neuß. Neben der oftmals längeren Fahrtdauer gebe es zum Beispiel auch kein Bordrestaurant, was zu den geringen Preisen nachvollziehbar sei. "FlixTrain will nicht mit einem höherwertigen ICE Sprinter von Köln nach Berlin konkurrieren, sondern ist eher vergleichbar mit einem IC", betont der Experte.

Pünktlichkeitsquote liegt bei rund 78 Prozent

Mit dem erweiterten Streckennetz haben Fahrgäste möglicherweise auch weniger Probleme bei Verzögerungen oder Annullierungen. Denn wenn ein FlixTrain über eine Stunde verspätet ist, können Reisende mit ihrem Ticket lediglich einen anderen FlixTrain oder einen FlixBus nutzen. Auf Züge der Deutschen Bahn darf bei Ausfällen nicht umgestiegen werden. Die zusätzlichen Kosten für eine DB-Fahrkarte werden nur dann erstattet, wenn dem Fahrgast die verfügbaren Optionen für eine Weiterreise nicht binnen 100 Minuten mitgeteilt werden.

Nach dem Qualitätsbericht von FlixTrain waren die Betriebsstörungen Hauptgründe für Beschwerden von Kundinnen und Kunden. So gab es im Berichtsjahr 2022 insgesamt rund 42.000 Beschwerdefälle und Erstattungsanträge. Die Reisenden-Pünktlichkeit stieg zwar leicht an. Dennoch erreichten nur 78,1 Prozent der FlixTrain-Fahrgäste ihr Reiseziel mit maximal oder weniger als 15 Minuten Verspätung.

Zur Begründung verweist FlixTrain immer wieder auf Infrastrukturstörungen, sprich auf das marode Schienennetz, das von der hundertprozentigen Tochter der Deutschen Bahn, der DB InfraGO AG, betrieben wird. "Die Zuverlässigkeit der FlixTrain-Züge leidet genau wie die der ICEs unter den vielen Baustellen im Schienennetz und dem generell verbesserungswürdigen Zustand des Netzes", meint auch Allianz pro Schiene-Geschäftsführer Flege.

FlixTrain von Deutscher Bahn abhängig

Darüber hinaus müssen FlixTrains laut Neuß auch häufiger warten, um etwa verspätete ICEs der Deutschen Bahn vorzulassen. "Es gibt bei den Fahrdienstleitern eine sogenannte Wertigkeitsreihenfolge, welche Züge wichtiger sind und wo man Verspätungen in Kauf nimmt." FlixTrains seien beispielsweise höher eingestuft als die Nahverkehrszüge, allerdings unterhalb von ICs und ICEs, so der Bundesvorsitzende von Pro Bahn. Offiziell dürfe zwar keine Benachteiligung stattfinden, in der Realität sei das aber oft anders - schon allein wegen der unterschiedlichen Geschwindigkeit der Züge.

Flege nennt die ungleiche Behandlung von Zügen dagegen ein Narrativ: "Gesetzlich dürfen weder Fern- noch Nahverkehrszüge anderer Anbieter von der DB InfraGO AG diskriminiert werden." Als Betreiber der Schieneninfrastruktur sei das Unternehmen verpflichtet, Konkurrenzangebote aufs Netz zu lassen, wenn es freie Trassen gibt. Diese gesetzliche Vorgabe sei weitgehend deckungsgleich mit der Praxis. "Beschwerden gibt es nur punktuell", meint Flege.

Dennoch sind sich die Experten einig, dass die Ausweitung des FlixTrain-Angebots neben dem nötigen Personal und der Zahl von Zügen auch von der Trassenzuweisung und der Modernisierung des Netzes durch die Deutsche Bahn abhängt. "Wenn es zu Verzögerungen in der Instandhaltung des Netzes kommt, verzögert das logischerweise auch den Betrieb - wovon auch FlixTrain betroffen wäre", erklärt Neuß.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete SWR DASDING am 25. April 2024 um 09:00 Uhr.