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Europawahl 2024

Zwei Männer unterhalten sich, während sie einen Gang eines Gebäudes entlanggehen.

Von Beratung bis Einflussnahme Ist Brüssel in der Hand von Lobbyisten?

Stand: 16.05.2024 11:24 Uhr

Es ist ein hartnäckiger Vorwurf: Europapolitik sei ein undurchsichtiger Filz, Lobbyisten bestimmten die Geschicke der Union. Dabei sind sich Experten einig, dass in Brüssel vergleichsweise strenge Lobby-Regeln herrschen.

Brüssel ist ein Paradies für Lobbyisten. In Europas Hauptstadt werden die Regeln für den größten Binnenmarkt der Welt bestimmt - kein Wunder, dass Interessengruppen versuchen, die Regeln mitzugestalten.

Etwa 12.000 Lobbyisten sind in Brüssel registriert. Von den großen Verbänden wie der Chemie- und Autoindustrie bis zu Umweltgruppen, Nichtregierungsorganisationen und Denkfabriken sind alle vertreten.

Wer sind die größten Lobbyisten?

Keine Branche steckt so viel Geld in die Lobbyarbeit wie die großen US-amerikanischen Internet-Konzerne. An der Spitze liegt Meta, Betreiber der sozialen Netzwerke Facebook und Instagram, mit Lobby-Investitionen von zuletzt acht Millionen Euro pro Jahr.

Gleich dahinter folgt der Chemiekonzern Bayer. Das Leverkusener Unternehmen ließ sich die Lobbyarbeit in Brüssel allein im Jahr 2022 sieben Millionen Euro kosten.

Gesetze beeinflussen oder verhindern

Die Erfolge der Lobbyisten lassen sich von außen nur schwer beurteilen und noch schwerer nachweisen. Die Grenzen sind fließend - zwischen fragwürdiger Einflussnahme einerseits und andererseits fachlicher Beratung, die Kommissare und Abgeordnete für ihre Entscheidungen benötigen.  

Ein Beispiel: Ende 2023 genehmigte die EU-Kommission die Zulassung des Pflanzengifts Glyphosat für weitere zehn Jahre. Das kam für viele überraschend. Glyphosat ist ein Produkt von Bayer. Aber wie sehr die Lobbyarbeit von Bayer die Entscheidung beeinflusst hat, ist kaum zu belegen.

Die Interessen der Agrar-Lobby

Der Europäische Bauernverband gehört zu den einflussreichsten Lobbygruppen in Brüssel. Sein Name klingt etwas kompliziert, die Abkürzung lautet: Copa-Cogeca. Das liegt daran, dass da nicht nur die Bauern zusammengeschlossen sind, sondern auch Unternehmen, wie zum Beispiel der Raiffeisen-Verband.

Für sie alle geht es um viel Geld, denn die Agrarsubventionen machen ein Drittel des gesamten EU-Haushalts aus. Umweltverbände und Agrarökonomen kritisieren, dass es dieser Lobby eher um die Interessen der Agrarindustrie als um die bäuerlichen Betriebe geht.

Lobby-Einfluss auf das Parlament

Als das Europaparlament im Frühjahr ein neues Naturschutzgesetz verabschieden wollte, fanden die Abgeordneten in ihrer Inbox eine Mail von Copa-Gogeca. Die Abgeordneten sollten das Gesetz zur Wiederherstellung der Natur bitte ablehnen, so hieß es laut Recherchen der "Süddeutschen Zeitung" ganz offen in der Mail.

Am Ende fand das neue Naturschutzgesetz dann doch eine Mehrheit. Die größte Fraktion im EU-Parlament, die christdemokratische EVP, hatte als Linie zwar die Ablehnung vorgegeben. Aber einige wenige EVP-Abgeordnete vor allem aus Irland und Portugal hielten sich nicht daran. Das gab den Ausschlag.

Strenge Regeln in Brüssel

In Brüssel, da sind sich die Experten einig, herrschen im internationalen Vergleich vergleichsweise strenge Regeln. Treffen mit Abgeordneten und hohen Kommissionsvertretern müssen dokumentiert und offengelegt werden, dafür gibt es ein Transparenzregister.

Weniger streng sind die Vorgaben dagegen in der Vertretung der 27 Mitgliedsländer - dem Europäischen Rat. Und Einfluss von Lobbygruppen auf die Gesetzgebung gibt es natürlich nicht nur in Brüssel, sondern auch in anderen Hauptstädten.